Biographie

August Wilhelm

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Prinz von Preußen
* 9. August 1722 in Berlin
† 12. Juni 1758 in Schloss Oranienburg

In jeder Generation des Hauses Hohenzollern finden sich stets militärisch-politische und künstlerisch-schöngeistige Begabungen. Im Idealfall sind diese, wie exemplarisch bei Friedrich dem Großen, der genialer Feldherr und weitsichtiger Politiker, begabter Komponist und Dichter und, nicht zuletzt, beachtenswerter Schriftsteller war, in einer Person nahezu gleichmäßig vereint, meist jedoch überwiegt das eine Element das andere, ohne freilich je eines der beiden gänzlich auszuschließen. Diese Spannung, diese charakterliche Ambivalenz kann zu eher ruhigem, kontemplativem Leben oder auch dem weitgehenden Aufgehen in gewissenhafter Pflichterfüllung führen, kann aber auch die Tragik einer Persönlichkeit ausmachen. Letzteres war beim Prinzen August Wilhelm von Preußen, dem nächstjüngeren Bruder Friedrichs des Großen, der Fall.

Die Kindheit des als elftes Kind König Friedrich Wilhelms I. mit seiner Gattin, der Königin Sophie Dorothea, einer Tochter König Georgs I. von Großbritannien, zugleich Kurfürst von Hannover aus dem Hause der Welfen, am 9. August 1722 im Stadtschloss zu Berlin geborenen Prinzen verlief zunächst im Schatten des Konfliktes des „Soldatenkönigs“ mit Kronprinz Friedrich und der Prinzessin Wilhelmine. So wurden dem Nachgeborenen, der schon als Kind ein eher gefälliges, liebenswürdiges Wesen aufwies, mancherlei Freiheiten gewährt und er blieb vom Zwang, in ihm den Nachfolger auf dem Thron zu formen, verschont.

Wie üblich, durchlief er eine militärische Laufbahn, trat 1733 als Leutnant beim Garderegiment der ‚Langen Kerls‘ in Potsdam ein und erhielt militärischen Unterricht, der in ihm den Keim zu seinem späteren Verhängnis legen sollte, nämlich ein ausgesprochenes Bewusstsein der Berufung zu militärischer Führung, ohne freilich eine wirklich entsprechende Begabung aufzuweisen. 1740 Obrist eines Kavallerieregimentes, beförderte ihn sein Bruder Friedrich im Jahr nach seiner Thronbesteigung zum Generalmajor ohne eigenes Truppenkommando und 1745 schließlich zum Generalleutnant.

In diesen Funktionen nahm er, zumeist in der Entourage Friedrichs des Großen, an den beiden Schlesischen Kriegen 1740- 1742 und 1744/45 teil, ohne allerdings besonders hervorzustechen. Da dem König die mangelnde Neigung des Bruders zu militärischen Dingen nicht verborgen blieb, er selbst aber gleichzeitig entschlossen war, kinderlos zu bleiben, verschob sich der Schwerpunkt der dem Prinzen zugedachten Rolle auf die der Sicherung des Fortbestandes der Dynastie. So wurde er auf Wunsch Friedrichs am 6. Januar 1742 in Berlin mit Prinzessin Luise Amalie von Braunschweig-Wolfenbüttel, der Tochter des Herzogs Ferdinand Albrechts II. und damit einer jüngeren Schwester der Königin Elisabeth Christine verheiratet und 1744 zum „Prinzen von Preußen“, also zum präsumtiven Nachfolger ernannt.

Dem jungen Paar wurde das Kronprinzenpalais Unter den Linden in Berlin als standesgemäßer Wohnsitz angewiesen, dane­ben erhielten sie das Schloss Oranienburg, in dem August Wilhelm die weitgehend verwohnten barocken Räume durch Johann Gottfried Kemmeter prächtig instandsetzen bzw. dem neuen Geschmack des Rokoko entsprechend umgestalten ließ und auch den Garten neugestaltete. Das Schloss, einst vom „Großen Kurfürsten“ Friedrich Wilhelm für seine Gattin Luise Henriette von Oranien gebaut und unter dem ersten König Friedrich I. Schauplatz höfischer Repräsentation, erlebte eine kurze zweite Blüte.

Prinz August Wilhelm veranstaltete geschmackvolle Feste v.a. für seine beiden jüngeren Brüder Heinrich (1726-1802) und Ferdinand (1730-1813), aber auch für Freunde und andere Besucher und hauchte so den ehrwürdigen Mauern wieder etwas höfischen Glanz ein. Als Schöngeist delektierte er sich an Kunst und Literatur sowie der gepflegten Konversation, aber auch an der Gesellschaft des schönen Geschlechtes.

Der Ehe des Prinzen entsprossen zwar vier Kinder, neben dem früh verstorbenen Prinzen Emil (1758-1759) und Friedrichs des Großen „Lieblingsneffen“ Prinz Heinrich des Jüngeren (1747- 1767) die Prinzessin Wilhelmine (1751-1820), spätere Gattin des Generalstatthalters der Niederlande Wilhelm V. von Oranien und der spätere König Friedrich Wilhelm II. (1744-1797, reg. 1786-1797). Trotzdem war die Ehe unglücklich und bot Anlass zum ersten schweren Konflikt des Prinzen mit seinem königlichen Bruder.

