Biographie

Bertram, Adolf

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Fürstbischof von Breslau
* 14. März 1859 in Hildesheim
† 6. Juli 1945 in Schloß Johannesberg bei Jauerni/Mährisch-Schlesien

Johannes Adolf Bertram wurde als Sohn eines Tuchkaufmanns geboren, besuchte das Bischöfliche Gymnasium Josephinum in Hildesheim und erhielt 1877 ein ganz vorzügliches Reifezeugnis. Anschließend studierte er in Würzburg und München, empfing am 31. Juli 1881 in Würzburg die Priesterweihe, setzte dann das Theologiestudium in Innsbruck fort und begab sich anschließend nach Rom, wo er Kirchenrecht studierte und Kaplan an der deutsch-österreichischen Nationalstiftung St. Maria dell’Anima war. 1883 wurde er in Würzburg zum Doktor der Theologie und 1884 in Rom zum Doktor des Kanonischen Rechtes promoviert.

1884 nach Hildesheim zurückgekehrt, trat Bertram in die Diözesanverwaltung ein, bewährte sich und wurde 1893 zum Domvikar und 1894 zum Domkapitular ernannt. Neben den Amtsgeschäften widmete er sich in seiner geschichtsträchtigen Vaterstadt mit großem Eifer historischen und kunsthistorischen Studien. 1905 erfolgte seine Ernennung zum Generalvikar des Bistums Hildesheim, ein Jahr später die Wahl zum Bischof dieser Diasporadiözese. Im „Gewerkschaftsstreit“ setzte er sich für das Zusammengehen von Katholiken und Protestanten in christlichen Gewerkschaften ein, zeigte sich also hier progressiv.

Am 27. Mai 1914 wählte das Breslauer Domkapitel Bertram zum Fürstbischof der Diözese. Es stand dabei unter großem Druck der preußischen Regierung, die, da auch die Katholiken Berlins dem Breslauer Bischofsstuhl unterstanden, auf dessen Besetzung mit dem politisch zurückhaltenden Bertram besonderen Wert legte. Der Vatikan akzeptierte diese Entscheidung, so daß Bertram am 28. Oktober 1914 die Leitung der Riesendiözese, die mit einem kleinen Teil ihres Gebietes (Österreichisch-Schlesien) in die Donaumonarchie hineinreichte, übernehmen konnte. Ende 1916 erhob Papst Benedikt XV. Bertram zum Kardinal, gab dies aber wegen des Ersten Weltkrieges erst drei Jahre später bekannt. Kurz darauf übernahm Bertram das traditionsgemäß zwischen Köln und Breslau wechselnde Amt des Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, der alle deutschen Bischöfe außer den bayerischen angehörten. Im Ringen um die politische Zukunft Oberschlesiens versuchte er mäßigend zu wirken, erhielt aber 1920 von der Interalliierten Kommission ein für das Abstimmungsgebiet geltendes Einreiseverbot. Der nach der Abstimmung an Polen gefallene Teil Oberschlesiens wurde vom Bistum Breslau abgetrennt und 1925 zum Bistum Kattowitz erhoben. Gemäß dem 1929 vom Vatikan und der preußischen Regierung abgeschlossenen Konkordat verlor das Bistum Breslau seinen Delegaturbezirk (Provinzen Brandenburg und Pommern), aus dem 1930 das Bistum Berlin entstand, wurde aber zum Erzbistum erhoben.

Kardinal Bertram war primär an der Seelsorge interessiert und lernte auf seinen vielen Firmungsreisen, bei Kircheneinweihungen und Wallfahrten (St. Annaberg) die Erzdiözese Breslau und die Diözesanen kennen und bemühte sich eifrig um pastorale Verbesserungen. Das katholische Volk liebte und verehrte ihn, den frommen und über immense Arbeitskraft verfügenden Erzbischof mit der unscheinbaren Gestalt und der schwachen Stimme.

Als einer der ersten katholischen Kirchenführer Deutschlands warnte Bertram am Jahresende 1930 öffentlich vor übertriebenem Nationalismus und einseitiger Rassenverherrlichung. Auch nach dem Abschluß des Reichskonkordates (1933) gab er sich keinen Illusionen über den Nationalsozialismus hin, besonders über dessen Kirchenfeindlichkeit. Es ging ihm, der konservativ geprägt war, die Zeit des Kulturkampfes nicht vergessen hatte und zum „Alleinregieren“ neigte, darum, der Kirche das Überleben der NS-Zeit zu sichern und den Zusammenbruch der seelsorglichen Betreuung der Gläubigen und auch der kirchlichen Verwaltung zu vermeiden. In schier unzähligen schriftlichen Eingaben wandte er sich gegen Übergriffe der neuen Machthaber, in der Sache hart, aber im Ton nach Möglichkeit Schärfen vermeidend – aus Gründen der Zweckmäßigkeit und auch seines Verständnisses von staatlicher Obrigkeit. Den Kurs einer „flexibleren Vorwärtsverteidigung“ (L. Volk) lehnte er auch nach Ergehen der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ von 1937 ab, die scharfe Angriffe gegen die nationalsozialistische Kirchenpolitik enthalten hatte. Sein ohne Rücksprache mit den anderen deutschen Bischöfen „in deren Namen“ ausgesprochener Glückwunsch zu Hitlers Geburtstag am 20. April 1940 stieß besonders bei Bischof Konrad Graf von Preysing (Berlin) auf Widerspruch. 1942 bot Bertram seinen Rücktritt als Vorsitzender der Bischofskonferenz an, wurde jedoch, nun körperlich sehr geschwächt, gerade auch wegen seiner ausgleichenden Art, weiterhin sehr geschätzt und blieb im Amt.

