Biographie

Bläsing, David

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Professor der Mathematik, Astronom, Büchersammler
* 29. Dezember 1660 in Königsberg i.Pr.
† 7. Oktober 1719 in Königsberg i.Pr.

David Bläsing entstammte einer Königsberger Zinngießer-Familie. Sein Vater Paul Bläsing, ein Kannengießer, heiratete am 13. Februar 1660 Katharina Walter, die Witwe des Zinngie­ßer-Meisters Johann Walter. Ihr Sohn David blieb ohne Geschwister. Er erhielt zunächst Privatunterricht, danach besuchte er die Altstädische Lateinschule. Am 11. Oktober 1678 wurde David Bläsing an der Königsberger Universität immatrikuliert, wo er in den nächsten Jahren Philosophie, Mathematik, Medizin und Theologie hörte. Am 26. Juni 1682 trat er als Respondent in einer von Laurentius Weger d.J., Professor der hebräischen Sprache, geleiteten Disputation „De Verbo Dei“ an. Kurz darauf erfolgte der Eintrag (als „Blesing“) in die Leipziger Matrikel, wo er am 28. Oktober 1582 das Baccalaureat erwarb. Bereits am 25. Januar 1683 absolvierte er an der Philosophischen Fakultät die Magisterprüfung, am 3. Mai 1584 legte Bläsing in Leipzig eine Disquisitio mathematica vor, die er als Präses führte. Er kehrte nach Königsberg zurück, wo er im September des Jahres mit einer Disqvisitio anti-cartesiana de mundi extensione das Recht auf Lehre in der Philosophischen Fakultät der Albertina erwarb. In den folgenden Jahren leitete er mindestens zwei öffentliche Disputationen – eine zu einem physikalischen, die andere zu einem mathematischen Thema –, bis ihm am 2. Mai 1690 die Nachfolge seines einstigen Lehrers Georg Wosegin angetragen wurde, der seine Mathematik­prof­essur niederlegte und die zweite theologische Professur übernahm. Nachdem Bläsing im August mit einer astronomischen Pro-loco-Dissertation seine Eignung für das Amt öffentlich nachgewiesen hatte, trat er seine Stelle am 14. September 1690 an. Bis zu seinem Tod übte er fast drei Jahrzehnte die Mathematik-Professur in Königsberg aus. 1703 wurde er zusätzlich Inspektor der Alumnen und Senator der Universität, er war mehrfach Dekan der Philosophischen Fakultät und, was jeweils besondere Auszeichnungen für seine akademische Reputation bedeutete, 1708 Prorektor und 1714 sogar Rektor der Albertina.

Größere wissenschaftliche Publikationen verfasste Bläsing nicht. Nachzuweisen sind zwischen 1703 und 1717 lediglich sechs mathematische und astronomische Dissertationen, die er als Präses leitete. Ganz vereinzelt beteiligte sich Bläsing mit Gedichten an personalen Gelegenheitsschriften: Bislang lassen sich fünf Fälle ermitteln, zwei neulateinische Begleitgedicht zu Königsberger Disputationen (1688 und 1703), ein neulateini­sches Epigramm auf den Tod des Medizinprofessors Carl Jacob Roeser (1712), ein achtzeiliges Epigramm, ebenfalls auf Latein, in der Trauerschrift des Kollegiums der Philosophischen Fakultät auf den Tod von Sophie Charlotte von Hannover (1705), Ehefrau von Friedrich III./I., sowie als einzige kasuale Verfasserschrift und zugleich als einzige deutschsprachige Dichtung Devote Sinn-Bilder anlässlich der Wiedervermählung des Königs mit Sophie Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1708). Es ist nicht auszuschließen, dass noch einzelne poetische Beiträge Bläsings zur damals nach wie vor weit verbreiteten ‚Mode‘ der Kasualdichtung gefunden werden können, doch das Verfassen von Versen, vornehmlich im neulateinischen Idiom der akademischen Kommunikationskultur, war für ihn nur eine sehr selten geübte, ohne jede Ambition verfolgte Tätigkeit, für die seinerzeit jeder, der eine höhere Schule durchlaufen hatte, technisch vorbereitet worden war. Dagegen betätigte sich Bläsing zwischen 1692 und 1701 in einem anderen Text­medium: In diesem Jahrzehnt pub­lizierte er die Jahreskalender, deren Abfassung seit dem Ende des 16. Jahrhunderts im Herzogtum Preußen dem Königsberger Mathematikprofessor oblag. Die erhaltenen Kalender zeigen, „daß Blaesing zu jenen Kalenderautoren gehörte, die bereits im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts ihre Kalender mit frühaufklärerischen Inhalten versahen“ (www.presseforschung.uni-bremen.de/dokuwiki/doku.php?id=blaesing_david).

