Biographie

Billroth, Theodor Christian Albert

Herkunft: Pommern
Beruf: Chirurg
* 26. April 1829 in Bergen/Rügen
† 6. Februar 1894 in Abbazia, Opatij/Istrien

Der aus einem evangelischen Pfarrhaus stammende Billroth absolvierte in Greifswald mit nur mäßigem Erfolg seine Schulzeit, nahm 1848 in derselben Stadt das Studium der Medizin auf und setzte es später in Göttingen und Berlin fort. Billroth, der sich sehr stark zur Musik hingezogen fühlte – einer seiner besten Freunde war später (ab 1865) Johannes Brahms -, vernachlässigte anfangs seine heilkundlichen Studien. Seine Berliner akademischen Lehrer Johannes Müller (Physiologie), Johann Lukas Schönlein (Innere Klinik) und Ludwig Traube (Experimentelle Pathologie) wiesen ihn immer wieder auf die Bedeutung der theoretischen Fächer für die praktische Medizin hin.

Nach seiner Promotion in Berlin (1852) unternahm Billroth 1853 eine Studienreise, die ihn unter anderem nach Wien führte. In der Donaumetropole hörte er Vorlesungen bei Ferdinand von Hebra und Johann von Oppolzer. Von 1853 bis 1860 war Billroth in Berlin Assistent bei dem Chirurgen Bernhard von Langenbeck. In dieser Zeit beschäftigte er sich im Zusammenhang mit seinen Geschwulststudien insbesondere mit Problemen der pathologischen Histologie – einem Themenkreis, aus dem 1856 seine Habilitation für Chirurgie und pathologische Anatomie hervorgehen sollte. Nach Ablehnung eines Rufs nach Greifswald (1858) erfolgte 1860 Billroths Berufung auf den Zürcher chirurgischen Lehrstuhl und zum Direktor der dortigen chirurgischen Klinik. 1867 kehrte er nach zwei abgelehnten Rufen (1862 Rostock, 1864 Heidelberg) nach Wien zurück, wo er fortan die Zweite Chirurgische Lehrkanzel innehatte. Als Billroth die überaus ehrenvolle Nachfolge seines 1887 verstorbenen Lehrers, des Berliner Ordinarius von Langenbeck, antreten sollte, lehnte er ab.

Der überzeugte Patriot Billroth nahm als Freiwilliger am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 teil und kam insbesondere in Kriegslazaretten (z.B. in Weißenburg im Elsaß und in Mannheim) zum Einsatz. 1887 erkrankte er sehr schwer an einer Lungenentzündung, von der er sich niemals mehr vollständig erholen sollte. Billroths Hauptarbeitsgebiet war – bereits in Zürich – die Chirurgie. So beschäftigte er sich intensiv mit dem Wundfieber und anderen Wundkrankheiten, was zu umwälzenden Ergebnissen führte. In Wien fanden daneben bakteriologische Themenkreise verstärkt sein Interesse. Hervorzuheben ist des weiteren, daß Billroth damals einer überzogenen Antisepsis skeptisch gegenüberstand. Mit seiner in Zürich verfaßten Schrift Die allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie in fünfzig Vorlesungen (1863) – ein Werk, das bis 1884 elf Auflagen erlebte und in zehn Sprachen übersetzt wurde – avancierte Billroth zum Begründer der wissenschaftlichen Chirurgie, indem er pathologische Anatomie und Histologie mit der klinischen Medizin verband. In Wien begann Billroth dann mit der Erforschung bislang nahezu unbekannter Gebiete. So verfeinerte er beispielsweise zahlreiche Operationsmethoden oder entwickelte neue epochemachende Techniken, die – wenn auch in modifizierter Form – teilweise noch heute Gültigkeit haben: Zu nennen sind die Kehlkopf-Exstirpation, die Entfernung des Uterus durch die Vagina, die Operationen an Harnblase, Speiseröhre, Milz, Leber und am Kröpf. Berühmtheit erlangten seine operativen Eingriffe in den Magen-Darm-Trakt, deren Technik er ständig verbesserte und schulmäßig fortentwickelte. Am 29. Januar 1881 führte er als erster erfolgreich eine Magenresektion durch – ein Meilenstein in der Geschichte der Krebsoperation. Als herausragender Forscher und meisterlicher Operateur, als faszinierender

Lehrer und geschickter Wissenschaftsorganisator ist Billroth der bedeutendste Chirurg des 19. Jahrhunderts. Dies belegt auch die stattliche Anzahl größerer und kleinerer Publikationen aus seiner Feder. Die zahlreichen Schüler Billroths gaben – als Lehrstuhlinhaber oder Chefärzte – die von ihrem Lehrer eingeführten chirurgischen Methoden und Techniken an die nachfolgenden Ärztegenerationen weiter.

Lit.: Georg Fischer: Billroth, Theodor, in: Allg. Dt. Biogr., hrsg. durch die hist. Comm. bei der [Bayer.] Königl. Akad. d. Wiss., XLVI, o. 0.1902, Neudr. Berlin 1971, S. 548-555. – I. Fischer: Billroth und seine Zeitgenossen, Berlin und Wien 1929. -Ernst Julius Gurlt: Billroth, Christian Albert Theodor, in: Biogr. Lex. d. hervorrag. Ärzte aller Zeiten und Völker, hrsg. v. Franz Hübotter, 2. Aufl., I, Berlin und Wien 1929, S. 541 f. – Otto Gottlieb-Billroth: Billroth und Brahms im Briefwechsel, Berlin und Wien 1935. – Leopold Schönbauer: Billroth, Christian Albert Theodor, in: Neue Dt. Biogr., hrsg. v.d. Hist. Komm, bei d. Bayer. Akad. d. Wiss., II, Berlin 1955, S. 239 f. – Constant Albert Bretz: Theodor Billroth, pionnier de la Chirurgie moderne, humaniste et musicien, in: Hist. Med. 9 (1959), H. 11, S. 4-59,10 (1960), H. l, S. 5-50. – H. Engel: Billroth, Christian Albert Theodor, in: Dict. Scientific Biogr., hrsg. v. Charles Coulston Gillispie, II, New York 1970, S. 129f. – Christian Andree: Rudolf Virchow. Theodor Billroth. Leben und Werk. Ausstellung der Stiftung Pommern [Kiel] im Rantzaubau des Kieler Schlosses vom 9. Juni bis 2. September 1979, Neumünster 1979. – Wolfgang Genschorek: Wegbereiter der Chirurgie. Johann Friedrich Dieffenbach. Theodor Billroth, Leipzig 1982 (= Humanisten der Tat. Hervorragende Ärzte im Dienste des Menschen). – Karel B. Absolon: The surgeon’s surgeon, I-IV, Lawrence und Rockville 1979-1989 [dt. Übers, unter Mitw. v. Ernst Kern: Der Großmeister der Chirurgie. Theodor Billroth (1829-1894), Rockville, Maryland 1989].

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Billroth

Werner Gerabek