Biographie

Bessel, Friedrich Wilhelm

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Astronom, Mathematiker
* 22. Juli 1784 in Minden
† 17. März 1846 in Königsberg i.Pr.

Franz Friedrich Wilhelm Bessel war einer der bedeutendsten theoretischen und beobachtenden Astronomen des 19. Jahrhunderts. Er wurde in einer evangelischen Familie in Minden (Westfalen) geboren, die ihren Stammbaum auf den Grafen Johann X. von Holstein-Schaumburg (16. Jahrhundert) zurückführen konnte. Sein Vater, Carl Friedrich Bessel, war Regierungssekretär, seine Mutter, Ernestine Schrader, Pastorentochter aus Rehme.

Bessel besuchte das Gymnasium in Minden nur bis zur Untertertia, denn sehr guten Leistungen im Rechnen stand eine zu große Ablehnung der alten Sprachen gegenüber, und trat 1799 als Kaufmannslehrling in das Bremer Übersee-Handelshaus von A. G. Kuhlenkamp & Söhne ein. Während der sieben Jahre dauernden, nicht bezahlten Lehrzeit wollte sich Bessel auch für Aufgaben im Ausland vorbereiten und beschäftigte sich darum mit Warenkunde, englischer Sprache, Handelsgeographie und astronomischer Nautik. Über die dazu notwendige Mathematik kam er schließlich zur Astronomie und baute sogar ein einfaches Instrument zur Höhenmessung der Sterne. 1804 führte er eine neue und bessere Berechnung der Bahn des Halleyschen Kometen durch und überreichte sein Manuskript auf der Straße dem bekannten Bremer Astronomen Wilhelm Olbers, der Bessels große Begabung für die Astronomie offenbar erkannte und fortan sein Förderer und sogar Freund wurde.

Nach Beendigung seiner Lehrzeit, 1806, wurde Bessel eine mit über 600 Talern gut bezahlte kaufmännische Stelle angeboten, doch entschied er sich, auf Empfehlung von Olbers, für eine Anstellung als Inspektor und Observator für nur 100 Taler bei dem Praktiker Schröter an der Sternwarte in Lilienthal bei Bremen. Daß diese Entscheidung durchaus richtig war, zeigte sich bereits innerhalb weniger Jahre. Zunächst beobachtete Bessel Kometen und die kleinen Planeten Ceres, Juno und Vesta und veröffentlichte 1807 eine Methode zur Berechnung der Störungen von Himmelskörpern in langgestreckten Bahnen. Doch schon im Januar 1810, wiederum auf Empfehlung von Olbers, berief ihn Wilhelm von Humboldt zum Professor der Astronomie und Direktor der neu zu errichtenden Sternwarte nach Königsberg in Ostpreußen. Für den erst 26 Jahre alten Autodidakten der Astronomie war das eine ehrenvolle Auszeichnung und Anerkennung seiner bisherigen Studien und Leistungen.

Bessel besuchte zunächst Gauß in Göttingen und traf im Mai 1810 – in Preußens schlimmster Zeit – in Königsberg ein, um alsbald seine astronomischen Vorlesungen aufzunehmen. 1811 wurde für 8000 Taler eine Windmühle gekauft, auf diesem Gelände entstand die neue Sternwarte, die am 10. November 1813 bezogen werden konnte. Die Instrumente für die Sternwarte waren bereits 1809 aus dem Nachlaß eines Liebhabers der Astronomie, des Grafen Hahn auf Remplin, gekauft worden. Später kamen noch ein Reichenbachscher Meridiankreis (1819), das berühmte Fraunhofersche Heliometer (1829) und ein Meridiankreis von Repsold hinzu. Bessel erhielt bereits 1811 ein Angebot zur Übernahme der Mannheimer Sternwarte, doch er lehnte es ebenso ab wie 1825 den Ruf an die Berliner Akademie und deren Sternwarte. 1811 wurde er zum Ehrendoktor der Universität Göttingen ernannt. Am 11. Oktober 1812 heiratete er die Tochter Johanna (1794-1885) des Königsberger Medizinalrats Karl G. Hagen, fünf Kinder waren seine Nachkommen. Bessels Wirken in Königsberg war außerordentlich ertragreich. Er schuf die Grundlagen für die Positionsastronomie seines Jahrhunderts, indem er Untersuchungen zur genauen Bestimmung der Länge des Sekundenpendels und zur Beeinflussung der Positionsmessungen durch Präzession(Kreiselbewegung der Erde, die das rückläufige Wandern des Schnittpunkts des Äquators mit der Ekliptik zur Folge hat), Mutation (Ellipsenbewegung der Erdachse mit einer Periode von 19 Jahren), Aberration (scheinbare Veränderung des Ortes der Fixsterne am Himmel durch die endliche Lichtgeschwindigkeit und die tägliche bzw. jährliche Bewegung der Erde), atmosphärische Refraktion (Störeffekte durch Lichtbrechung in der Erdatmosphäre) und instrumentelle Fehler durchführte. Über 75.000 Sternörter hat er selber bestimmt und 16 Kometenbahnen berechnet. Sein Werk von 1818 ist Grundlage aller späteren Fundamentalkataloge geworden. Aus Störungen der Eigenbewegung von Fixsternen schloß er auf die Existenz von Doppelsternen (z. B. Sirius und Prokyon) und am 61. Stern im Schwan, ebenfalls ein Doppelstern, gelang ihm erstmals die Messung einer jährlichen Parallaxe (0,31 Bogensekunden) und damit die erste Entfernungsbestimmung  eines  Fixsterns (10,28 Lichtjahre)  überhaupt. Damit war zugleich der erste experimentelle Nachweis der Richtigkeit des heliozentrischen Weltbildes erbracht, das der in Thorn (Westpreußen) 1473 geborene und 1543 als Domherr in Frauenburg gestorbene Nikolaus Copernicus aufgestellt hatte. Er führte exakte Beobachtungen an den Jupiter- und Saturnmonden aus und sagte aus Bewegungen des Uranus einen später auch gefundenen transuranischen Planeten (Neptun) voraus.

