Biographie

Binder, Ludwig

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Kirchenhistoriker
* 12. August 1914 in Mediasch/Siebenbürgen
† 1. Januar 1989

Der Sohn eines Uhrmachers besuchte nach der Volksschule das Stefan-Ludwig-Roth-Gymnasium seiner Vaterstadt Mediasch und schloß es als 17jähriger mit dem Abitur ab.

Er studierte anschließend in Klausenburg Philosophie. 1930/33 setzt er das Studium in Tübingen fort und beginnt dort auch Theologie zu studieren, geht dann nach Berlin und schließt 1936 in Bonn ab. Dem 22jährigen Hochbegabten scheint der Weg ins heimatliche Pfarramt vorgezeichnet: bis 1938 Lehrvikariat in Pretai bei Mediasch, die erste Pfarrstelle im schwierigen Durles bei Mediasch bis 1946. Der Zweite Weltkrieg sieht ihn 1942 als „Reisepfarrer“ in den deutschen evangelischen Gemeinden Südrußlands, 1943/45 bei der deutschen Wehrmacht. Während dieser Zeit 1944 Promotion in Wien, mit einer Arbeit, die die andere Lebenshälfte bestimmen sollte: „Weltanschauung und Religion Stefan Ludwig Roths.“ Mai 1945 bis Mitte 1946 russische Kriegsgefangenschaft. 1946 Wechsel ins Pfarramt der evangelischen Gemeinde Arbegen, bis 1957.

1953 wird Pfarrer Dr. theol. Ludwig Binder zum Dozenten am „Theologischen Institut mit Universitätsgrad der Protestantischen Kirchen in der Rumänischen Volksrepublik“ in Klausenburg (ehemalige theologische Fakultät der Universität) berufen, dessen Lehrkörper er ab 1957 hauptamtlich und von 1960 an als ordentlicher Professor für Kirchengeschichte bis zu seiner Emeritierung 1979 angehört. Seit 1981 lebt er in Augsburg.

Binders wissenschaftliche Arbeit beginnt mit den Studien für die Dissertation, die dem Namenspatron des Gymnasiums seiner Heimatstadt galten: dem evangelischen Pfarrer, Humanisten und 1848er Märtyrer Stefan Ludwig Roth. Immer schon waren siebenbürgische Pfarrer gehalten, neben theologischen, auch philosophische, politisch-historische und landwirtschaftliche Studien zu betreiben, um als Pfarrer „Väter der Gemeinden“ sein zu können, die vom „Letzten“ und umfassend vom „Vorletzten“, vom politischen und wirtschaftlichen Handeln ihres Volkes, etwas verstanden.

Eine seiner ersten publizistisch-wissenschaftlichen Bestrebungen galt der „Einheit der Kirche“ (1947), die unter dem Druck der kommunistischen Machtergreifung in Rumänien ihre Verfassung neu zu formulieren und sich deshalb ihrer Glaubensgrundlagen zu vergewissern hatte. Nicht nur der leise, feinsinnige Lehrer, sondern auch der Kirchenhistoriker wollte die „Reformatoren“ aller historischen Perioden der Kirche und der Gesellschaft – was bei Siebenbürger Sachsen immer in eins zusammenfiel –, seinen Zuhörern und Lesern zu Ratgebern „… in aller Not, die uns jetzt hat betroffen …“ werden lassen. So galt seine wissenschaftliche Arbeit Honterus und den Reformatoren, Bischöfen, Humanisten des 16./17. Jahrhunderts, wie auch eben Roth und Franz Oberth und den Bischöfen Teutsch im 19. Jahrhundert, nicht zuletzt dem europäischen Sonderfall der Toleranzbeschlüsse der Landtage in Siebenbürgen in der Zeit von 1559-1571. Diese Beschlüsse legten den Grund zu der einmaligen Fähigkeit der sprachlich, rassisch und religiös völlig verschiedenen Volker in Siebenbürgen (Rumänen, Ungarn, Deutsche), zusammenzuleben und eine sich immer wieder bewährende Einheit entlang der wechselvollen Geschichte von über 400 Jahren zu erhalten. „Doch zeigt sich, daß die Kirche aus ihrem Wesen heraus das Gesetz ihres Handelns bestimmt und in dem ihr gegebenen politischen und sozialen Rahmen um die Sinngebung ihrer Tätigkeit im Erdulden, Erleiden und Überwinden ringt. Dabei wird ersichtlich, daß nicht alle Lebensbezüge ideologisch bestimmt werden können, sondern persönlicher Glaube und christliche Gemeinschaft unabhängig davon verwirklicht werden können“ (Ludwig Binder in seiner letzten Veröffentlichung „Die Kirche der Siebenbürger Sachsen“, Erlangen 1982).

Die wichtigsten wissenschaftlichen Werke: Die frühesten Synoden der evangelischen Kirche in Siebenbürgen …, 1967; – Johannes Honterus und die Reformation in Siebenbürgen …, 1973; – Grundlagen und Formen der Toleranz in Siebenbürgen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, 1976; – Melanchthon in der siebenbürgischen evangelischen Kirche…, 1977; – Um Glauben und Bekenntnis. Leben und Wirken des Bischofs Lukas Unglerus, 1978; – Georg Daniel Teutsch und Friedrich Teutsch als Historiker …, 1978; – Die Reformation in Siebenbürgen …, 1980; – Stefan Ludwig Roth als philosophischer Denker …, 1979; – Die Kirche der Siebenbürger Sachsen, 1982.

Helmut Pilder