Biographie

Baehr, Albrecht

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Publizist, Journalist
* 16. September 1917 in Breslau
† 22. Oktober 2008 in München

Sein Charme, seine positive Lebenseinstellung, seine geistige Frische und seine sympathische Rundfunkstimme mit dem wohltuenden leichten schlesischen Akzent zeichnen ihn immer noch aus. Obwohl er fast blind ist und seine Frau ihm vorlesen muss, nimmt er auch in der Abgeschiedenheit seines geliebten Domizils auf der Schwäbischen Alb noch regen Anteil an den kulturellen und politischen Belangen, die ihn sein langes Leben lang beschäftigten. Das ist vor allem seine Heimat Schlesien, die auch seine 35-jährige Tätigkeit beim Rundfunk und viele andere Aktivitäten prägte.

Albrecht Baehr wurde am 16. September 1917 in Breslau geboren und legte dort 1938 sein Abitur ab. Als Berufsoffizier nahm er am Zweiten Weltkrieg teil, wurde 1941 im Russlandfeldzug verwundet und geriet 1944 in amerikanische Gefangenschaft, in der er bis 1946 in Texas und Arkansas festgehalten wurde. Nach seiner Entlassung teilte er das Schicksal vieler seiner Landsleute und Kriegskameraden. Er war „Vertriebener“, dem die Rückkehr in seine inzwischen polnisch verwaltete Heimat Schlesien verwehrt war.

Es spricht für das Improvisationstalent und die Begabung Albrecht Baehrs, dass er bereits im Juni 1947 beim damals noch unter amerikanischer Kontrolle stehenden Radio Stuttgart, dem späteren Süddeutschen Rundfunk, als Programmgestalter eingestellt wurde. Er begann mit kleinen Unterhaltungssendungen in der Musikabteilung. Dann betreute er die im Schwäbischen berühmte Südfunklotterie und die beliebte Sendereihe Damals und heute, eine wöchentlich ausgestrahlte Lebenshilfe-Sendung vor allem für ältere Leute. Schließlich gehörten auch unzählige Hobbysendungen unter dem Titel Zeit für Freizeit zu seinem Aufgabenbereich. Besonders am Herzen lagen ihm aber die Schicksale der Vertriebenen, Flüchtlinge und Umsiedler. Und so rief er bereits im Juni 1948 die Sendereihe Schlesisches Himmelreich ins Leben, eine Hörfolge aus Wort- und Musikbeiträgen, die zunächst als Eingliederungshilfe für die heimatvertriebenen „Neubürger“ gedacht war. Daraus erwuchs mit der Zeit das umfangreiche Ressort der Heimatsendungen für Ost-, Mittel- und Auslandsdeutsche und die Ost- und Mitteleuropasendungen. Obwohl Sendeplätze für Heimatvertriebene in den öffentlich-rechtlichen Rundunkanstalten stets besonders kritisch kontrolliert und schwer zu verteidigen waren, gelang es Albrecht Baehr, dieses Ressort über seine 35-jährige Dienstzeit beim Süddeutschen Rundfunk hinaus zu erhalten und auszuweiten. Neben dem Stuttgarter hatten nur der Bayerische und der Westdeutsche Rundfunk ähnliche Sendeplätze im Programm. Unter Albrecht Baehrs Regie sind etwa 3.500 Sendungen über die Kultur der aus dem Osten vertriebenen Deutschen und ihrer Heimatregionen entstanden. Die wichtigsten davon sind als wertvolle Dokumente ost- und mitteleuropäischer Kultur archiviert.

Schon neben seiner Arbeit beim Rundfunk war Albrecht Baehr vielseitig ehrenamtlich für die Pflege schlesischer und ostdeutscher kultureller Überlieferungen tätig. Er engagierte sich in der Landsmannschaft Schlesien, gehörte seit 1950 dem Vorstand der Landesgruppe Baden-Württemberg an, war Landespressereferent und Landesjugendreferent und Initiator der Schlesischen Sing- und Spielschar Baden-Württemberg. Als Redakteur und Spielleiter hat er zahlreiche große, überregionale Volkstumsabende der Schlesier, der Sudetendeutschen und des Bundes der Vertriebenen gestaltet.

Unmittelbar nach der Verabschiedung in den Ruhestand beim Süddeutschen Rundfunk 1981 übernahm er das Ehrenamt des Gildenmeisters der Künstlergilde Esslingen, das er bis 1993 ausübte. Die Wahl des damaligen Leiters der Fachgruppe Film-Funk-Fernsehen zum Nachfolger des langjährigen Vorsitzenden Prof. Heribert Losert erfolgte einstimmig und galt auch als Anerkennung der publizistischen Arbeit Albrecht Baehrs, nicht nur als verantwortlicher Leiter der ost- und mitteldeutschen Sendungen beim Süddeutschen Rundfunk, sondern auch als Autor zahlreicher Anthologien. Zu den bevorzugten Sujets seiner Bücher gehörten der schlesisch-böhmische Riesengebirgsgeist Rübezahl und Humorvolles aus Schlesien. Seit 1998 ist Baehr ständiger Mitarbeiter der in Görlitz herausgegebenen Zeitschrift Schlesien heute.

Als Dank und Anerkennung für seine vielfältige berufliche und ehrenamtliche Arbeit erhielt Baehr viele Auszeichnungen. Auf die Holtei-Medaille 1951 folgten 1973 die Adalbert-Stifter-Medaille der Sudetendeutschen Landsmannschaft und die Ehrengabe des Dehio-Preises der Künstlergilde für Kultur- und Geistesgeschichte, 1982 eine Ehrengabe des Medienpreises der Heimatvertriebenen, 1978 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 1991 die Goldene Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, 1992 die Pro Arte-Medaille der Künstlergilde Esslingen und 1993 die Ernennung zu deren Ehrenmitglied.

Werke: Auf dem Wege, Zwischenbilanz des Vertriebenen- und Flüchtlingsproblems, 1960 (vergriffen). – Schlesisches Lachen, Ein heiteres Brevier, Aufstieg-Verlag Landshut, 1963, Reprint 1991, 3. Auflage 1998. – Schlesien wie es lachte, Sammlung schlesischen Humors, Weidlich/Flechsig Verlag, Würzburg, 1970, (6 Auflagen) 1994-1999, 3 Reprints im Weltbild-Verlag Augsburg (vergriffen). – Rübezahl im Wandel der Zeiten, Märchen, Legenden und neuere Histörchen, Weidlich/ Flechsig Verlag, Würzburg, 1986 (vergriffen). – Humor aus Schlesien, Witziges und Spritziges aus Nieder- und Oberschlesien, Husum-Verlag (Taschenbuch), 1995, 2. Auflage 1998. – Schlesien im Gedicht, Vom Barock zur Neuzeit, Husum-Verlag, 1997 (Taschenbuch).

Bild: Privatarchiv der Autorin.

Ute Reichert-Flögel