Das Erstellen von Kalendern war eine durchaus lukrative Arbeit. Als der 1700 gegründeten „Kurfürstlich Brandenburgischen“ (seit 1701: „Königlich Preußischen“) „Sozietät der Wissenschaf­­­ten“ das Monopol für die Herstellung und den Verkauf von Kalendern im ganzen Land zugeteilt wurde, protestierte Bläsing dagegen. Ob seine Aufnahme als auswärtiges Mitglied der Akademie am 11. März 1701 eventuell eine Kompensation für den Verlust der Jahreskalender darstellte, ist nicht zu entscheiden. Es würde aber erklären, dass Blaesing nach 1701 dieses einträgliche Unternehmen nicht mehr verfolgte. Auch das Nebenamt als Inspektor der Alumen bedeutete einen finanziellen Zugewinn. Auf jeden Fall scheint Bläsing das Wohlwollen des Kurfürsten von Brandenburg und späteren Königs in Preußen besessen zu haben, wie nicht nur die Glückwunschschrift auf dessen zweite Hochzeit nahelegt. So hatte Friedrich III. Bläsing ab September 1697 eine eineinhalbjährige Bildungsreise durch Deutschland, Holland, Frankreich und England gestattet und ihm dafür die nötige finanzielle Unterstützung gewährt. Nach seiner Rückkehr heiratete Bläsing am 4. Juni 1699 Regina Meyer, Witwe des Diakons am Königsberger Dom Georg Roschey.

In der vorliegenden Literatur wird unisono betont, dass Bläsing diese Reise vor allem dazu nutzte, um allerorten die berühmtes­ten Mathematiker zu treffen. Der Austausch mit den führenden Gelehrten an den besuchten Orten gehörte indes zu den fundamentalen Zwecken einer Gelehrtenreise. Entscheidender ist, insbesondere für die Entwicklung des kulturellen Zentrums Königsbergs, dass Bläsing sich überall mit den modernsten Instrumenten vertraut machte und viele nach Hause mitbrachte. So hatte er seinen Antrag an den Kurfürsten nicht nur mit dem Ausbau gelehrter Kontakte begründet, sondern explizit damit, dass die „Mathematische Wissenschaften […] so wol zu Friedens als KriegesZeiten haben, aber dabei die scharffsin­nigste unter allen seyn, und zu ihrer vollkommenen Ausübung exacte und kostbahre Jnstrumente erfoddern“ (Geh. StA Preußischer Kulturbesitz Berlin, XX. HA Hist. StA Königsberg, Etatsministerium 139cIV, Nr. 30, Bl. 7). Außerdem versorgte sich Bläsing auf dieser Reise reichlich mit Büchern für seine private Bibliothek. Als er, drei Jahre nach seiner Frau, kinderlos verstarb, hinterließ er nicht bloß eine in Königsberg einmalige Sammlung mathematischer Instrumente, sondern auch eine imposante Bibliothek; hinzu kamen eine Münzsammlung und ein beachtliches Naturalien-Cabinet. Das alles vermachte er, wie auch seinen Garten mit allen Gebäuden, der Königsberger Universität. Schon 1716 hatte er 1.000 Reichstaler für ein Stipendium für Studenten der Mathematik gestiftet.

