Josef Barton wurde am 17. September 1912 in Wagstadt (heute Bilovec) in Mähren geboren und besuchte als Zögling des Knabenseminars das deutsche Gymnasium in Freudenthal (Bruntál), wo er 1932 maturierte. Theologie studierte er in der Bischofsstadt Olmütz, in dessen Priesterseminar alle Priesterkandidaten der Erzdiözese beide Sprachen Mährens, deutsch und tschechisch, beherrschen mussten. Am Fest der Landespatrone Mährens, der heutigen Europapatrone Cyrill und Method, wurde er am 5. Juli 1937 zum Priester geweiht. Sein Mitstudent, der spätere Regens des Priesterseminars in Königstein, Prälat Stefan Kruschina, erinnerte 1982 am Grab Bartons an diese Olmützer Zeit, wo im Priesterseminar die vielen Nationen beisammen waren, denn es studierten dort auch unierte Ukrainer und Ruthenen sowie Polen, und wo Josef Barton immer wieder vermittelte und Brücken baute. Seine Priesterweihe war „in einer Zeit“ – so Prälat Kruschina – „wo es bei uns gärte, wo die politischen Verhältnisse kritisch, schwierig wurden.“ Barton war dann Kaplan in Jägerndorf (Krnov), das wie andere deutsche Gebiete der Erzdiözese Olmütz 1938 durch das Münchner Abkommen von der Tschechoslowakei an das Deutsche Reich abgetreten wurde. Der Generalvikar von Branitz, das im Deutschen Reich lag, aber kirchlich zum Erzbistum Olmütz gehörte, verwaltete damals die sudetendeutschen Gebiete von Olmütz und errichtete dafür ein neues Seelsorgereferat. Leiter wurde der junge Priester Barton, dessen besonderer Aufgabenbereich die Familienseelsorge war.
„Das Schicksalsjahr 1945, das bei uns den völligen Zusammenbruch brachte und – wie man damals sagte – die Existenzberechtigung für die deutsche Bevölkerung auslöschte, hat ihn als Helfer der vielen notleidenden, der vielen verstoßenen und geknebelten und geschlagenen Menschen gefunden“, berichtete am Grabe Prälat Kruschina über diese Zeit im Leben von Pater Barton. „Eines Tages wurde er selbst getroffen. Auf dem Weg, er war gerade bei einem Kranken gewesen, einem Versehgang, wurde er auf dem Heimweg von einer Soldateska-Truppe einfach gefangen genommen und mit ins Lager geschleppt, nur mit dem, was er gerade mit sich hatte. Mehr hatte er nicht: seine priesterliche Kleidung, sein Brevier. Das war sein Besitz. Mit dem wurde er ausgewiesen. Er kam mit einer Gruppe seiner Landsleute aus Jägerndorf und Umgebung nach Sachsen, wo er mit seinen Vertriebenen die Not wirklich redlich geteilt und alles mit ertragen hat.“
Von der Not der Vertreibung und vom Leid seiner Landsleute geprägt, gründete Barton in Valendar im Zentrum der Schönstattbewegung eine Gebets- und Opfergemeinschaft der Heimatvertriebenen. Sie wurde für Tausende ein fester Halt in der Haltlosigkeit jener Zeit. In Rundbriefen hielt Pater Barton Kontakt zu den Mitgliedern und Freunden, die er auch in Kursen und Einkehrtagen sammelte. Er wollte mit der Gemeinschaft das Kreuz der Vertreibung deuten und fruchtbar machen. Barton betonte immer wieder, dass der Mensch in Gefahr sei, das Kreuz zu entwerten: Nur im Glaube ist der Mensch fähig, es als wertvoll und gnadenreich zu erleben.
So erschien das Gebetbüchlein: Ausgegossen wie Wasser – Lasset uns werden eine heilige Flut. Es sollte ein „Lese- und Gebetbüchlein sein, das helfen sollte, dem auferlegten Kreuz gerecht zu werden“. Vieles hat darin auch heute dem gläubigen Menschen noch etwas zu sagen, vor allem die Gedanken über die Heimatlosigkeit und das Kreuz. „Ausgegossen wie Wasser“ – Dieses Psalmwort übertrug Barton auf die Vertriebenen. Aber er rief sie auch auf, eine Flut zu werden. Symbol dafür war ihm ein Weihwasserbecken, das die Vertriebenen 1950 als Weihegabe in der Gnadenkapelle in Schönstatt aufstellten.