War dieser, wie gesagt, schon von den militärischen Fähigkeiten August Wilhelms nicht besonders angetan, störten Friedrich vor allem neben dem zunehmenden Hervortreten sanguinischer Elemente im Charakter des Prinzen sein Hang zum kultivierten Genussleben in Oranienburg. Zum Konflikt kam es 1746, als August Wilhelm an den König mit der Bitte, seine Ehe scheiden zu lassen, herantrat. Der Prinz hatte sich in die 17-jährige Sophie von Pannewitz, eine Hofdame seiner Mutter, verliebt, und wollte diese ehelichen.

Trotz beiderseitiger Zuneigung war freilich ein solches Unterfangen von vornherein zum Scheitern verurteilt, Ehen waren ja primär politische Verbindungen. Dennoch insistierte August Wilhelm auf seinem Wunsch, die Liebe seines Lebens nicht nur als Mätresse zu haben, obgleich, wie die Umworbene, die im weiteren Verlauf ihres Lebens die Funktion einer Hofdame bei der Königin Elisabeth Christine in Hohenschönhausen und schliesslich die der Oberhofmeisterin bei Königin Luise versah und interessante Memoiren hinterließ, betonte, „niemals die Gebote der strengen Sittsamkeit und Tugend auch nur einen Augenblick“ vergessen wurden.

Mehr noch als durch die Tatsache der Ablehnung war Prinz August Wilhelm durch die Schroffheit, mit der der königliche Bruder diese vortrug, obgleich diesem ja Ähnliches in seiner Jugend widerfahren war und August Wilhelm daher auf größeres Verständnis hoffte, verletzt. Um das andauernde Werben des Prinzen weiter zu verunmöglichen, wurde Sophie von Pannewitz 1751 mit ihrem Vetter Johann Ernst von Voß verheiratet, wobei Prinz August Wilhelm, der darauf bestand, an der Vermählung teilzunehmen, während der Zeremonie einen Ohnmachtsanfall erlitt.

Friedrich der Große versuchte nun, den Bruder als den ja offiziellen Thronfolger stärker zu staatspolitischen, repräsentativen und diplomatischen Aufgaben heranzuziehen, musste jedoch sehr bald erkennen, dass sich zum einen die Neigung und v.a. das Engagement des Prinzen sehr in Grenzen hielt, zum anderen August Wilhelm zusehends gegen die politische Linie des königlichen Bruders opponierte. So missbilligte August Wilhelm die zunehmende Abkühlung des Verhältnisses zu Frankreich und warnte vor der Provokation eines Konfliktes mit Russland. 1756 kritisierte August Wilhelm insbesondere das „Renversement des Alliances“ in heftigen Worten und verurteilte den Präventivschlag gegen Sachsen.

Dennoch übernahm er, im beginnenden Siebenjährigen Krieg, 1756 zum General der Infanterie befördert, wieder militärische Aufgaben, drängte aber bald auf ein unabhängiges, verantwortliches Kommando. Er nahm 1757 am letztlich ja gescheiterten Feldzug in Böhmen teil und mußte dann Hals über Kopf nach der preußischen Niederlage bei Kolin am 18. Juni 1757, als der König einen Zusammenbruch erlitten hatte, das Kommando über einen Teil der geschlagenen und demoralisierten Armee (52 Bataillone Infanterie und 80 Eskadronen Reiterei) übernehmen.

Die Aufgabe des Prinzen, beraten von den Generälen Hans Karl von Winterfeldt und Karl Christoph von Schmettau, bestand darin, eine der beiden Marschsäulen der Armee aus Böhmen zurückzuführen und im Raum Jungbunzlau Stellung zu beziehen, um dort gegen die nachdrängenden österreichischen Verbände die Zugänge nach Schlesien und in die Lausitz zu decken.

Nachdem der Prinz das Magazin in Jungbunzlau leer vorfand, entschloss er sich, weiter in Richtung Gabel zurückzugehen um schließlich, um nicht umgangen werden zu können, eine neue Stellung bei Zittau zu beziehen. Aufgrund von, wie sich später herausstellen sollte, falschen Nachrichten wurde in einem Kriegsrat entschieden, trotz schlechter Straßen, in Richtung Bautzen zu marschieren, wobei nicht nur Gabel, sondern auch das Magazin in Zittau in die Hände der Feinde fielen, die den zunehmend mehr auf einer Flucht als einem geordneten Rückzug scheinenden Truppen heftig nachsetzten. Am 28. Juli 1757 trafen die Verbände in Bautzen ein.

Friedrich der Große, inzwischen körperlich und seelisch wiederhergestellt, verfolgte den gesamten Rückzug mit mahnenden, kritischen Worten und warf insbesondere dem Prinzen völliges Versagen vor. Bereits am 19. Juli hatte er dem Bruder geschrieben, er werde „stets nur ein kläglicher Heerführer sein“. Er fuhr fort: „Kommandieren Sie einen Harem, wohlan; aber solange ich lebe, vertraue ich Ihnen keine zehn Mann mehr an. Wenn ich tot bin, machen Sie soviel Dummheiten wie Sie wollen, sie kommen auf Ihr Konto; aber solange ich lebe, sollen Sie keine mehr machen, die den Staat schädigen“.

