Oscar Bie wurde 1864 als Sohn eines Fabrikanten in Breslau geboren. Er besuchte das dortige Elisabeth-Gymnasium und studierte Philosophie, Kunst- und Musikgeschichte in Breslau, Leipzig und Berlin; 1887 erlangte er mit der Arbeit De Musarum imaginibus quaestiones selectae den Doktorgrad. 1890 wurde er Privatdozent für Kunstgeschichte an der Technischen Hochschule in Berlin. Seit 1921 lehrte er das Fach Ästhetik an der Berliner Musikhochschule.
Von 1894 bis 1922 leitete er die Zeitschrift Die neue Rundschau. Diese war 1890 als „Freie Bühne für das moderne Leben“ von Otto Brahm und dem Verleger Samuel Fischer (siehe „Ostdeutsche Gedenktage“, 2003/2004, 341) gegründet worden und erschien in dessen Verlag. Die Zeitschrift „behandelte die Gebiete des Kulturlebens vornehmlich im Geiste der neuen Anschauungen und kritisiert bisweilen sozialgesinnt, Kaiser, Reich und andere Idole. Wichtig ist der schöpferische Anteil der jüdischen Geistigkeit“ (Schlawe, S. 25). Auch während des „Dritten Reiches“ konnte die Zeitschrift dank der geschickten Verlagspolitik von Peter Suhrkamp veröffentlicht werden. Nach einer Unterbrechung durch Kriegs- und Nachkriegszeit erscheint sie noch heute und ist damit die älteste Kulturzeitschrift in deutscher Sprache.
Bie schrieb als Opern-, Musik- und Kunstkritiker u.a. für den Berliner Börsen-Courier, Die Schaubühne, Das Theater und Die Zeit. Von seinen zahlreichen Buchveröffentlichungen zu Themen der Kunst und Musik seien genannt: Der Tanz als Kunstwerk, 1905, Die moderne Zeichenkunst, 1905, Die moderne Musik und Richard Strauss, 1906, Reise um die Kunst, 1910, Die Oper, 1913. Während des Dritten Reiches durften seine Bücher nicht neu aufgelegt werden. – Schon zu Lebzeiten wurde er durch einen Eintrag im Brockhaus gewürdigt (15. Auflage, Bd. 2, 1929).
Lit.: Killy. – Renate Heuser, Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, Bd. 2. – Neue Deutsche Biographie. – Deutsche Biographische Enzyklopädie. – Wikipedia (Einträge „Oscar Bie“, „Neue Rundschau“). – Fritz Schlawe, Literarische Zeitschriften 1885-1910, Stuttgart 1961 (Sammlung Metzler). – Peter de Mendelssohn, S. Fischer und sein Verlag, Frankfurt a.M. 1970 (passim).
Bild: Kulturstiftung.
Harro Kieser