Biographie

Bielschowsky, Alfred

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Augenarzt
* 11. Dezember 1871 in Namslau/Schlesien
† 5. Januar 1940 in New York

Nach Absolvierung des Katholischen Gymnasiums in Glatz studierte der aus einer schlesischen Kaufmannsfamilie stammende Alfred Bielschowsky an den Universitäten Breslau, Heidelberg, Berlin und Leipzig. Die Promotion erfolgte 1893 in Berlin. Danach wurde er in Leipzig ein Schüler des bekannten Ophthalmologen Hubert Sattler. Zur selben Zeit arbeitete Bielschowsky im Institut des Physiologen Ewald Hering, der sich insbesondere mit der Physiologie des Sehens sowie der Psycho- und Elektrophysiologie beschäftigte. Im Jahre 1900 habilitierte sich Alfred Bielschowsky in Leipzig für das Fach Ophthalmologie. Sechs Jahre später wurde der Privatdozent außerordentlicher Professor der Augenheilkunde, und 1912 erhielt er den Status eines ordentlichen Professors sowie den Lehrstuhl für Ophthalmologie in Marburg. Kaiser Wilhelm II. zeichnete kurz vor seiner Abdankung 1918 den bekannten Gelehrten mit dem Titel „Geheimer Medizinalrat“ aus. 1923 wechselte Alfred Bielschowsky nach Breslau über, wo er die Leitung der berühmten Universitäts-Augenklinik übernahm. 1934 – im Jahre seiner Emeritierung – reiste er zum ersten Mal in die Vereinigten Staaten, um auf Einladung des Augenheilkundlers Arnold Knapp in New York, Chicago und einem halben Dutzend weiterer Städte Vorlesungen und Vorträge zu halten. Damals entschloß sich der Jude Alfred Bielschowsky, für längere Zeit in den USA zu bleiben. 1937 bekam er in Amerika die Würde eines Professors der Ophthalmologie verliehen und wurde gleichzeitig zum Direktor des Instituts für Augenheilkunde in Dartmouth ernannt. Seinen Wohnsitz nahm er in Hanover, N. H. Während der ihm verbleibenden drei Lebensjahre entwickelte Alfred Bielschowsky in den Vereinigten Staaten eine rege Forschungs- und Lehrtätigkeit, die ihm unter Fachkollegen und Studenten ein hohes Ansehen einbrachte.

Professor Bielschowskys internationale Wertschätzung wird in zahlreichen Auszeichnungen sowie Mitgliedschaften in bedeutenden Akademien und wissenschaftlichen Vereinigungen sichtbar. So wurde er 1929 Ehrenmitglied der Ungarischen Ophthalmologischen Gesellschaft und 1937 „Honorary Master of Arts“ am Dartmouth College; des weiteren war Alfred Bielschowsky seit 1937 Mitglied der Schwedischen Medizinischen Gesellschaft, er gehörte ferner der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft an, der American Medical Association, der New England Ophthalmological Society sowie der Association for Research in Ophthalmology. Darüber hinaus war Professor Bielschowsky in zahlreichen lokalen und regionalen medizinischen Vereinigungen der USA und Deutschlands vertreten.

Die Ergebnisse der Arbeit des Gelehrten schlugen sich in 132 Publikationen sowie 123 Vorlesungen und Vorträgen allein in den Vereinigten Staaten nieder. Forschungsschwerpunkte waren die Physiologie und Pathologie der Augenbewegungen und des räumlichen Sehens. Bereits 1907 veröffentlichte er im „Handbuch der gesamten Augenheilkunde“ von Graefe und Sämisch sein Opus magnum, „Die Motilitätsstörungen der Augen nach dem Stande der neuesten Forschungen“. Bielschowsky schrieb des weiteren wichtige Beiträge über das binokulare Sehen, ein Hauptarbeitsgebiet seines früheren Leipziger Lehrers Ewald Hering, ferner über das Schielen und andere Stellungsanomalien der Augen, er berichtete über neue ophthalmologische Instrumente und Geräte wie beispielsweise das weiterentwickelte Stereoskop, das Heterophorometer und den Prismenapparat. Professor Bielschowsky verfaßte grundlegende Artikel zu den syphilitischen Hornhautaffektionen, der Innervation der Augenmuskeln, den verschiedenen Ursachen der Blindheit, dem Augenzittern der Bergleute sowie der Ophthalmologischen Migräne. Er war maßgeblich an der Entstehung des 1932 in Leipzig bei Johann Ambrosius Barth in siebter Auflage erschienenen „Repetitoriums der Augenheilkunde“‘ beteiligt. Nach dem Ersten Weltkrieg publizierte Alfred Bielschowsky wichtige Arbeiten über das Blindenwesen und die Kriegsblindenfürsorge; er erwarb sich auf diese Weise hohe Verdienste um die im Felde Erblindeten. Hervorzuheben ist schließlich noch das Eponym „Bielschowsky-Phänomen“, nämlich „die bei Strabismus erfolgende Abwärtsbewegung des nicht fixierten Auges während der Abdeckprobe („Vorsetzen eines dunklen Glases vor das fixierende Auge“, Roche-Lexikon Medizin, S. 194). Professor Bielschowsky war von 1928 bis 1936 Mitherausgeber des „Archivs für Ophthalmologie“ gewesen, danach verlor er als jüdischer Gelehrter diese Funktion. Des weiteren war er an der Herausgabe der „Klinischen Monatsblätter für Augenheilkunde“ sowie des „Zentralblatts für Ophthalmologie“ beteiligt. Von der Titelei auch der letztgenannten Zeitschrift verschwand schließlich sein Name. Alfred Bielschowsky gilt in Deutschland sowie auf internationaler Ebene als einer der herausragendsten schlesischen Augenheilkundler.

Lit.: [Anonym], Bielschowsky, Alfred, in: Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Zugleich Fortsetzung des Biographischen Lexikons der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, hrsg. von I[sidor] Fischer, I, Berlin und Wien 1932, S. 115; [Anonym], Bielschowsky, Alfred, in: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 1931, hrsg. von Gerhard Lüdtke, IV. Ausgabe, Berlin und Leipzig o.J. [1931], Sp. 205; [Anonym], Bielschowsky, Alfred, in: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 1935, hrsg. von Gerhard Lüdtke, V. Ausgabe, Berlin und Leipzig o.J. [1935], Sp. 96; [Anonym], Hering, Ewald, in: Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeitenund Völker, hrsg. von August Hirsch, 2. Aufl. durchgesehen und ergänzt von W[ilhelm] Haberling, F[ranz] Hübotter und H[ermann] Vierordt, III, Berlin und Wien 1931, S. 181 f.; R[]Hertzberg, Bielschowsky’s sign. Its genesis and other observations by Bielschowsky, in: Australian Journal of Ophthalmology 10 (1982), 4, S. 282-284; Walter B. Lancaster und Adalbert Ames jr., Alfred Bielschowsky.1871-1940, in: Archives of Ophthalmology 23 (1940), S. 1354-1365 (mit Schriftenverzeichnis und Porträt Bielschowskys); Leo Norpoth, Bielschowsky, 2) Alfred, Augenarzt, in: Neue Deutsche Biographie, hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, II, Berlin 1955, S. 227; Roche-Lexikon Medizin, hrsg. von der Hoffmann-La Roche AG und Urban & Schwarzenberg, 2. Aufl. München, Wien und Baltimore 1987, S. 194.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Bielschowsky

Werner Gerabek