Als er am 29. Juli in Bautzen eintraf, setzte er seinen Bruder in aller Öffentlichkeit herab, indem er sich weigerte, den Rapport des Prinzen als des kommandierenden Feldherrn entgegenzunehmen und das Pferd, auf dem er sitzen geblieben war, umwandte und den Prinzen mit seinen Offizieren stehen ließ. Der in seiner Ehre gekränkte August Wilhelm wollte daraufhin unverzüglich mit Schreiben vom 30. Juli 1757 demissionieren, musste aber in einer für ihn als Prinzen von Geblüt ja nahezu unerträglichen Stellung noch bis zum Herbst warten, bis sein Rücktrittsgesuch schließlich angenommen wurde.

Er zog sich dann auf sein Schloss in Oranienburg zurück und verbrachte den Rest seines Lebens gebrochen und verbittert. Ein Zeugnis dieser Haltung ist die schriftliche Fixierung seiner Sicht der Ereignisse des Jahres 1757 die posthum 1769 unter dem Titel „Relationen über den Feldzug von 1757“ erschien und die eine extrem kritische Beurteilung sowohl der politischen als auch militärischen Fähigkeiten Friedrichs des Großen auszeichnen.

Als Prinz August Wilhelm am 12. Juni 1758 wohl an einem Gehirntumor plötzlich verstarb, wurde dem König die Schuld am frühen Ableben gegeben. Die beiden jüngeren Brüder Heinrich und Ferdinand sammelten sich um das Angedenken ihres Bruders in einer Art „feindseliger Loyalität“, und insbesondere Heinrich, der dem verstorbenen Bruder später im Schloßpark seiner Residenz Rheinsberg einen Obelisken errichten ließ, der vom Schloss aus direkt am gegenüberliegenden Ufer des Grienericksees zu sehen ist, pflegte die Erinnerung an August Wilhelm bis zu seinem Lebensende.

Durch die Kinderlosigkeit sowohl Friedrichs des Großen als auch des Prinzen Heinrich und das Erlöschen der Linie des Prinzen Ferdinand nach dessen Tod 1813 (sein Sohn Louis Ferdinand war kinderlos 1806 bei Saalfeld gefallen) wurde Prinz August Wilhelm der Ahnherr der vom späten 18. Jahrhundert an regierenden Hohenzollern.

Lit.: Aretin, Karl Otmar Freiherr von: August Wilhelm, Prinz von Preussen, preuß. General, in: NDB I (1953), S. 447-448. – Krieger, Bogdan: Zur Lebensgeschichte des Prinzen August Wilhelm von Preußen (1722- 1758), in: Hohenzollern-Jahrbuch 3 (1899), S. 146-162. – Mamlock, Gotthold Ludwig: Krankheit und Tod des Prinzen August Wilhelm, des Bruders Friedrichs des Großen, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 17 (1904), S. 574-580 (= 17,2, S. 234- 240). – Meerheimb, Richard von: August Wilhelm, Prinz von Preußen, Bruder Friedrichs des Großen, in: ADB I (1875), S. 669-671. – Meyer, Christian: Friedrich der Große und sein Bruder August Wilhelm, in: Hohenzollerische Forschungen 6 (1900), S. 169-214. – Pantenius, Wilhelm Moritz: Der Prinz von Preußen August Wilhelm als Politiker (=Historische Studien, Heft 108), ND Vaduz 1965 der Ausgabe Berlin 1913. – Poseck, Ernst: Preußisches Rokoko. Festtage in Charlottenburg, Oranienburg und Rheinsberg im Sommer 1746, Berlin 1940. – Proebst, Hermann: Die Brüder. Friedrich der Große – August Wilhelm – Heinrich-Ferdinand. Taten und Schicksale der Söhne des Soldatenkönigs, Berlin 1939. – Schnitterer, Helmut: Die Brüder des Königs, in: Helmut Schnitterer/ Karl- Heinz Schmick (Hrsg.): Gestalten um Friedrich den Großen. Biographische Skizzen (= Friedrich der Große in Zeit und Geschichte, Band 1 – zugleich: Schriftenreihe der Forschungsstelle der Militärgeschichte Berlin, Band 1), Reutlingen 1991, S. 54-66. – Schultze, Johannes (Hrsg.): Neunundsechzig Jahre am preußischen Hofe. Aus den Tagebüchern und Aufzeichnungen der Oberhofmeisterin Sophie Wilhelmine Gräfin von Voß. Sachlich berichtigt und aus den zeitgenössischen Quellen ergänzt, Berlin o.J. – Volz, Gustav Berthold (Hrsg.): Briefwechsel Friedrichs des Großen mit seinem Bruder August Wilhelm, Leipzig 1927.

Bild: Prinz August Wilhelm von Preußen, etwa 1740–1760, gemeinfrei

Bernhard Mundt