Biographie

Apelles von Löwenstern, Matthäus

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Komponist
* 20. April 1594 in Neustadt/Oberschlesien
† 11. April 1648 in Breslau

Der Dichtermusiker Matthäus Apelles von Löwenstern ist heute lediglich durch seine Beiträge zum evangelischen Kirchenlied bekannt. Das Evangelische Kirchengesangbuch von 1950 wie das Evangelische Gesangbuch von 1993 enthalten das Lied „Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit“, dessen Worte und Weise von dem geadelten Schlesier stammen. Musikalisch Gebildete wissen zudem, daß Johann Sebastian Bach sieben Kirchenlieder von Apelles für 4-stimmigen Chor setzte. Als Notenbeilage bieten wir deshalb das Lied „Singt dem Herrn ein neues Lied“ in zwei Fassungen: Die eine in der Originalnotierung von 1644 für Gemeindegesang und unbezifferten Generalbaß für die Orgelbegleitung und zum anderen die Fassung Johann Sebastian Bachs für 4-stimmigen Chor. Dabei läßt sich beobachten, wie die kirchentonartlich geprägte Originalfassung ein Jahrhundert später in der Gesangbuch-Quelle Bachs dem Dur-Moll-System angepaßt und stellenweise rhythmisch verändert war.

Als Sohn eines Sattlers Appelt wurde der Dichtermusiker im damaligen Fürstentum Oppeln geboren. Als Matthäus Appelt Neostadiensis ist er 1610 bis 1613 als Schüler des Gymnasiums in Brieg, südöstlich von Breslau, nachweisbar. Dort scheint seine musikalische Begabung gefördert worden zu sein. Das von Scultetus in Hymnopoei Silesiorum (Wittenberg 1711) behauptete Studium an der Universität Frankfurt an der Oder scheint nicht stattgefunden zu haben, denn die Studie von G. Kliesch Der Einfluß der Universität Frankfurt/Oder auf die schlesische Bildungsgeschichte(Würzburg 1961) ergab keinen Studierenden Appelt oder so ähnlich. Vielmehr scheint er in Neustadt, später in der Nachbarstadt Leobschütz in den Schul- und Kirchendienst getreten zu sein. Hier – die Zeit von 1613 bis 1625 belegt – dürfte er gottesdienstliche Werke geschaffen haben, die er erst später publizieren konnte. Einer Berufung von 1620 an den Hof des Markgrafen Johann Georg von Brandenburg nach Troppau ist er nicht gefolgt, möglicherweise waren die Wirren des 30jährigen Krieges der Grund dafür.

Die Stelle in Leobschütz mußte Appelt 1625 im Zuge der Gegenreformation aus konfessionellen Gründen verlassen. Doch hatte er Glück im Unglück, denn er erhielt einen Ruf des Herzogs Heinrich Wenzel von Oels-Münsterberg. In der kleinen Residenz Bernstadt, östlich von Breslau, übernahm er die Aufsicht über das Schulwesen. Da er sich im Verwaltungsdienst bewährte, wurden ihm weitere Aufgaben übertragen. 1631 ernannte ihn der Herzog zum Rat und Secretarius, 1634 erhob ihn Kaiser Ferdinand II. in den Adelsstand, die Würde eines Kaiserlichen Rats kam hinzu. Da seine Ehefrau Martha Adam 1636 gestorben war, verehelichte er sich im folgenden Jahr zum zweiten Mal. Die Wahl fiel auf Barbara von Tarnau und Kühschmaltz, die reiche Erbin von Langenhof bei Bernstadt. Nach dem Tod von Herzog Heinrich Wenzel im Jahr 1639 vereinigte
dessen Bruder und Mitregent Karl Friedrich das Oelser Herrschaftsgebiet. Wegen der Unsicherheiten und Plagen des 30jährigen Krieges residierte er im „Oelser Haus“ in der befestigten Stadt Breslau, so daß auch Matthäus Apelles von Löwenstern dort gewohnt haben dürfte. Breslau erlebte in jenen Jahrzehnten eine Blüte seines Musiklebens, unter anderen wirkten Samuel Besler (1574-1625), Simon Besler (1583-1633) und Ambrosius Profe (1589-1661) in der schlesischen Metropole. In diesem Umkreis lebte der zu ansehnlichem Wohlstand gelangte ehemalige Lehrer und Kantor als Förderer von Künstlern und Gelehrten, als Wohltäter von Schulen und als hilfsbereiter Freund der Armen. Er starb 54jährig an der Gicht. Seine Hausorgel vermachte er der Bernhardin-Kirche.

