Das Werk dieser Schriftstellerin ist eng mit ihrer ostpreußischen Heimat, der Elchniederung und dem Grenzland zu Litauen an der Memel verbunden. Diese Heimat musste sie als junge Frau am Ende des Zweiten Weltkrieges verlassen. Aus der Rückschau auf ihre Jugendjahre ist sie zu einer Heimatdichterin geworden, die ihren Landsleuten facettenreich die Schönheiten und die Einzigartigkeit Ostpreußens, seine Sitten und Gebräuche, aber auch Schattenseiten ihr Leben lang vor Augen stellte.
In ihrer Heimatstadt Tilsit lebte sie bis zum Abitur. Das begonnene Studium der Pharmazie konnte sie nicht abschließen. Wie Hunderttausende ihrer Landsleute floh sie vor der Roten Armee in den Westen Deutschlands nach Schleswig-Holstein. Dort setzte sie ihr Pharmaziestudium nicht fort, sondern ließ sich in Lübeck und Hamburg zur Schauspielerin ausbilden, legte 1948 ihre Schauspielprüfung ab und studierte gleichzeitig Literatur-, Kunst- und Theatergeschichte.
1953 heiratete sie den Intendanten und Schauspieler Ottomar in der Au. Die gemeinsame Tochter Dietlind in der Au wurde am Reformationstag 1955 geboren. Sie war Dichterin (Spatzenlachen, Gedichte 1977), starb aber schon vier Jahre vor ihrer Mutter am 11. Juli 1994. Sie wurde auf dem Friedhof Grone bei Göttingen begraben.
In den 1950er Jahren begann Annemarie in der Au mit ihrer schriftstellerischen Arbeit, zog nach Krefeld und wirkte dort als freie Journalistin, Dozentin an der Volkshochschule und Schriftstellerin. Ihr umfangreiches Werk von 1962 bis zu ihrem Tode umfasst Gedichte und Erzählungen, Theaterstücke und Hörspiele, Essays und Rundfunkfeatures. Sie schrieb Romane wie Das Glaskugelopfer (1968) und Alles dreht sich um Es (1965) und Lyrikbände wie Kein Mondsilber mehr als Währung (1971) und Die Schatten weilen länger (1965), aber auch die Komödie Weh dem, der aus dem Rahmen fällt (1964). Posthum erschienen die beiden Bücher Ostpreußen: zuhause im weiten Land (2002, mit Grete Fischer und Eva Reimann) und Ostpreußen: unerreichbar wie der Mond (2003, mit Grete Fischer) als Zeichen ihrer lebenslangen Liebe zur ostpreußischen Heimat.
In der Erzählung Johnchen und das Kraut für alles setzt Annemarie in der Au einer Kräuterfrau ein Denkmal, die auf dem Tilsiter Schenkendorfplatz zu Füßen des Freiheitsdichters und Sohnes der Stadt Max von Schenkendorf (1783-1817) auf ihrem Kissen thront, umgeben von den jeweiligen Kräutern der Jahreszeit, von Majoran und Fenchel bis Senfkörnern, Kümmel und Kamille. Sie weiß um die Geheimnisse der Butter- und Käsezubereitung, erfühlt das Alter von Eiern und kennt natürlich auch die Heilkräfte ihrer Kräuter, was sie in Konflikt bringt mit dem Sanitätsrat, dessen Frau sich allerdings gern von Johnchen beraten lässt. Die Erzählung fängt das Tilsiter Marktleben plastisch ein und gibt zugleich Einblick in die Beziehungen zwischen Stadt und Land im östlichen Ostpreußen.
Die tragische Liebesgeschichte Jonas und Romeike thematisiert die Spannungen zwischen Litauen und Ostpreußen nach 1923 an der Memel. Jonas kommt von der anderen Seite und begegnet an einem schönen Sommertag der 17-jährigen Romeike. Es entsteht eine romantische Liebe über den Grenzfluss hinweg, in einer Scheune auf den Flusswiesen, ungestört von den „Grünen“, wie die Grenzsoldaten genannt werden, vor denen Romeike Angst hat, weil sie ihren Vater getötet haben. Während des Winters bleibt Jonas lange aus. Romeike macht sich auf den Weg über den Fluss, auf dem schon das Eis im Frühlingswind bricht. Auf der anderen Seite steht ihr plötzlich ein Grenzpolizist mit vorgehaltenem Gewehr gegenüber, Romeike erstarrt, erkennt nicht, dass es sich um Jonas handelt und flieht. Sein Rufen erreicht sie nicht mehr, die Memel und ihr Treibeis beenden ihre Liebe.
