Biographie

Barwig, Franz

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Bildhauer
* 19. April 1868 in Schönau bei Neutitschein/ Nordböhmen
† 16. Mai 1931

Bei all der Vielfalt der Kunst um 1900, sei es der Impressionismus, seien es Jugendstil oder „Fin de Siècle“, ist als ein zentrales Element neben der weitgehenden Abkehr vom Realismus, zumindest jedoch dessen theoretischen Ansatzes der möglichst realitätsnahen Abbildung der Erscheinung, eine Tendenz zur Verinnerlichung und zur phänomenologischen Vereinfachung zu beobachten. Diese kann, wie im Jugendstil, zu einer mehr ornamentalen Auffassung der Gegenstände führen, im Extremfall, dem Pointilismus, gar zu einer darstellerischen Auflösung der Form zugunsten der Vermittlung eines inneren Eindruckes der Erscheinung im Auge des Betrachters.

Dabei denkt man zunächst an die Malerei, nicht nur das klassische Tafelbild, sondern auch das mit der Architektur verbundene, und die Baukunst selbst, weniger jedoch an die Skulptur. Ein Meister der Bildhauerei, oder besser ausgedrückt der Schöpfung rundplastischer Kunstwerke, in dessen Werk sich die ganze Fülle der Kunsttendenzen seiner Zeit widerspiegelt, war der heute mehr oder weniger unbekannte Franz Barwig (der Ältere, in Abgrenzung von seinem 1903 geborenen und gleichfalls bildhauerisch tätigen, gleichnamigen Sohn).

Franz Barwig der Ältere entstammte einer nordböhmischen Kleinbauernfamilie. Sein Talent zeigte sich schon früh in der Kunst, kleine Figuren aus Holz zu schnitzen, mit deren Verkauf er zum Lebensunterhalt der Familie beitragen konnte, insbesondere, seit sein Vater verstorben war.

Trotz der Kargheit der Lebensumstände ermöglichte man Barwig von 1888 bis 1897 den Besuch der Kunstgewerbeschule des k.k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien. Hier vervollkommnete er bei seinem Lehrer Hermann Klotz, dem Leiter der für ihn neu geschaffenen Abteilung für Schnitzerei, aufgrund seiner Vorliebe für den Werkstoff Holz auch „Holzklotz“ genannt, nicht nur seine technischen Fertigkeiten, sondern lernte auch das von Klotz erfundene neuartige Verfahren zur Polychromie von Holzstatuen kennen. Durch die Kontakte seines Lehrers, der sein Talent früh erkannte, konnte Barwig bereits seit 1890 als freischaffender Künstler sein Auskommen finden.

Nach einem Zwischenspiel in Villach, wo Barwig von 1904 bis 1908 an der Fachschule für Holzverarbeitung wirkte, wurde er an die Kunstgewerbeschule nach Wien zurückberufen. Er war zunächst im Lehrmittelbüro tätig und wurde dann, nach seiner erfolgreichen Beteiligung am Skulpturenschmuck des Festzuges zum 60-jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josefs I. 1908 im folgenden Jahr zum Professor für Bildhauerei ernannt.

1921 entschloss sich Barwig, die Lehrtätigkeit niederzulegen und sich als freier Künstler ganz seiner schöpferischen Tätigkeit zu widmen. Bereits 1906 dem Hagenbund, einer Vereinigung von Künstlern unterschiedlicher Couleur, die sich einer gemäßigten Moderne verschrieben hatten, beigetreten, vollzog er 1925 den Wechsel zur Wiener Secession, einer bereits 1897 gegründeten und bald den Stil der Zeit prägenden Vereinigung von Künstlern, die den stark am Historismus orientierten Kurs des bis dahin führenden Wiener Künstlerhauses ablehnten, aber stärker als der Hagenbund neueren Strömungen, insbesondere freilich in der Malerei, aufgeschlossen waren.

Der Anschluss an die Secession führte Barwig 1925 bis 1927 in die USA, wo er auf Empfehlung des gleichfalls der Secession zugerechneten Architekten Josef Maria Urban für den gesamten plastischen Schmuck der Villenanlage Mar-a-Lago in Palm Beach verantwortlich war. Dieses 118-Zimmer Luxusanwesen in Florida wurde für Marjorie Merriweather Post, die Inhaberin des Lebensmittelkonzerns General Foods und eine der reichsten Frauen der Vereinigten Staaten, als Sommersitz im spanischen Stil errichtet und bot Barwig eine großartige Möglichkeit freier künstlerischer Gestaltung.

Nach seiner Rückkehr gelang es Barwig nicht mehr, sich an die trotz aller Liberalität bestehenden Beschränkungen künstlerischen Schaffens in dem in seinen Augen nun kleinräumigen und provinziellen Österreich zu gewöhnen und sich den Regeln des Kunstbetriebes dort unterzuordnen. Sein Traum von einem neuen Großauftrag im Stil von Mar-a-Lago, seine Idee eines Gesamtkunstwerkes, zu dem er sich berufen und durch die Verhältnisse in seiner Heimat immer mehr gehindert fühlte, erfüllten sich jedoch nicht. In tiefer Depression nahm er sich am 16. Mai 1931 in Wien das Leben und wurde auf dem Neustifter Friedhof bestattet.

Franz Barwig ist vor allem für seine Holzplastiken bekannt. Neben Tierdarstellungen, für die er umfangreiche Studien im Tiergarten Schönbrunn durchführte und die ab 1910 zu seinem in diesem Sujet unverwechselbaren Stil führten, traten Akte und Figuren aus dem bäuerlichen Leben, Reminiszenz an seine Herkunft. Darüber hinaus schuf der Künstler ornamentalen Schmuck in der Technik des Flachschnittes.

Barwigs künstlerische Entwicklung führte von einer eher traditionellen Auffassung des Darzustellenden, wie er es an der Kunstgewerbeschule kennengelernt hatte, über Experimentieren in Form und Material (so arbeitete er zeitweise auch in Bronze) nach Anregungen der Künstlerfreunde des Hagenbundes zu seinem an der Kunst der Wiener Secession der Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges orientierten klassischen Stil. Der rasanten Entwicklung in den 1920-er Jahren freilich vermochte Barwig nicht mehr zu folgen, er blieb bei einem in der Schönheit und insbesondere der handwerklichen Gründlichkeit des Auszuführenden verankerten Kunstbegriff und entfremdete sich somit zusehends vom Kunstbetrieb seiner Zeit. Die Verbindung von Moderne und Tradition, nicht die Überwindung dieser durch jene, und die von Schönheit und Sittlichkeit ist ein typisches Charakteristikum seines Opus und macht Barwig zu einem typischen Vertreter der von der „klassischen“ Secession geprägten Kunst der Endphase der Donaumonarchie.

Lit.: Markus Fellinger (Bearb.), Franz Barwig der Ältere [Ausstellungskatalog Österreichische Galerie Oberes Belvedere], Wien 2014. – Gerbert Frodl (Hrsg.), Franz Barwig 1868-1931 [Ausstellungskatalog Österreichische Galerie], Wien 1969.

Bild: Franz Barwig, um 1925, Wikipedia Commons/ Gemeinfrei.

Bernhard Mundt