Biographie

Arlt, Carl Ferdinand, Ritter von Bergschmidt

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Augenarzt, Chirurg
* 18. April 1812 in Obergraupen
† 7. März 1887 in Wien

Nach Absolvieren des Gymnasiums in Leitmeritz beabsichtigte der Sohn eines Bergschmiedes ursprünglich, katholischer Geist­licher zu werden. Nachdem Arlt diesen Berufswunsch verworfen hatte, nahm er an der Karl-Ferdinands-Universität zu Prag das Studium der Medizin auf. Schon während seiner Studienzeit interessierte sich Arlt besonders für die Ophthalmologie. Daher besuchte er immer wieder die augenheilkundlichen Vorlesungen Prof. Johann Nepomuk Fischers (1777-1847), der auch sein Lehrer werden sollte. Am 27. November 1839 wurde Arlt in Prag mit einer Doktorarbeit über die Blindheit (Dis­ser­tatio … sistens historias amauroseos e vitiis organicis cerebri quatuor adnexis similibus, quotquot innotuere, autorum vari­orum observationibus), die er Prof. Fischer widmete, zum Doktor der Medizin promoviert.

Aufgrund des Anratens seines Lehrers begab sich Arlt nach Beendigung seines Medizinstudiums für drei Monate nach Wien, um am Allgemeinen Krankenhaus nicht nur seine augen­heilkundlichen Kennnisse zu vertiefen. Dort hörte er die Vorlesungen des Klinikers Josef Skoda sowie des Pathologen Karl von Rokitansky – damals zwei der bedeutendsten Wiener Mediziner. Daneben bildete sich Arlt an der Universitäts-Augenklinik des Allgemeinen Krankenhauses (Leitung: Anton von Rosas [1791-1855]) sowie an der medizinisch-chirur­gi­schen Josephs-Akademie unter Friedrich Jäger von Jaxtthal weiter.

Nach Prag zurückgekehrt, übernahm Arlt ab 1840-1842 die Assistentenstelle an der dortigen Universitäts-Augenklinik. Anschließend ließ er sich in Prag als Arzt für Innere Medizin und Chirurgie nieder. 1845 erfolgte in Prag seine Habilitation für Ohrenheilkunde und 1847 diejenige für pathologische Anatomie des Auges. Schon ab dem Jahre 1846 vertrat Arlt in der Augenklinik seinen Lehrer Fischer. 1848 erhielt Arlt an der Wiener Universität den Grad eines Magisters der Ophthalmologie, und von 1849-1856 leitete er als Ordinarius und Nachfolger Fischers die Augenklinik in Prag. Ab 1855 war Arlt gemeinsam mit seinem Schüler Albrecht von Graefe Herausgeber des wirkungsmächtigen Archivs für Ophthalmologie, das von Graefe ein Jahr zuvor gegründet hatte.

Aufgrund seiner außerordentlichen Verdienste in Prag wurde Arlt 1856 als Nachfolger Anton von Rosas’ zum Direktor der Wiener Universitäts-Augenklinik berufen, wo er bis 1883 als Arzt, Forscher und Lehrer überaus erfolgreich tätig war.

Arlt legte größten Wert auf pathologisch-anatomische Augenbefunde, die er als Grundlage einer wissenschaftlichen Oph­thal­mologie überhaupt ansah. So wurde er zum Pionier einer anatomisch-pathologisch begründeten Augenheilkunde, die auf diese Weise zu einem eigenständigen medizinischen Spezialfach avancieren konnte. Des weiteren konnte Arlt 1854 nachweisen, daß die Kurzsichtigkeit in den meisten Fällen auf Verlängerung des Augapfels zurückzuführen sei. Ferner förderte er in hohem Maße die augenärztliche Fortbildung der niedergelassenen Allgemeinärzte sowie die Aufklärung breiter Bevölkerungsschichten über ophthalmologische Themen. Arlt beschrieb nicht nur als Erster zahlreiche Krankheitsbilder, son­dern entwickelte viele neue Operationsmethoden, beispielsweise zur Ausräumung der Augenhöhle, zur Entfernung des Bulbus, zur Linsenentfernung sowie bei Verwachsungen des Lides.

Arlts Schüler wie Albrecht von Graefe (Berlin), Frans Cornelis Donders (Utrecht) und Ernst Fuchs (Lüttich und Wien) zählten zu den bedeutendsten Augenärzten der damaligen Zeit.

Aufgrund seiner Verdienste, seiner innovativen Forschungsarbeiten und seiner umfassenden Lehrtätigkeit, die eine ausgezeichnete Schülerschaft hervorbrachte, die das Werk ihres Lehrers fortführte und weiterentwickelte, war Carl Ferdinand von Arlt einer der bedeutendsten und wegweisendsten Ophthal­mologen des 19. Jahrhunderts sowie ein Mitbegründer der modernen wissenschaftlichen Augenheilkunde. Zahlreiche be­deu­tende Ehrungen, Auszeichnungen und Orden wurden ihm daher zuteil: 1863: Ehrenbürger der Stadt Graupen, 1870: Orden der Eisernen Krone III. Klasse und Adelstitel (erblicher Ritterstand), 1877: Titel und Charakter eines Hofrats, 1883: Kai­­serlich-Österreichischer Franz-Joseph-Orden (Komturkreuz mit Stern) und Ehrenorden des Roten Kreuzes, 1877: Sankt-Olav-Orden (Komturkreuz/II. Klasse), 1881: Orden zum Heiligen Michael (Komturkreuz), 1885: Sonnen- und Löwenorden II. Klasse.

Werke: Dissertatio inauguralis medica, sistens historias amau­roseos e vitiis organicis cerebri quatuor adnexis similibus, quot­quot innotuere, autorum variorum observationibus …, Prag 1839. – Die Pflege der Augen im gesunden und kranken Zustande, nebst einem Anhange über Augengläser, Prag 1846. – Die Krankheiten des Auges für praktische Ärzte, I–III, Prag 1851-1856. – Augenoperationslehre, in: Handbuch der ge­samm­ten Augenheilkunde, hrsg. v. Graefe-Saemisch, Bd. 3 (1874), S. 249-500. – Ueber die Ursachen und die Entstehung der Kurzsichtigkeit, Wien 1876. – Zur Lehre vom Glaucom, Wien 1884. – Meine Erlebnisse, Wiesbaden 1887.

Lit.: ADB 46 (1902). S. 38; NDB 1 (1953), S. 352. – Frank Krogmann, Ferdinand von Arlt (1812-1887) unter dem Aspekt seiner Beziehungen zu deutschen Wissenschaftlern, in: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 13 (1995), S. 59-65. – Erna Lesky, Die Wiener Medizinische Schule im 19. Jahrhundert, 2. Aufl. Graz, Köln 1978, S. 220-226. – Gabriela Schmidt, Arlt, Ferdinand, in: Enzyklopädie Medizingeschichte, hrsg. v. Werner E. Gerabek u. a., Berlin, New York 2005, S. 99f.

Bild: Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv Austria, Inventar­nr. Pf 104035:B (1)/Wikipedia.

Werner E. Gerabek