Biographie

Blaschka, Leopold

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Glasmodelleur
* 27. Mai 1822 in Böhmisch Aischa [Český Dub]
† 3. Juli 1895 in Dresden

Der im nordböhmischen Aicha geborene Leopold Blaschka wurde zusammen mit seinem Sohn Rudolf (1857-1939) zu einem Glasmodelleur und Glaskünstler von Weltrang. Ihnen gelang es, zunächst Meerestiere wie Quallen oder Seeanemonen und später Blütenmodelle aus Glas in einer bis heute unübertroffenen Qualität und Naturnähe herzustellen. Ihrem Schaffen wurden und werden bis in die heutige Zeit regelmäßig Ausstellungen und Monographien gewidmet. Da der Sohn kinderlos blieb und keine Lehrlinge ausgebildet wurden, gingen ihre speziellen Fähigkeiten und Erfahrungen teilweise verloren. Die Herstellung ihrer einzigartigen Glasmodelle ist daher bis heute unübertroffen und nicht reproduzierbar.

Leopold Blaschka entstammt einer böhmischen Familie, die eng mit der Glasverarbeitung verbunden war. Der Großvater Leopolds Hans Josef Blaschka (1725-1792) hatte sich als Händler mit Kompositionsglassteinen betätigt. Allmählich übernahm er die Funktion eines Faktors, der Glasware aus der Umgebung einkaufte und damit in ganz Europa und bis nach Übersee Handel betrieb. 1791 hat er seine Firma in die Handelsgesellschaft ‚Blaschka & Söhne‘ überführt, an der zwei seiner Söhne beteiligt waren und die in Liebenau ansässig wurde. Noch im offiziellen Katalog der Londoner Weltausstellung von 1851 firmierte dieses Unternehmen weiterhin unter ‚Blaschka & Sons, Liebenau, Bohemia‘.

Der Vater Leopolds Josef Blaschka (1779-1851) betrieb eine eigene Werkstatt in Aicha. Leopold besuchte das Gymnasium und begann eine Kaufmannslehre, die er jedoch abbrach. Schließlich erlernte neben der Herstellung geflammter Gläser auch das Handwerk eines Goldschmieds und Steinschneiders im nahe gelegenen Turnau. Er trat dann in das väterliche Familienunternehmen ein, das Schmuckstücke und andere Gegenstände beispielsweise Lüsteranhänger aus Glas herstellte. Aber schon als Geselle begann Leopold in seiner freien Zeit erste Glasmodelle von Pflanzen herzustellen und widmete sich auch privat dem Studium von Pflanzen. Leopold erlitt in den 1850er Jahren zunächst jedoch zwei schwere Verluste. 1850 starb seine erste Frau, die er erst vier Jahre zuvor geheiratet hatte, an der Cholera und er selbst wurde längere Zeit krank. Außerdem verlor er auch noch 1851 seinen Vater. Auf Anraten seiner Ärzte und wohl auch, um mit diesem Schicksal fertig zu werden, nahm er die Möglichkeit wahr, eine Auszeit zu nehmen und im Auftrag seiner Cousins aus Liebenau deren Glashandelsunternehmen in den Vereinigten Staaten zu vertreten. So reiste er Anfang 1853 mit einem Segelschiff nach New York. Während der Überfahrt nach Nordamerika musste das Schiff wegen einer Flaute für zwei Wochen auf den Azoren bleiben. Diese Zeit nutzte Leopold, um Quallen und andere Meerestiere zu sammeln und zu zeichnen. Er war von diesen teilweise nahezu durchsichtigen Lebewesen fasziniert. Nach seiner Rückkehr nach Europa heiratete er 1854 erneut und begann auch wieder, neben der traditionellen Schmuckherstellung zu seinem eigenen Vergnügen Glasmodelle von Pflanzen herzustellen. Beim Skizzieren seltener Pflanzen wurde der Besitzer des unweit von Aicha gelegenen Schlosses Sychrov Fürst Camille de Rohan (1800-1892), der ein bekannter Pflanzenliebhaber und Schöpfer eines berühmten Parks im englischen Stil war, auf Leopold aufmerksam. Leopold erhielt freien Zutritt zu den Gewächshäusern des Fürsten und schuf für diesen ca. 60 Glasmodelle von Orchideen. 1862 wurden in der Folge ca. 100 Modelle exotischer Pflanzen, vor allem Orchideen, von Leopold Blaschka im Rohan-Palast auf der Prager Kleinseite ausgestellt.

