Biographie

Archenholtz, Johann Wilhelm von

Herkunft: Danzig
Beruf: Geschichtsschreiber
* 3. September 1741 in Danzig
† 28. Februar 1812 in Oejendorf bei Hamburg

Johann Wilhelm von Archenholtz wurde nach einem Vermerk im Taufregister der St. Marienkirche in Langfuhr bei Danzig am 3. September 1743 geboren. Andere Belege sprechen von einem Geburtsdatum im September 1741. Er stammte aus einer hannoverschen Adelsfamilie und wurde nach seiner Ausbildung in der Berliner Kadettenanstalt Offizier in preußischen Diensten. Im Siebenjährigen Krieg schwer verwundet, nahm er 1763 im Range eines Hauptmanns seinen Abschied.

Danach unternahm er ausgedehnte Reisen; sie führten ihn vor allem nach England, Frankreich, Italien, Polen und Dänemark. Nach seiner Rückkehr im Jahre 1780 widmete er sich dann der Schriftstellerei und wuchs als Herausgeber von umfangreichen Zeitschriftenreihen allmählich in die Rolle eines der maßgeblichen Vermittler in der politischen und literarischen Debatte seiner Zeit hinein. So pflegte er Kontakte zu allen wichtigen Schriftstellern seiner Zeit und trat besonders mit Christian Friedrich Daniel Schubart, Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Christoph Martin Wieland in regen Briefwechsel. „In seinem Streben nach dem weltbürgerlichen Ideal des freien und reinen Menschentums und als Freimaurer“ (Emil Dovifat) suchte er auch die Bekanntschaft von Georg Forster und siedelte unter seinem Einfluß 1791 nach Paris über. Er beobachtete hier die revolutionäre Entwicklung aus nächster Nähe und versuchte sich wiederum als Herausgeber einer Zeitschrift, die auf das politische Geschehen unmittelbaren Einfluß ausüben sollte. Mit Beginn der kriegerischen Verwicklungen im Juni 1792 verließ er Paris aber fluchtartig, um sich zuletzt auf die Gutsherrschaft Luisenhof in Oejendorf in der Nähe von Hamburg zurückzuziehen. Dort starb er am im Februar 1812 nach zwei Jahrzehnten intensiven Wirkens als Pulblizist und Herausgeber.

Sein bekanntestes Werk, das bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder in Neuauflagen und zahlreichen Übersetzungen veröffentlicht wurde, stellt seine Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland dar. Sie ist aus den Erfahrungen erwachsen, die Archenholtz als aktiver Offizier gemacht hatte, aber erst gegen Ende der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts zu Papier gebracht worden. Sie gehört gleichwohl zu den großen Beispielen einer Zeitgeschichtsschreibung, die sich so eng wie möglich am tatsächlichen Geschehensverlauf zu orientieren versuchte, aber zugleich auch dem Geist des freimütigen Urteils und der aufgeklärten Rationalität verpflichtet blieb. Daneben sind es seine zahlreichen, häufig mehrbändigen Reisebeschreibungen, die ihn einem größeren Publikum bekanntgemacht haben. Diese glänzend geschriebenen Erlebnisberichte gehören zu den meistgelesenen Reisejournalen der Zeit und wurden in alle großen Sprachen übersetzt. Sie stellen groß angelegte „Sittengemälde“ dar, „die sich als Vorform der modernen Soziologie verstehen lassen“ (Reinhart Koselleck).

Von außerordentlicher Bedeutung ist darüber hinaus die Rolle, die Archenholtz als Herausgeber einer ganzen Fülle von zum Teil kurzlebigen, zum Teil aber auch sehr lange erscheinenden Zeitschriften gespielt hat. So gab er von 1782 bis 1786 die Zeitschrift für Literatur-und Völkerkunde heraus. Nach seiner Rückkehr aus Paris begründete er 1792 die Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts,die erst im Jahre 1858 ihr Erscheinen einstellte und durch Jahrzehnte hindurch ein maßgebliches Forum des politischen und literarischen Diskurses in Deutschland gewesen ist. Ferner betreute er auch zwei englischsprachige, in Hamburg erscheinende Zeitschriften, The British Mercury (1181-1190) und The English Lyceum (1787-1788).

Archenholtz nahm als Herausgeber wie in der Funktion des Historiographien und des ganz Europa bereisenden Zeitzeugen wesentlichen Anteil an jenem öffentlichen Diskurs, wie er charakteristisch ist für die bürgerliche Emanzipationsbewegung in Deutschland in den letzten Dezennien des 18. Jahrhunderts. Er zählt ohne Zweifel nicht zu den exponierten Vertretern dieses umfassenden Wandlungsprozesses; dazu waren seine politischen Vorstellungen trotz seines zeitweiligen Engagements für die Ideale der Französischen Revolution zu unpräzise und schwankend. Aber besonders in seiner Herausgebertätigkeit hat er sich mit solchem Nachdruck und unermüdlichem Eifer für die Herstellung einer neuen Form von Öffentlichkeit eingesetzt, daß er als einer der profiliertesten Persönlichkeiten des literarischen Lebens in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu gelten hat.

Werke in Auswahl: England und Italien, 2. Aufl., 5 Bände, Karlsruhe 1791. – Annalen der Britischen Geschichte, 20 Bände, Hamburg 1788-98. – Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland von 1756-1763, erstmals erschienen in: Historisch-Genealogischer Calender oder Jahrbuch der merkwürdigsten neuen Welt-Begebenheiten für 1789, Berlin (Haude und Spener 1789). – Kleine Historische Schriften, 2 Bände, Tübingen 1803. – Miscellen zur Geschichte des Tages, 2 Bände, Hamburg 1975. – Geschichte Gustav Wasa’s, König von Schweden, nebst einer Schilderung des Zustandes von Schweden von den ältesten Zeiten an bis Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, 2 Bände, Tübingen 1801. <p >Lit.: Friedrich Ruof: Johann Wilhelm von Archenholtz. Ein deutscher Schriftsteller zur Zeit der französischen Revolution und Napoleons (1741 -1812) (Historische Studien, 131), Nachdruck der Ausgabe von 1915, Vaduz 1965. – Emil Dovifat, Johann Wilhelm von Archenholtz, in: Neue Deutsche Biographie l (1953), 335 f.

Bild: Kupferstich von F. Grögory nach einer Zeichnung von Anton Graff (Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin).

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wilhelm_von_Archenholz

Johannes Kunisch