Biographie

Bach, Erle (Barbara Strehblow, geb. Rauthe)

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Schriftstellerin
* 5. November 1927 in Hirschberg/Schlesien
† 27. Mai 1996 in Efringen

Erle Bach wurde als Barbara Rauthe am 5. November 1927 in Hirschberg am Fuße des Riesengebirges geboren. Nachdem ihr Vater 1932 „über die Grenze“ gegangen war, litt ihre Mutter unser schweren Depressionen und verstarb früh. Barbara wuchs zusammen mit ihrem Bruder Gerhard bei der jüngsten Schwester ihrer Großmutter, Martha Dressler, in Hirschberg. Sie entstammte einer alten Riesengebirgsfamilie, deren Zentrum die alte Erlebach-Baude am Spindlerpaß war. Die tiefe innere Bindung an ihre Vorfahren, die aus der Schweiz und aus Tirol in ihre Heimat einwanderten, ist der Grund, warum sich Barbara Strehblow, wie sie nach der Verheiratung hieß, als Schriftstellerin Erle Bach nannte.

„Das Talent zum Schreiben,“ wie sie einmal sagte, “wurde mir zweifellos in die Wiege gelegt, hatte ich doch einen Erlebach-Urahn, der als Naturdichter und Philosoph in alten Schriften beschrieben wird. Er starb als Einsiedler 1803 in der Nähe der Wosseckerbaude.“ Neben dem Hang zum Schreiben, fand Erle Bach beizeiten durch bewußtes Schauen zur Malerei und zur Gestaltung von Tonplastiken. Die dadurch erworbene Empfindsamkeit befähigte sie, den in dieser Welt so oft geschundenen und ungerecht behandelten Menschen mit dem notwendigen Verständnis zu begegnen. Wie sprach sie es einmal aus: „Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein ganzes Schreiben. Hieß es doch auch für mich, Menschen, die ihre Heimat noch besitzen, klar zu machen, wie sehr ein Mensch – und wie verschieden – er bis zu seinem Tode unter dem Verlust seiner Heimat leidet.“

Andere Einflüsse übte ihre Urgroßmutter, Barbara Feist, auf sie aus, die man auch die „Mutter des Riesengebirges“ nannte und worüber Erle Bach berichtet: „Im Windschatten meiner Urgroßmutter war ich Trachtenkind in meiner Vaterstadt Hirschberg; man nannte mich das Hirschberger Trachtenputzel. Ich habe schon sehr früh Mundart vorgetragen.“ So fand sie später zur Trachtenstickerei und gab ihr Können in Kursen wie z. B. in Eßlingen, München, Hannover und Hildesheim weiter. Aber auch die Mundartpflege ist aus ihrem Leben nicht wegzudenken. Nachdem sie als Mundartsprecherin über Jahrzehnte hinweg unterwegs war, hielt Erle Bach es für notwendig, das Archiv „Schlesische Mundartdichter und Mundartschriftsteller“ mit Freunden der Mundart in Baden-Württemberg zu begründen, wo man eine Art Mundartforschung betreibt und sich nicht zuletzt auch um die Werke von weniger bekannten Mundartdichtern kümmert.

Literarisch trat Erle Bach erstmals durch ihre Erzählung „Die Knoblauchschmiede“ hervor, für die sie 1974 den Erzählerpreis der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat bekam, der ihr für die Erzählung „Sommer der Eidechse“ 1977 noch ein weiteres Mal von dort zugesprochen wurde. Ihre bis dahin bedeutsamste literarische Arbeit legte die Schriftstellerin mit ihrem 1980 erschienenen Buch „Matka mit den bloßen Füßen“ vor, welches sie sich mit dem Arbeitstitel „Straße der Mütter“ schon mit achtzehn Jahren vorgenommen hatte zu schreiben. „Ich will“, wie sie im Vorwort dazu ausspricht, „deutlich machen, daß die Straße der Mütter um die ganze Erde führt. Ich schrieb auf, was ich miterlebt, was ich gesehen und gehört habe.“ In den sechzehn Erzählungen werden erschütternde Schicksale von Müttern in der Kriegs- und Nachkriegszeit beschrieben. Erle Bach bekam Gelegenheit, vor Tausenden von Schülern in Süddeutschland und in der Schweiz daraus lesen zu dürfen.

