Biographie

Biron, Ernst Johann

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Herzog von Kurland, Regent des Russischen Reiches
* 23. November 1690 in Kalnzeem/Kurland
† 29. Dezember 1772 in Mitau/Kurland

Unter den zahlreichen Deutschbalten, die in Rußland tätig waren, hat Ernst Johann von Biron die höchste Stellung erlangt. Der Angehörige einer einfachen kurländischen Adelsfamilie, deren Name ursprünglich „von Bühren“ lautete, verdankte dies neben seiner Intelligenz und seinem Ehrgeiz auch der historischen Fügung. Nach dem Studium in Königsberg trat Biron nämlich 1718 als Sekretär in den Dienst von Anna Ivanovna, der Witwe des 1711 gestorbenen kurländischen Herzogs Friedrich Wilhelm. Diese Nichte Peters des Großen aber, deren uneingeschränktes Vertrauen Biron erwarb, wurde 1730 Kaiserin von Rußland. Ihr folgend, siedelte der Kurländer, der 1723 mit Benigna von Trotta-Treyden eine Hofdame Annas, geheiratet hatte, aus Mitau nach Moskau und St. Petersburg über. Ohne bis zum Tode der Kaiserin (1740) offiziell ein Regierungsamt zu bekleiden, beeinflußte Biron nun in starkem Maße die russische Politik wobei ihm der Westfale Heinrich Ostermann als Lenker der Außenbeziehungen und an der Spitze der Armee der Oldenburger Burchard Christoph von Münnich zur Seite standen. Diese „Deutschenherrschaft“ bestand noch während des nominellen Kaisertums des kleinen Ivan VI. (1740-1741) fort, ja Anna hatte für die Zeit der Minderjährigkeit dieses ihres Großneffen Biron sogar zum offiziellen Regenten des Russischen Reiches ernannt. Nach dem Tode Annas traten jedoch sogleich Gegensätze zwischen den Deutschen hervor. Biron wurde von Münnich verhaftet, und ihn traf das Schicksal der Verbannung nach Sibirien, das allerdings bald, nach der Thronbesteigung der Kaiserin Elisabeth (gegen Ende l741), durch seine Verlegung nach Jaroslavl‘ an der Wolga gemildert wurde.

In der älteren russischen und in der sowjetischen Literatur, aber auch in unkritischen westlichen Publikationen wurde und wird die Ära Biron (russisch: bironovscina) oft sehr negativ beurteilt. Man kennzeichnete sie als Zeit maßloser Korruption und grausamer Verfolng von politischen Gegnern. Solchen Urteilen liegt jedoch ein deutschfeindliches Ressentiment zugrunde. In Wirklichkeit sicherten die deutschen Staatsmänner das gefährdete Fortschreiten Rußlands auf dem von Peter dem Großen gewiesenen Weg. Dies galt für die damalige Außenpolitik, durch die Rußland seine Großmacht-Stellung behauptete, und dies galt ebenso für die innere Entwicklung, die u. a. durch Bemühungen um eine geordnete Verwaltung und durch Fortschritte auf dem Gebiete des Bildungswesens gekennzeichnet ist.

Nachdem Biron zwei Jahrzehnte in der Verbannung verbracht hatte, wurde er amnestiert. Kaiserin Katharina II. setzte ihn 1763 sogar wieder als Herzog von Kurland ein. Zu einem solchen hatte ihn die kurländische Ritterschaft 1737 gewählt, nachdem Ferdinand, der kinderlose letzte Herzog Kurlands aus dem Hause Kettler, gestorben war. 1769, drei Jahre vor seinem Tode, verzichtete Biron zugunsten seines Sohnes Peter auf das herzogliche Amt, um dessen Stärkung gegenüber dem einheimischen Adel er bemüht gewesen war. Vom einstigen Geltungsstreben und vom künstlerischen Geschmack des Vaters zeugen die Schlösser von Mitau und Ruhenthal in Kurland, mit deren Errichtung der Herzog den hervorragenden Architekten Bartolomeo Francesco Rastrelli beauftragt hatte.

Lit.: Deutschbaltisches Biographisches Lexikon 1710-1960, hg. von Wilhelm Lenz, Köln-Wien 1970, S. 67 f; Handbuch der Geschichte Rußlands, Bd. 2,1, hg. von Klaus Zernack, Stuttgart 1986; Alexander Lipski, A Reexamination of the „Dark Era“ of Anna Ioannovna, in: The American Slavic and East European Review 15 (1956), S. 477-488; August Seraphim, Die Geschichte des Herzogtums Kurland (1561-1795), 2. Aufl., Reval 1904.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Johann_von_Biron

Norbert Angermann