Als Sohn eines Rigaer Kaufmanns geboren, studierte Bergbohm in Dorpat, Berlin und Leipzig Staats- und Völkerrecht. 1876 erwarb er an der Dorpater Universität mit einer Arbeit über Staatsverträge und Gesetze als Quellen des Völkerrechts den Magistergrad. Kernthese dieser Schrift war die Herleitung des Völkerrechts aus der Autonomie des Staates, dem Staatswillen. Damit legte er die Grundlage für die bald darauf von Georg Jellinek entwickelte Lehre von der Selbstbindung des Staates durch die von ihm gesetzten Normen. In der Folgezeit war Bergbohmin Dorpat als Dozent tätig, 1882 bis 1884 übte er daneben die Funktion des Universitätssyndicus aus.
Nach seiner Promotion durch die Berliner Juristische Fakultät auf Grund einer Arbeit über Eine Entwicklung des Völkerrechts im Seekriege1884 und seiner Wahl zum Professor für Staats- und Völkerrecht an der Universität Dorpat bestätigte die Regierung diese nicht, betraute Bergbohm jedoch mit der Verwaltung dieser Professur. Später dehnte er seine Lehrtätigkeit zunehmend auch auf Rechtsphilosophie und Kirchenrecht aus. 1885 bis 1897 war Bergbohm assoziiertes Mitglied des “Institut de droit international”. 1888 heiratete er die Rechtsanwaltstochter Lilly Lieven; aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Wichtiges Arbeitsergebnis dieser Jahre war die Übersetzung des völkerrechtlichen Standardwerks von Friedrich von Martens,Das internationale Recht der civilisierten Nationen, aus dem Russischen ins Deutsche (2 Bde., 1884-85). Daneben leitete Bergbohm mehrere Jahre die Redaktion der Neuen Dörptschen Zeitung. 1893 folgte er einem Ruf auf eine außerordentliche Professur nach Marburg, 1895 wurde er in Bonn zum ordentlichen Professor ernannt.
Dauerhafte Berühmtheit erlangte Bergbohm durch seine Abhandlung Jurisprudenz und Rechtsphilosophie (1892), eine Kampfschrift gegen das Naturrecht und für den Gesetzespositivismus. Nach seiner hierin entwickelten Rechtslehre müsse “das Unkraut, in welcher Form und Verhüllung es auch auftreten möge, offen oder verschämt, ausgerottet werden, schonungslos mit Stumpf und Stiel”. Von allem, was sich Jurisprudenz nenne und auf Wissenschaftlichkeit Anspruch erhebe, sei “jeder Gedanke daran, daß etwas Recht sein könnte, ohne positives Recht zu sein, … auf das entschiedenste fernzuhalten”. Als Recht sei vielmehr ausschließlich das positive, von der jeweiligen Staatsmacht gesetzte Gesetz anzusehen, dem allein unbedingter Gehorsam gebühre. Jede Annahme eines nichtpositiven Rechts, das als dessen notwendige Grundlage dem positiven Recht unüberwindbare Schranken setze, beruhe dagegen auf rein subjektiven Überzeugungen oder Phantasien, die außerhalb des Bereichs wissenschaftlicher Erkenntnis lägen und denen daher jeder objektive Wert fehle.
Diese teilweise bis ins Maßlose übersteigerte Kritik bildete den Höhepunkt der Vorherrschaft des strengen Rechtspositivismus im ausgehenden 19. Jahrhundert gegenüber jeder Form naturrechtlichen Denkens und ließ Bergbohm zu einem Epigonen des Positivismus werden. Hintergrund der fast vollständigen Verdrängung des Naturrechts aus der Rechtswissenschaft, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, ja selbst aus der katholischen Moraltheologie dieser Epoche war neben der Naturrechtskritik Immanuel Kants vor allem die (vermeintlich endgültige) Überwindung des Naturrechts durch die Historische Rechtsschule unter der Führung Friedrich Carl von Savignys. Wie kurzfristig der Sieg der Positivisten war, zeigten bereits um die Jahrhundertwende einsetzende Gegenströmungen wie etwa die Freirechtsschule, zu einer umfassenden Renaissance naturrechtlicher Ideen in Rechtslehre und Rechtsprechung kam es spätestens nach 1945.
Lit.: D. Lang-Hinrichsen, B., in: NDB 2 (1953), S. 77; DBE I (1995), S. 441. – R. Engelhardt: Die deutsche Universität Dorpat, 1933. – R. Kass: K. B.s Kritik an der Naturrechtslehre des ausgehenden 19. Jahrhunderts, Diss iur. Kiel 1972. – R. v. Stintzing/E. Landsberg: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft III/2, 2. Neudr. d. Ausgabe 1910, 1978, S. 979 (Text), 407 f. (Noten).
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Ina Ebert