Im Januar 1945 verließ Bertram auf ärztlichen Rat hin das dann als Festung verteidigte Breslau und begab sich nach Schloß Johannesberg bei Jauernig, dem Sommersitz des Fürstbischofs. Die Sowjets respektierten ihn, Tschechen wollten ihn ausweisen. Da starb Adolf Kardinal Bertram im 87. Lebensjahr. Er war fast 64 Jahre Priester, 39 Jahre Bischof, 30 Jahre Oberhirte des Bistums bzw. Erzbistums Breslau gewesen. Die Beisetzung erfolgte in Jauernig und schließlich am 9. November 1991 im Dom zu Breslau.

Die Beurteilung Bertrams ist ganz unterschiedlich. Kritiker werfen ihm vor allem vor, nicht öfter und energischer gegen Maßnahmen des Hitler-Regimes protestiert zu haben und speziell nicht gegen die Verfolgung und Ermordung der Juden aufgestanden zu sein. Er sei insgesamt zu kompromißlerisch gewesen. Andererseits hat Bertram vielen Juden direkt oder indirekt Hilfe zukommen lassen, und es ist zweifelhaft, ob ein generell härterer Kurs gegen die politischen Machthaber, etwa während des Krieges, letztlich wirklich von Nutzen gewesen wäre. Man wird sich der Problematik, sachlich und um Objektivität bemüht, weder von Kritikasterei noch vom Streben nach Verherrlichung motiviert, stellen müssen. Bei der Gesamtwürdigung Bertrams darf der Blick nicht auf die Zeit von 1933 bis 1945 konzentriert sein.

Kardinal Bertram gehört zu den großen Bischöfen der katholischen Kirche Deutschlands im 20. Jahrhundert. Dem hochverdienten Kirchenhistoriker Hubert Jedin, einem Halbjuden, ist zuzustimmen, wenn er bei der Beurteilung des von ihm geschätzten Kardinals schreibt: „Auch große Persönlichkeiten haben Grenzen, die ihnen nicht durch das Wollen, sondern durch ihr Werden und Sein gesteckt sind.“

Bibliographie: Adolf Kardinal Bertram, Teil 2: Schrifttum, zusammengestellt von Werner Luber und Hans Ludwig Abmeier, Köln u.a. 1994.

Werke: Geschichte des Bistums Hildesheim, 3 Bde., Hildesheim 1899-1925. – Kirche und Volksleben, Breslau 1916. – Im Geiste und Dienste der Katholischen Aktion, München 1929.

Lit.: Hubert Jedin: Kardinal Adolf Bertram. In: ders.: Kirche des Glaubens – Kirche der Geschichte, Bd. 1, Freiburg i. Br. 1966, S. 485-494. – Ludwig Volk: Adolf Kardinal Bertram (1859-1945). In: Zeitgesch. in Lebensbildern [Bd. 1]. Hg. v. Rudolf Morsey. Mainz 1973, S. 274-286 u. 312. – Emil Brzoska: Ein Tedeum für Kardinal Bertram, Köln 1981. – Joachim Köhler: Kardinal Bertram im Kreuzfeuer der Kritik. In: Arch. f. schles. Kirchengesch. 40, 1982, S. 247-262. – Werner Marschall: Adolf Kardinal Bertram (1859-1945). In: Schlesische Lebensbilder 6, 1990, S. 165-173. – Adolf Kardinal Bertram, Teil 1: Beiträge. Hg. v. Bernhard Stasiewski. Köln u.a. 1992. – Veritati et caritati. Dokumentensammlung anläßlich der feierlichen Überführung Kardinal Adolf Bertrams von Jauernig nach Breslau, 7. November 1991, Bonn o.J. – Sascha Hinkel: Adolf Kardinal Bertram: Kirchenpolitik im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Paderborn, München, Wien, Zürich 2010, zugl. Diss. Uni Mainz 2007/08.

Bild: Oberschlesisches Landesmuseum Ratingen-Hösel

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Bertram

Hans-Ludwig Abmeier