Biographie

Baluschek, Hans

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler, Graphiker
* 9. Mai 1870 in Breslau
† 27. September 1935 in Berlin

Hans Baluschek hat im Jahrgang 68 der Zeitschrift„Die Gartenlaube“ 1920 in seiner Selbstdarstellung „Im Kampf um meine Kunst“ geschrieben: „Also: ich habe um meine Kunst viel zu kämpfen gehabt und kämpfe noch. Darauf bin ich stolz. Da ich mir nicht denken kann, daß ich talentlos bin, so muß doch etwas Eigenes in meinem Opus stecken. Was verletze ich eigentlich in dem Mitbürger, der mich gezwungen oder freiwillig genießen sollte oder wollte? Man hat mir meine ,Motive‘ vorgeworfen, man klagte mich an, ich verstieße gegen die Gesetze der Schönheit! Man nannte mich trocken, spröde, unmalerisch, einen Registratur, einen Obertreiber und Fälscher. Der Akademiker konnte mich nicht verknusen, weil ich ihm als Maler zu wild war! Der Impressionist rügte, meine Malerei sei keine ,Malerei‘. Der Symbolist und Phantast wurde ob meiner Phantasielosigkeit vom Ekel gepackt; wie sich Dadaisten und Expressionisten zu mir stellen, habe ich mich noch nicht bemüht, herauszubekommen – man verachtet mich sicher. Im allgemeinen nennt man mich einen Naturalisten, der sich vom Photographen nur durch malende Prätention trennt –, und da der Naturalismus doch nun mal schon Anfang 1900 ,überwunden‘ ist, bin ich ,altes Spiel‘. Alle diese Urteile haben mir körperlich nicht geschadet, auch sonst nicht.“

In seinem fast hymnisch zu nennenden monographischen Werk über Hans Baluschek schreibt Friedrich Wendel 1924 eine berechtigte Darstellung aus der Sicht des Marxismus. Allerdings reicht, obzwar Baluschek ein sehr bewußter und sogar sehr aktiver Sozialdemokrat war und lange Zeit zur künstlerischen Ausgestaltung des „Vorwärts“ beitrug, dies nicht ganz aus. Man kann aber verallgemeinernd sagen, daß seine Hauptmotive die Welt der Gedemütigten, Proletarier, der Randfiguren der Gesellschaft, vor allem im Bereich von Berlin und Umkreis, und auf der anderen Seite die Welt der Eisenbahn – was seine familiäre Herkunft miterklärt – sind. Man darf aus heutiger Sicht wohl sagen, daß Baluschek zwischen den Stühlen stand, vor allem Naturalismus und Realismus, aber auch sehr viel Symbolisches und Idealistisches in seinen Bildern und Blättern zu finden ist, mit einem Schuß Romantik dazu.

Wendel stellt mit Recht fest: „Ein leidenschaftlicher Wille, verbunden zu sein aufs engste dem Bruder Mensch, ist die Wurzel seines Wesens.“

Und der Kollege Conrad Felixmüller charakterisiert Baluschek SO:„Der Mensch war ihm der Mittelpunkt, die Hauptachse, die tragende Idee im Bilde. Aus der ‚Masse Mensch‘ charakterisierte er jeden einzelnen liebevoll bis ins Detail. Jeder Mensch war ihm ein Schicksal.“