Es war in der Frühen Neuzeit keineswegs unüblich, dass Profes­soren ihre Universität testamentarisch bedachten. Der Nachlass von Bläsing allerdings ragte insofern hinaus, als er die Bedingungen für die akademischen Studien, insbesondere die Mathematik, in Königsberg wesentlich verbesserte. Dank seiner Schen­kung, die im Catalogus Bibliothecae Academiae Regio­montanae (Bibliothek d. Litauischen Akademie der Wissenschaften, F 15-266) knapp 3.000 Nummern zählte, konnte der Buchbestand der 1544 gegründeten Universitätsbiblio­thek nicht bloß mehr als verdoppelt werden, sie konnte fortan ihre Zwecke für die Lehre und Forschung besser erfüllen, kam doch viele neuere Literatur hinzu, die aus dem eigenen Etat nicht zu beschaffen war. Dabei bildete die Mathematik mit über 400 Titeln zwar einen Schwerpunkt der Bibliothek Bläsings, doch besaß sie noch jenen universalistischen Charakter, der damals als Gelehrtenideal galt. So kam unter anderem eine große Zahl von personalen Gelegenheitsschriften in den Bestand der Königs­-berger Universitätsbibliothek. Nach dem Untergang der Königsberger Bibliothekslandschaft im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs sind nur noch Reste dieser Bibliothek erhalten, die an ihrem charakteristischen Exlibris zu erkennen sind. Sie finden sich in Thorn, Vilnius, St. Petersburg, Moskau und an anderen Orten, in die seit 1945 die alten Bestände der Königsberger Staats- und Universitätsbibliothek gelangten.

Lit.: (Leichenpredigt) M. Lilienthal, Die Heilige Mathematic derer Christen/ […] Bey Standesmäßiger Leichen-Begängniß Des […] Herrn M. David Bläsings, Weitberühmten Preußischen Mathematici und Professoris Ordinarii auf der Königsbergischen Universität/ […] Als Dessen entseelte Gebeine A. 1719. den 14. Octobr. in dem Begräbniß derer Herren Professorum waren beerdigt worden […], Königsberg 1719. – (Verzeichnis der Schriften) Art. Blaesing, David, in: Klaus-Dieter Herbst, Bibliographisches Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750. URL: https://www.presseforschung.uni-bremen.de/dokuwiki/ doku.php?id=blaesing_david [Abruf am 12.09.2021]. – (Biographische Artikel, sub verbo, in:) J.H. Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Bd. 4, Leipzig 1733, Sp. 9. – D. H. Arnoldt, Ausführliche und mit Urkunden versehene Historie der Königsbergischen Universität, Bd. 2, Königsberg 1746, S. 378f. – Chr. G. Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Bd. 1, Leipzig 1750, Sp. 1113. – F. J., Lebens-Beschreibungen der verstorbenen Preußischen Mathematiker überhaupt und des vor mehr denn 100 Jahren verstorbenen großen Preußischen Mathematikers P. Christian Otters insbesondere. Königsberg/ Leipzig 1764, S. 110-114. – Altpreußische Biographie, Bd. 1, S. 60 (Christian Krollmann). – Johann Voigt, Skizze vom Leben David Bläsings, Professors der Mathematik zu Königsberg, in: Beiträge zur Kunde Preußens 6 (1824), S. 457-464. – (zu den Eltern) Erwin Hintze, Die deutschen Zinngießer und ihre Marken, Bd. 3: Norddeutsche Zinngießer. Leipzig 1923, S. 210f. – (zu den Jahreskalendern) Joanna Milewska-Kozłowska, Der Königsberger Professor und Kalendermacher David Bläsing (1660-1719), in: Klaus-Dieter Herbst/ Werner Greiling (Hrsg.), Schreibkalender und ihre Autoren in Mittel-, Ost- und Ostmitteleuropa (1540-1850), Bremen 2018, S. 155-181. – (zur Bibliothek) Axel E. Walter, Die Königsberger Universitäts­bibliothek in der Frühen Neuzeit, in: Hanspeter Marti/ Manfred Komorowski (Hrsg.), Die Universität Königsberg in der Frühen Neuzeit, Köln [u.a.] 2008, S. 264-305.

Bild: Beiträge zur Kunde Preußens, Band 6, Königsberg 1824, Wiki­pedia.

Axel E. Walter