Biographie

Bialas, Günter

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Schulmusiker, Komponist
* 19. Juli 1907 in Bielschowitz/Oberschlesien
† 8. Juli 1995 in Glonn

Schon anläßlich seines 65. und 70. Geburtstages wurde des Günter Bialas in den „Ostdeutschen Gedenktagen“ gedacht. Der aus Oberschlesien stammende Komponist arbeitet jetzt noch fleißig in seiner Wahlheimat des Münchener Raumes. In den letzten Jahren legte er vor allem Kammermusikwerke vor, und jüngst erhielt er aus Anlaß der ersten Konzertsaison im eröffneten neuen Münchener Kulturzentrum Gasteig den Kompositionsauftrag für sein „Lamento di Orlando für Orchester, Bariton und gemischten Chor“, über das Bialas selbst einige erläuternde Überlegungen veröffentlichte. Seine Instrumental- und Vokalwerke, unter den letzterenz.B. die Indianische Kantate von 1950 oder die Schöpfungsgeschichte, 1961 entstanden, begeisterten nicht nur sein Publikum, sondern werden auch von leistungsstarken Chören gesungen bzw. in Konzerten aufgeführt und auf Schallplatten aufgenommen. In der Münchener Akademie der Künste gibt er in Gesprächen und Anleitungen seine reichen Erfahrungen weiter. Als erprobtes Mitglied des deutschen Musikrats stellte er seine Kenntnisse und sein Wissen für die Auswahl der auszusuchenden Werke in der nun abgeschlossenen Schallplattenanthologie „Dokumentation – Zeitgenössische Musik in der Bundesrepublik Deutschland“ zur Verfügung. Der musikalischen Jugendbewegung gegenüber ist er auch heute noch aufgeschlossen.

Der Nestor Günter Bialas ist seit Jahren der führende Kopf der in Ostdeutschland geborenen zeitgenössischen Komponisten. Seine Ausbildung als Musikwissenschaftler und vor allem als Schulmeister, als welcher er anfangs tätig war, sowie als Komponist prädestinierte ihn zum Tonsatz- und Kompositionslehrer: Zunächst 1940 bereits in Breslau an der Universität, nach Ausgang des Krieges und nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft 1946 für ein Semester in Weimar, dann ab 1947 an der Nord-Westdeutschen Musik-Akademie Detmold und bis zu seiner Emeritierung ab 1959 an der Münchener Musikhochschule. In Detmold und München studierten u.a. folgende Schlesier bei ihm Komposition: Heino Schubert, Elmar Seidel, Christian Ridil, Peter Kiesewetter. Michael Denhoff hat von ihm mancherlei kompositorische Hinweise erhalten. Namhafte Schüler von ihm sind ferner auch Rudolf Kelterborn und Gerd Zacher.

Bedeutsamen Neuerungen offen stehend, hat sich Bialas nie einer vorherrschenden modischen Richtung ganz überlassen. Durch sein historisches Wissen und sein pädagogisches Geschick ermöglichte er seinen Schülern, eigene und selbständige Wege zu gehen. Mit seiner organisatorischen Begabung setzte er sich für mancherlei zusätzliche Aufgaben sowie für andere Personen ein und förderte seine Schüler maßgeblich.

Bialas‘ Kompositionskunst hat Anregungen von der frühen organalen Praxis des 12./13. Jahrhunderts bis zur modernen Spielmusik der Jugendbewegung aufgenommen und ist über die Zwölftonmusik bis zur eigenen Einfachheit vorgestoßen. Bialas hat dabei einen eigenen Stil nie aus dem Auge verloren, ihn vielmehr konsequent von den Anfängen in Schlesien bis jetzt weiterentwickelt. Sein Œuvre umfaßt alle großen musikalischen Gattungen. Es liegt bei ihm eine Neigung zur Vokalmusik bzw. zur Bindung an vorgegebene Texte vor, die ihn als eine Art „Programm“ inspirieren und ihn sangbare melodische Linien unter Berücksichtigung von Leitgedanken finden lassen. In seiner neuesten Komposition, dem Lamento di Orlando, vereinigen sich Anregungen aus dem 16. Jahrhundert, Erinnerungen an seine Heimat in Oberschlesien und moderne Klangwelt. Bialas bekennt selbst (Musik in Bayern H. 31, S. 18): „Diese lateinisch-italienische Mischdichtung [von Josquins Vertonung ,In te speravi‘] hat Eigenschaften, die ich für eine chorische, also allgemeinverbindliche Aussage erwarte. Die alte Sprache zwingt zur Distanz und läßt ein instrumentales Spiel mit dem einzelnen Wort zu. Die geplante liedhafte Vertonung war wenigstens im Ansatz möglich, weil auch der Text mit seinen Reimen eine liedhafte Gestalt hat. Der inbrünstig-emphatische Melodie-Anfang soll an östlichen Kirchengesang erinnern, wie ich ihn seit meiner Kindheit in Oberschlesien noch im Ohr habe.“ Diese angedeuteten und noch andere von Bialas erwähnte Bausteine bleiben nicht einzelne Elemente, sondern bringen ein Neues-Ganzes zustande, das nach Bialas‘ eigenen Worten seine „Einfachheit“ der Altersreife in dem von ihm vertretenen Musikstil verkörpert.

Lit.: Günter Bialas, Eine Selbstdarstellung, in: Zeitgenössische schlesische Komponisten. Eine Dokumentation, (1. Bd.) A. Laumannsche Verlagsbuchhandlung Dülmen (Westf.) o. J. S. 89-109; derselbe, Überlegungen zur Textauswahl und zur musikalischen Gestalt eines Lamentos, in: Musik in Bayern H. 31, 1985, S. 15-27. Gotthard Speer und Hans-Jürgen Winterhoff (= Hrsg.), Meilensteine eines Komponistenlebens. Kleine Festschrift zum 70. Geburtstag von Günter Bialas, Bärenreiter Kassel 1977; Wilhelm Keller u.a. ( = Hrsg.), Günter Bialas, Hans Schneider Tutzing 1986 (Komponisten in Bayern, 5. Bd.).

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_Bialas

Hubert Unverricht