Als Tonsetzer betätigte sich Löwenstern auf vier Gebieten: er verfaßte evangelische Kirchenlieder, schrieb zu einem Schauspiel Chormusik, setzte traditionelle Motetten und pflegte das modische Kirchenkonzert. Die 30 Titel seiner Sammlung Früelings-Mayenvon 1644 sind meist zweistimmig gesetzt (Melodie und Baß), einige für vierstimmigen Chor ausgearbeitet. Sie verbreiteten sich rasch, wie Johannes Zahn in Die Melodien der deutschen evangelischen Kirchenlieder nachgewiesen hat. Löwenstern trug auch zur Vorgeschichte der Oper bei, zu der das Sprechdrama mit Musik gehört. Das Spiel Judith von Martin Opitz (1635) hatte Andreas Tscherning um zwei Akte erweitert. Zugleich damit erschienen 1646 die von Löwenstern vertonten Chöre dazu im Druck. Das sind teils homophone Strophenlieder, teils imitatorisch gearbeitete Sätzchen.

Motetten Löwensterns liegen in handschriftlichen Stimmen in der Breslauer Stadtbibliothek. Für sie ist man auf die Beschreibung in der Dissertation von Hugo Steinitz angewiesen, der Partituren angefertigt haben dürfte. Diese Kompositionen sind für vier bis acht Stimmen auf lateinische oder deutsche Texte gesetzt. Steinitz führt unter anderem neun achtstimmige Sätze in farbiger Abstufung von zwei Chorgruppen an. Wiederholt flocht Löwenstern Kirchlied-Melodien in seinen Satz ein. Bei der achtstimmigen Motette „Herr Gott Israel“ ist der Anlaß bekannt: sie war für die Weihe des Schlosses Vielguth bei Oels im November 1628 bestimmt.

Die elf Kirchenkonzerte Löwensterns sind in der Art des italienischen Franziskaner-Paters Ludovico Grossi da Viadana (1564-1645) gestaltet. Grossi schuf geringstimmige Vertonungen mit sorgfältig ausgerundeter Melodik, die lediglich von Orgel zu begleiten sind. In den unruhigen Kriegsjahren von Löwensterns Wirksamkeit traten bei der Kirchenmusik häufig Besetzungsschwierigkeiten auf. Wie der deutsche Großmeister Heinrich Schütz verfaßte er deshalb Sätze mit sparsamster Besetzung.

Löwensterns Kompositionen sind Gebrauchsmusik im guten Sinn des Wortes. Manche Motetten und Geistlichen Konzerte wären auch für die kirchenmusikalische Praxis am Ende des 20. Jahrhunderts brauchbar. Doch gehörten dazu ein fleißiger Musikhistoriker, der Partituren herstellte, und ein wagemutiger Verleger, der die Kompositionen im Druck vorlegte.

Lit.: Joh. Gottfried Walter: Musicalisches Lexicon, Leipzig 1732, S. 368 f. – Hugo Steinitz: Über das Leben und die Kompositionen des Matthäus Apelles von Löwenstern, Diss. Rostock 1892. – Johannes Zahn: Die Melodien der deutschen evangelischen Kirchenlieder, Bd. 5, Gütersloh 1892, S. 416. – Gerhard Strecke: Matthaeus Apelles von Löwenstern, in: Der Oberschlesier 9 (1927), S. 256-260. – Peter Epstein: M.A.v.L., in: Schlesische Lebensbilder 3, Breslau 1928, S. 42-47. – Musik und Geschichte und Gegenwart 8, Kassel [u.a.] 1960, Sp. 1117-1121. – F. Feldmann: Die Schlesische Kirchenmusik, in: G. Hultsch (Hg.): Das Ev. Schlesien, VI/2, Lübeck 1975, S. 80-82.– The New Grove of Music and Musicians 11, London 1980, S. 289.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Matth%C3%A4us_Apelt

 Rudolf Walter