Bei Untersuchungen zur astronomischen Störungstheorie führte er die nach ihm benannten drei Arten von Bessel-Funktionen ein (auch Zylinderfunktionen), die Lösungen der Besselschen Differentialgleichungen sind. Ebenfalls in der höheren Mathematik spielen die Besselsche Gleichung und die Besselsche Ungleichung für Orthonormalsysteme(Begriff aus der höheren Mathematik) eine Rolle. Das überreiche Schaffen Bessels kommt in dem von seinem Schüler und Nachfolger in Königsberg zusammengestellten Katalog seiner Schriften zum Ausdruck: Der in Danzig geborene A. L. Busch erfaßte 385 Abhandlungen von Bessel. Die Akademien von Berlin, Paris, London, St. Petersburg und Kopenhagen dankten und ehrten Bessel durch seine Aufnahme als Mitglied. Bessel starb – schon seit dem Tod seines Sohnes im Jahre 1840 leidend – am 17. März 1846 in Königsberg. Eine von Professor Reusch geschaffene und vor der Sternwarte aufgestellte Büste ehrt diesen bedeutenden Wissenschaftler an seiner langjährigen und so erfolgreichen Wirkungsstätte.

Werke: 1815 Preisschrift der Berliner Akademie; 1818 Fundamenta astronomiae – mit Refraktionstafel (Bearbeitung der Beobachtungen von J. Bradley); 1838 F. W. B. und J. J. Baeyer: Gradmessung in Ostpreußen; 1841/42 Astronomische Untersuchungen, 2 Bände; 1852 Briefwechsel Olbers-Bessel, Hrsg. v. G. A. Erman, 2 Bände; 1875/76 Abhandlungen von F. W. B., Hrsg. v. R. Engelmann, 3 Bände; 1878 Recensionen von F. W. B., Hrsg. v. R. Engelmann; 1880 Briefwechsel Gauß-Bessel, Hrsg. v. d. Berliner Akademie; 1913 Briefwechsel Bessel-Steinheil, Berliner u. Münchener Akademie (Friedrich Wilhelm Bessel: Ich hab Euch lieb aber der Himmel ist mir näher. Eine Autobiographie in Briefen. Herausgegeben von Edith Schlieper. Stadt Minden, Minden 1984.)

Lit.: J. F. Encke: Gedächtnisrede auf Bessel, Berlin 1846; C. T. Anger: Erinnerungen an Bessels Leben und Wirken, Danzig 1846; A. L. Busch: Verzeichniß sämmtlicher Werke Bessels, Königsberg 1849; H. Durege: Bessel als Bremer Handlungslehrling, Zürich 1890; K. Siebert: 300 berühmte Deutsche – mit Portrait, Stuttgart 1912 und Frankfurt 1982; E. Zinner: Astronomie: Geschichte ihrer Probleme, Freiburg 1951; A. Hermann: Lexikon Geschichte der Physik, Köln 1972. – Klemens Adam, Gerd Huneke, Heinrich Rademacher (Red.): Friedrich Wilhelm Bessel. 1784–1846. Beiträge über Leben und Werk des bekannten Astronomen. Besselgymnasium der Stadt Minden, Minden 1996.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_Bessel

Hans-Jürgen Kämpfert