Hans Baluschek, von noch weiteröstlich hergekommenen Vorfahren stammend, wurde in Breslau als Sohn eines Landmessers geboren. Wie in der Biographie Menzels – übrigens hat Baluschek auch ein „Eisenwalzwerk“ gemalt – ist Berlin die nächste und für das weitere Leben und Werk entscheidende Station, wenn es auch Zwischenstationen, vor allem in Stralsund, gibt. Russische Kunst und Literatur und insbesondere das Lebenswerk von Emile Zola beeinflussen seine frühen Versuche. Er studiert an der Königlichen Akademie der Künste in Berlin, identifiziert sich früh mit der Arbeiterbewegung und hat enge Verbindung zu dem Schriftstellerkreis um Arno Holz, Otto Erich Hartleben, Richard Dehmel usf. Unter den frühen Bildern, im Jahr der ersten Ausstellung bei Gürlitt, ist ein Titel sehr typisch für ihn: „Hier können Familien Kaffee kochen“. Illustrationen, Buchumschläge, u.a. auch für Gerhart Hauptmanns „Bahnwärter Thiel“, bringen ihm mit der Beteiligung an verschiedenen Ausstellungen erste Erfolge, 1898 kommt der Zeichnungszyklus „Die Eisenbahn“ zustande. Die Mitarbeit an der satirischen Zeitschrift „Das Narrenschiff“ bringt ihn in die Nachbarschaft bedeutendster Zeitgenossen von Liebermann bis Feininger. 1899 wird Baluschek der Schriftführer der „Berliner Sezession“, in der gleichen Zeit mit Käthe Kollwitz Lehrer an der Künstlerinnenschule. Bühnenentwürfe für das Berliner Theater, Arbeiten, in denen er neben den hauptsächlichen Berliner Themen auch seiner schlesischen Heimat huldigt, gelten u.a. dem Riesengebirge. 1908 gründet er eine Privatschule für Malerei und Lithographie für Frauen. Immer wieder ist sein freies Schaffen begleitet von Illustrationen und von Gebrauchsgraphik. Die Mappe „Der Krieg von 1914-16“ stellt ein weiteres aktuelles Engagement des Mannes, der eine Zeit als Landsturmmann diente, dar. Es folgten dann Darstellungen der Revolutionszeit, immer wieder Engagements für die sozialistische Bewegung, von 1920 an die aktive Beteiligung an der Arbeiterbildungsarbeit der SPD, auf der anderen Seite immer wieder das Mitwirken in Künstlervereinigungen als menschlich und künstlerisch hoch angesehener Protagonist. Es können hier die vielen Zyklen und Einzelthemen seiner Werke nicht aufgezählt werden, doch sei erinnert, daß Baluschek kaum eine Frage der Gesellschaft der Arbeiterwelt und der Randfiguren ausließ, prägnante, oft schwermütige, romantische und dann wieder anklagende Darstellungen. Dies geht von den Arbeitern im Eisenwalzwerk bis zu den aufrührerischen Arbeitslosen, zeigt die Welt der Kleinbürger, die der Kaschemmen, der Dirnen, der Tippelbrüder und Tippelschwestern usw., insgesamt in einem sehr viel reicheren Spektrum noch als bei Heinrich Zille. In nicht wenigen Werken erinnert er an einen der führenden Darsteller Berlins, Skarbina. Die Welt der Eisenbahn mit all ihren technischen und menschlichen Problemen wird vielfältig abgewandelt, oft in zauberhaften, romantischen Bildern voller Nacht- oder Winterstimmung. Größere Gedenkausstellungen in Ost- und Westberlin und ein Schwerpunkt in der Sammlung Bröhan haben in letzter Zeit zur sehr notwendigen und wichtigen Wiederentdeckung Baluscheks geführt. 1933 war er höchst verdächtig und auch gefährdet, doch konnte er noch die Genugtuung erleben, in seinem Todesjahr für die künstlerische Gestaltung der unter Mitwirkung bedeutender Schriftsteller herausgebrachten Jubiläumsschrift „100 Jahre deutsche Eisenbahnen 1835-1935“, als offiziellem Buch, alleinverantwortlich zeichnen zu können.

In seinem Nachruf schrieb Theodor Heuss u.a.: „Gehört er in die Kunstgeschichte, in die Sozialgeschichte, in die Berliner Lokalgeschichte?“ Er geht dann auf seine Problematik unter den Aspekten des Jahres 1935 ein, schreibt aber am Schluß: „Seine Kunst war, im Schillerschen Sinn, ,sentimental‘, seine Menschlichkeit blühte in den vollen Jahren aus einer unmittelbaren Naivität.“

Verwiesen sei auch auf den Schriftsteller Baluschek, der eine Reihe, auch heute sehr lesenswerter, sozialkritischer Arbeiten, herausgegeben hat. Am schönsten ist das Bändchen „Enthüllte Seelen“, 1919 in Görlitz mit Zeichnungen dieser Doppelbegabung Baluschek veröffentlicht.

Lit.: Günter Meißner: Hans Baluschek. Verlag der Kunst, Dresden 1985.

Bild: Handzeichnung von Emil Orlik, 1930

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Baluschek

Ernst Schremmer