Nicht unerwähnt sollen ihre Anthologien „Die Knoblauchschmiede“ (1978), „Brieger Gänse fliegen nicht“ (1982) sowie ihre Beiträge in anderen Sammelbänden bleiben. Der Bildband „Das ganze Riesengebirge in Farbe“, zu dem sie kenntnisreiche Texte schrieb, erhielt allerbeste Kritiken. Diesem folgten, ebenfalls im Adam-Kraft-Verlag, die Bildbände „Niederschlesien in Farbe“ und „Oberschlesien in Farbe“, in denen es ihr wiederum gelungen ist, ihre Heimat Schlesien auf eindringliche Weise vorzustellen. Alle diese Ausgaben erreichten mehrere Auflagen.

Mit dem Buch „Baudenzauber“ brachte Erle Bach ein Erinnerungsbuch an die bekannten Riesengebirgsbauden heraus, das manchen Leser in eine Zeit zurückversetzt, die ihm unvergeßlich geblieben ist. Ihre zunächst in der „Schlesischen Bergwacht“ erschienene Ausarbeitung „Das alte Hirschberg zwischen Handel und Poesie“ – eine „700-jährige Stadt im Herzen Europas im Spiegel der Geschichte“, wie der Untertitel lautet, erschien im Husum-Verlag, welcher auch „Matka mit den bloßen Füßen“ neu auflegte. Noch einmal erschien, in ganz neuer Aufmachung mit Farbgroßfotos des Tschechen Pavel Vacha, den man als einen „Caspar David Friedrich“ wegen der meisterhaften Abbildungen der Fotografie bezeichnen möchte, mit Texten von Erle Bach der Bildband „Riesengebirge – Rübezahls böhmisch-schlesisches Reich“ im Adam-Kraft-Verlag. In die Wege leitete aber auch die Schriftstellerin im Rahmen des Arbeitskreises „Archiv für schlesische Mundart“ den Band 7 der Reihe „Woas die Stare pfeifa“ „Merr wabern und wabern Taag und Nacht“ zum Gedenken an den Weberaufstand von 1844 und Band 8 „Heemte – Vertrieba – Woas ies geblieba?“ zum Thema Flucht und Vertreibung – 1945-1995 – 50 Jahre danach.

Das letzte größere Werk von Erle Bach „In ihrem Atem schläft die Zeit“, das 1995 im Husum-Verlag erschienen ist, wo es im Untertitel heißt „Eine Suche nach Quellen, Wurzeln und Herkunft“, kann man als eine Art Vermächtnis ansehen, ein Bekenntnis zu ihrer Riesengebirgsheimat, die sie darin „Hochelbien“ nennt. Vielleicht gelingt es nur denen, die dort jenseits des Schweigens ihre Sprache gefunden haben, von ihren Erfahrungen mit den Menschen und draußen mit dieser Bergwelt auf so poetische Weise zu erzählen. Erle Bach möchte darin an das Unverlierbare erinnern, das einem letztlich niemand nehmen kann.

Ehrungen wurden ihr zuteil, außer den Literaturpreisen die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, des Schlesierschildes sowie der Medaille „Für Verdienste um die Heimat Baden-Württemberg“.

Nach einem erneuten Herzinfarkt zu Beginn des Jahres 1996 und dem Aufenthalt in einer Reha-Klinik schöpfte Erle Bach wieder neuen Mut und befaßte sich weiterhin mit ihren schriftstellerischen Vorhaben oder mit dem „Arbeitskreis für Schlesische Mundart“, bis sie am 27. Mai 1996 in ihrem Wohnort Efringen-Kirchen verstarb. Die Beerdigung fand dort am 31. Mai statt, wo die Familie und viele Freunde von Erle Bach Abschied genommen haben.

„Erinnerung ist ein Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann.“

Werke: „Matka mit den bloßen Füßen“. – „In ihrem Atem schläft die Zeit“.

Bild: Kulturbeilage.

Konrad Werner