Biographie

Aubin, Hermann

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Historiker
* 23. Dezember 1885 in Reichenberg/ Böhmen
† 11. März 1969 in Freiburg/Breisgau

Der aus einer Geusenfamilie stammende Sohn eines deutsch-böhmischen Textilfabrikanten studierte nach Ableistung seiner Militärdienstpflicht vom Herbst 1905 an in München, Bonn und Freiburg i.Br. Hier promovierte er im Sommer 1910 bei Georg von Below über „Die Verwaltungsgeschichte des Fürstbistums Paderborn im Mittelalter“. Nach kurzem Aufenthalt am Wiener Institut für Österreichische Geschichtsforschung übernahm er die Bearbeitung von Abt. II der „Weistümer der Rheinprovinz“ (erschienen 1913/14). Seine von Aloys Schulte betreute Bonner Habilitationsschrift „Die Entstehung der Landeshoheit nach niederrheinischen Quellen“ kam infolge des Krieges (Offiziersjahre an der Dolomitenfront) erst 1918 zum Abschluß. Als junger Privatdozent in Bonn legte er im Winter 1919/20 seine Pläne „Über den Betrieb geschichtlicher Landeskunde der Rheinprovinz“ vor, die im Mai 1921 zur offiziellen Einrichtung des Instituts in Bonn führten. 1925 folgte Aubin einem Ruf nach Gießen, 1929 nach Breslau; an beiden Orten hat er Seminarabteilungen bzw. Institute derselben Ausrichtung ins Leben gerufen. Von Breslau aus nahm er in den drei Winterabschnitten 1930-33 die Gelegenheit zu Gastvorlesungen an der Universität Kairo wahr, wobei Richard Koebner die Vertretung des Breslauer Lehrstuhls anvertraut war. Berufungsmöglichkeiten nach Heidelberg als Nachfolger von Karl Hampe und nach Leipzig an die Seite von Theodor Frings, seines einstigen germanistischen Bonner Weggefährten, scheiterten an der politischen Konstellation nach 1933.

Nach Einziehung zu Schanzarbeiten an der Ostgrenze Schlesiens im Herbst 1944, dann zum Volkssturm kam Aubin Anfang 1945 infolge einer Verwundung auf dem Luftweg aus der „Festung“ Breslau heraus, über Berlin in seine einstige Musenstadt und Heimat seiner Frau, nach Freiburg i.Br. Von dort vertrat er im Winter 1945/46 den mittelalterlichen Lehrstuhl in Göttingen und nahm von 1946 bis 1954 die entsprechende Professur in Hamburg wahr. Nach der Emeritierung blieb Freiburg sein Alterssitz, mit der Möglichkeit weiterer Lehrtätigkeit als Honorarprofessor an der dortigen Universität. Von der 22. Versammlung deutscher Historiker in Bremen 1953 zum Präsidenten gewählt, nahm er an zahlreichen deutschen und internationalen Kongressen, Kolloquien und Arbeitsbesprechungen teil. Klar erkennbare Forschungsschwerpunkte ergaben sich aus der andauernden Verbindung mit der rheinischen Landesforschung, aus der 1929 angebahnten Mitredaktion und Autorschaft beim „Raumwerk Westfalen“ wie aus der Fortsetzung der ostdeutsch-ostmitteleuropäischen Arbeitsansätze der Vorkriegszeit in dem 1950 im wesentlichen von ihm geschaffenen Johann Gottfried Herder-Forschungsrat in Marburg/L. Durch Festschriften zum 65., 70. und 80. Geburtstag geehrt – bei diesem letzten Anlaß auch durch eine Neuausgäbe seiner wichtigsten Aufsätze – hat er die „Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ seines Lehrers Georg von Below bis kurz vor seinem Tode betreut; mitten im Zweiten Weltkrieg war – ein Hoffnungszeichen in trüber Zeit – sein ostdeutscher agrargeschichtlicher Beitrag zur „Cambridge Economic History“ erschienen, und ein wesentlicher Teil seiner Arbeitskraft galt zuletzt dem mit Wolfgang Zorn gemeinsam herausgegebenen „Handbuch der deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“.

Die Bandbreite seiner Interessen – zeitlich von der Antike bis zu den Neugliederungsplänen der Weimarer- und der Nachkriegszeit, methodisch von kartographischen Wegweisungen bis zu den ersten deutsch-polnischen Schulbuchgesprächen der 30er Jahre reichend – versuchte die Hamburger Festgabe zum 65. Geburtstag durch den Titel „Geschichtliche Landeskunde und Universalgeschichte“ zum Ausdruck zu bringen. 68 Schülerarbeiten belegen die Vielfalt der wissenschaftlichen Impulse, welche von ihm in Vorlesungen, Übungen, Studienfahrten und Korrespondenzen über die Veröffentlichungen hinaus ausgingen. In der von ihm 1952 begründeten und 15 Jahre lang als Mitherausgeber betreuten „Zeitschrift für Ostforschung“ (Band 18.1969, S. 601-621) hat Gotthold Rhode seine, zusammen mit Walter Kühn verfaßte Würdigung Aubins unter den an dieser Stelle besonders hervorzuhebenden Bezug gestellt „Hermann Aubin und die Geschichte des deutschen und europäischen Ostens“.

Lit.: Hermann Aubin: Grundlagen und Perspektiven Geschichtlicher Kulturraumforschung und Kulturmorphologie. Aufsätze zur vergleichenden Landes- und Volksgeschichte aus viereinhalb Jahrzehnten, in Verbindung mit Ludwig Petry (Mainz) herausgegeben von Franz Petri, Bonn 1965, mit Schrifttumsverzeichnis (darin auch die geförderten Forschungen, Schülerarbeiten und Buchbesprechungen). – Hermann Aubin 1885-1969. Werk und Leben (Alma Mater. Beiträge zur Geschichte der Universität Nr. 32) Bonn 1970 (Reden bei der Trauerfeier am 23. März 1970, mit Übersicht über die weiteren Nachrufe).

Ludwig Petry

Ergänzend, insbesondere zu Hermann Aubins Rolle in der Zwischenkriegszeit, siehe Eduard Mühle: Hermann Aubin, der ‚deutsche Osten‘ und der Nationalsozialismus – Deutungen eines akademischen Wirkens im Dritten Reich. in: Hartmut Lehmann, Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften. Band 1: Fächer – Milieus – Karrieren. Göttingen 2004, S. 531–591. – Matthias Werner: Der Historiker und Ostforscher Hermann Aubin. Anmerkungen zu einigen neueren Publikationen, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 74 (2010), S. 235-253.

Weblinks: Hermann Aubin (1885-1969), Historiker, in: Portal Rheinische Geschichte (Eduard Mühle). – https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Aubin