Das Gebetbüchlein erlebte eine zweite Auflage, in der Barton die Gedanken des Psalmtitels noch vertiefte. Er schreibt, „dass wir alles daran setzen sollen, um unsere Vertreibung zu einem Segen werden zu lassen. Wir mögen nun festhalten, dass die Heimatlosigkeit umso verheerender wirken muss, je mehr sie äußerlich verdeckt bleibt. Wunden, die äußerlich heilen, ohne dass der Fäulnisherd beseitigt wird, werden lebensgefährlich. Äußere Bereinigung der Heimatlosigkeit ohne innere Beheimatung müsste ähnliche Folgen zeitigen. Deswegen unser Bestreben, die Beheimatung der Seelen zu fördern, so gut wir können“.
Schon 1947 war von ihm die erste Exerzitienwoche für Heimatvertriebene in Schönstatt abgehalten worden, bei der man den meisten Teilnehmern noch die Last und das Leiden der Vertreibung ansah. Intensiv wurde versucht, die Vertreibung nicht nur vom Menschen, sondern von Gott her zu sehen. „Wenn etwas zeigt, wes Geistes Kind die Humanität unseres Jahrhundert ist, dann die Verträge, durch die man Millionen Menschen total enteignete und in die Fremde jagte, von allen anderen Verbrechen, die damit zusammenhängen, ganz zu schweigen. Eine Menschheit, die Gott ausgebürgert hat, wird Menschenrechte immer umbiegen, wie es ihr gerade passt“, so schrieb damals Pater Josef Barton.
Schon 1948 begann die Freundschaft mit dem holländischen Prämonstratenser Pater Werenfried van Straaten, dem inzwischen legendären „Speckpater“ und Gründer der Ostpriesterhilfe, der in jenen Jahren zum ersten Male nach Königstein kam und der seit 1950 mit seinen Kapellenwagen die Katholiken in der durch die Vertreibung entstandenen Diaspora stärkte. Werenfried hatte seit Weihnachten 1947 vom belgischen Kloster Tongerlo aus aufgerufen, den vertriebenen Deutschen zu helfen. Königstein war damals mit seiner Hochschule und dem Priesterseminar als „Vaterhaus der Vertriebenen“ ein Zentrum der Vertriebenenarbeit.
Seit 1951 war Pater Barton Kapellenwagenmissionar und übernahm 1953 die Planung und Koordinierung der großen Aktion, welche die Kirche in der deutschen Diaspora buchstäblich ins Dorf brachte. Diese Kapellenwagenseelsorge war eine Großtat des Katholizismus, da sie nicht nur die materielle, sondern auch die geistige Not der Vertriebenen linderte. 1961 übernahm er auch das Amt eines Spirituals am Königsteiner Priesterseminar und hielt an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vorlesungen über Aszese und Mystik. In seiner Homilie beim Requiem für Barton sprach sein Schüler Martin Roos, damals Pfarrer in der Diözese Rottenburg und heute Bischof von Temesvar in Rumänien, dass Bartons Grundanliegen war, den Menschen dahin zu führen und darauf hin zu erziehen, dass er fähig werde, sich vorbehaltlos der Führung Gottes anzuvertrauen. Pater Barton tat dies mit einer vornehmen Zurückhaltung, mit einer tiefen Ehrfurcht vor dem anderen und einer schier endlosen Geduld, denn er wollte, dass der ihm Anvertraute seinen persönlichen Weg in christlicher Freiheit und Würdigkeit fände und ihn gehe. Dieses Ziel hatte er bei allen seiner Aufgaben vor Augen. Wer sich ihm einmal anvertraut hatte, den verlor er nicht mehr aus den Augen, ja er konnte rührend um ihn besorgt sein.
Viele aus Königstein hervorgegangene Studenten erlebten ihn als umfassend gebildeten Priester und echten Seelenführer. Jede Enge und Starrheit war Pater Josef fremd, denn er glaubte, dass jeder einzelne Mensch ein origineller Gedanke Gottes sei und daher jeden Einsatz wert. Pater Werenfried dankte ihm am seinem Grab „im Namen der Kapellenwagenmissionare, die Du betreut hast, und im Namen der Millionen Heimatvertriebenen, denen wir in den dunkelsten Jahren ihres Lebens mit unserer Kapellenwagenmission seelsorglich helfen konnten“.
Lit.: Ansprachen, die am Grabe von Pater Josef Barton gehalten wurden. Königstein 1982. – Viele von Bartons Vorträgen bei Exerzitien und Tagungen sind nur maschinenschriftlich erhalten. Eine Bearbeitung seines Werkes steht noch aus.
Bild: Kirche in Not.
Rudolf Grulich