Eine besondere Hommage an Ostpreußen ist Annemarie in der Au mit der heiteren Legende Das Jesuskind in Ostpreußen (1987) gelungen. In der Heiligen Nacht beschließt das gerade geborene Kind, angesichts des vor ihm liegenden schweren Lebens noch einen Ausflug zu machen. Der Erzengel Gabriel ist dagegen, aber Gottvater versteht seinen Sohn, und so macht sich die Heilige Familie, geschützt im Gewand des Engels Michael auf den Weg nach Norden. Der Engel will dem Jesuskind natürlich sein Land, das nach ihm benannt ist, zeigen. Jesus will aber möglichst weit, also muss Michael ganz in den Nordosten fliegen.
Dort will er zunächst auf der Nehrung landen, was Jesus ablehnt, weil er in seiner Heimat genug Sand habe und in seinem Leben sogar vierzig Tage in der Wüste zubringen muss. Auch der Vorschlag, am Wasser zu landen, wird abgelehnt. Aber der ostpreußische Wald hat es dem Jesuskind angetan, und so landet man tief in einem verschneiten Wald und bezieht dort ein Waldhüterhäuschen. Hier entfaltet sich nun eine heilige Nacht der besonderen Art mit den Tieren des Waldes, der Bevölkerung des nahen Dorfes und sogar drei „Königen“, die in Gestalt eines Memelfischers, eines Jagdherrn und eines Bernsteinfischers, von ihren Heimatorten aus der Ferne magisch angezogen, sich bei dem Schulzen des Dorfes einfinden.
Annemarie in der Au nutzt ihre Legende sehr humorvoll, um zu erklären, warum der Hase an der Krippe für die Ostereier zuständig wird oder der von dem Hirtenjungen gesund gepflegte Storch für das Bringen der Kinder. Diese und andere Volksweisheiten entstehen also in Ostpreußen in der Heiligen Nacht. Die Eule ist beleidigt, weil Jesus ein Mensch und keine Eule geworden ist, die doch viel weiser sei als der Mensch. Das Jesuskind erklärt, dass der Buchstabe M wie Mensch in der Mitte des Alphabets stehe und Gott deswegen Mensch werden musste, um die Menschen von ihrer Gottlosigkeit zu befreien – also auch ein theologischer Disput ereignet sich in der Legende. Vater Joseph verschläft die meisten Ereignisse, die Maria mit Freude erlebt, weil der Dorfschulze ihm eine Flasche Bärenfang geschenkt hat, der er kräftig zuspricht. Als am Ende der Nacht die Heilige Familie wieder ins Heilige Land zurück fliegt, bleibt am Waldhüterhäuschen der geschmückte Tannenbaum mit einigen Engeln und dem Kometen an der Spitze zurück; an den Stamm gelehnt träumt der Dorfsänger von der Heiligen Nacht – also eine Legende mit zahlreichen ostpreußischen Reminiszenzen.
Für ihr Werk hat Annemarie in der Au zahlreiche Ehrungen entgegennehmen können. So erhielt sie 1970 den Hörspielpreis des Ostdeutschen Kulturrates, 1974 die Ehrengabe zum Andreas-Gryphius-Preis, 1988 den Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen und 1994 die Pro-Arte-Medaille der Künstlergilde Esslingen. 1990 wurde sie von Bundespräsident von Weizsäcker mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
Annemarie in der Au war Mitglied der Autorenvereinigung Die Kogge, der Künstlergilde Esslingen und des Marburger Kreises.
Lit.: Wilhelm Matull (Hrsg.), Erlebtes Ostpreußen. Erinnerungsbilder aus fünf Jahrzehnten. München 1975, S. 9-13; S. 194. – Rudolf Naujok (Hrsg.), Ostpreußische Liebesgeschichten. München 1967, S. 122-129; S. 320. – Annemarie in der Au, Das Jesuskind in Ostpreußen. Eine heitere Legende, Husum 1987.
Bild: Ostpreußenblatt.
Klaus Weigelt