Ab 1863 begann Leopold Blaschka Modelle von wirbellosen Meerestieren herzustellen. Er stellte aber in dieser Zeit daneben gläserne Laborgeräte und Glasaugen für medizinische Zwecke und für Tierpräparatoren her. Fürst Rohan machte Leopold Blaschka auch mit Professor Ludwig Reichenbach (1793-1879) bekannt. Reichenbach war zugleich Direktor des Dresdener Botanischen Gartens und des Naturkundemuseums. In der Folge wurden Pflanzenmodelle 1863 in Dresden und später sogar in einem Museum im belgischen Liège ausgestellt. Letztere wurden jedoch durch einen Brand zerstört. Reichenbach bot Leopold an, in der Orangerie des Schlosses Pillnitz eine Werkstatt einzurichten. Schloss Pillnitz mit dem umgebenden Park und eigenen Gewächshäusern für exotische Pflanzen, am rechten Ufer der Elbe oberhalb Dresdens gelegen, bot für Leopold Blaschka ausgezeichnete Arbeitsbedingungen in einer schönen Umgebung. 1863 zog nun die Familie ins nahe Pillnitz gelegene Dorf Hosterwitz bei Dresden (seit 1950 eingemeindet) um, und Reichenbach beauftragte ihn, Modelle von Seeanemonen für das Dresdener Museum zu schaffen. Dadurch wiederum wurden weitere Museumsdirektoren und Besitzer naturkundlicher Sammlungen auf Blaschkas Modelle aufmerksam. Reichenbach prophezeite Leopold eine erfolgreiche Karriere als Hersteller von Glasmodellen. Die Zeitumstände dafür waren auch besonders günstig, da sich ein breites Interesse an der systematischen Erforschung der Tier- und Pflanzenwelt herausgebildet hatte. Die Zahl der öffentlichen Naturkundemuseen stieg und auch der Bedarf an naturkundlichen Lehrmitteln nahm zu. Zugleich war es aber kaum möglich, wirbellose Meerestiere befriedigend auszustellen. Die übliche Konservierung in Alkohol oder Formalin ließ die Farben schnell verblassen und hinterließ am Ende relativ formlose Gebilde am Boden der Präparategläser. Die Glasmodelle hingegen zeigten dauerhaft die natürliche Schönheit der Objekte. Der große Erfolg der Modelle lag aber in erster Linie an der besonderen Fähigkeit Leopold Blaschkas, seine Objekte naturgetreu aus farbigen Gläsern herzustellen. Dabei kam ihm sicher zugute, dass er als gelernter Goldschmied auch mit der Metallverarbeitung im filigranen Bereich vertraut war. Ein Problem dabei war, genaue Vorstellungen vom Aussehen der Tiere zu erhalten. Leopold Blaschka nutzte Abbildungen aus Büchern und trat auch in Kontakt zum berühmten Zoologen und Darwinisten Ernst Haeckel (1834-1919) in Jena, der selbst künstlerisch sehr begabt war und über mehrere Gruppen wirbelloser Meerestiere wissenschaftlich gearbeitet hat. Dieser lieh Leopold Bücher aus, damit er Kopien der Abbildungen zeichnen konnte. So wurden die Glasmodelle tatsächlich zu einem internationalen Erfolg. Sie wurden weltweit vertrieben und mehrere undatierte Verkaufskataloge erschienen in den siebziger Jahren. 1873 gab Leopold Blaschka die Schmuckherstellung auf und fertigte nur noch Modelle von Meeresbewohnern an. In dieses Geschäft stieg auch Sohn Rudolf ein, der 1857 noch in Aicha geboren wurde. Er hatte die hohe zeichnerische Begabung des Vaters geerbt und nach Einschätzung des Vaters diesen noch übertroffen. Der Sohn erhielt seine schulische Ausbildung dann schon in Dresden und unternahm als junger Mann auch Exkursionen an die Adria, um lebende Exemplare studieren zu können. Der Vater kaufte 1876 für ihn einen zweiten Glasbläsertisch, so dass beide unabhängig voneinander in der gemeinsamen Werkstatt arbeiten konnten.

Zu einer weiteren wesentlichen Veränderung im Leben der Blaschkas kam es nun im Jahr 1886. Der erste Direktor des Botanischen Museums der Harvard Universität in Cambridge (Massachusetts) Professor Dr. George Lincoln Goodale (1839-1923) hatte nämlich bei der Suche nach Möglichkeiten, eine museale Ausstellung von Pflanzen attraktiver zu gestalten, im Zoologischen Museum die Glasmodelle der wirbellosen Tiere aus der Produktion der Blaschkas entdeckt. Er war nun eigens nach Dresden gereist, um mit Leopold Blaschka und seinem Sohn zu verhandeln, ob sie auch Modelle von Blütenpflanzen für sein Museum herstellen könnten. Diese Verhandlungen waren nicht einfach, da die Blaschkas mit den Tiermodellen ein weltweit erfolgreiches Geschäftsmodell entwickelt hatten und damit ein zufriedenstellendes Einkommen hatten. Man war 1887 in ein eigenes, neu erbautes Haus mit Werkstatt in Hosterwitz gezogen. Letztendlich konnte Goodale aber die Blaschkas doch dazu bringen, einige gläserne Modelle von Blütenpflanzen für Harvard herzustellen. Diesen ersten Modellen war jedoch kein gutes Schicksal beschieden, da sie durch unsachgemäße Behandlung beim amerikanischen Zoll stark beschädigt wurden. Sie überzeugten aber dennoch Professor Goodale von der hohen Qualität der Arbeiten aus der Werkstatt Blaschka. Unterstützt wurde er in dieser Ansicht auch von einer Reihe von Personen, die diese Modelle sahen. Unter ihnen waren Elizabeth C. Ware und ihre Tochter Mary Lee Ware (1858-1937). Sie drängten Dr. Goodale, weitere Modelle zu bestellen und waren bereit, diese in Erinnerung an den verstorbenen Ehemann bzw. Vater Dr. Charles Eliot Ware (1814-1887), einem prominenten und wohlhabenden Bostoner Arzt, zu finanzieren. Die Blaschkas waren bereit, die Hälfte ihrer Arbeitszeit für die Herstellung der Pflanzenmodelle zu verwenden und gleichzeitig die erfolgreiche Produktion der Tiermodelle fortzusetzen. Im April 1887 erreichte die neue Lieferung von 20 Modellen New York und wurde aufgrund einer vorherigen Vereinbarung direkt nach Cambridge geliefert und erst hier im Beisein des Zolls geöffnet. In den nächsten Jahren teilten die Blaschkas ihre Arbeitszeit weiterhin auf, überlegten sich aber 1890, künftig nur noch in einem Bereich arbeiten zu wollen. Daraufhin kam es zu einem Zehnjahresvertrag zwischen ihnen und Dr. Goodale, der im Auftrag von Elizabeth C. und Mary Lee Ward agierte. Gegen eine jährliche Zahlung von 8.800 Mark sollten die Blaschkas von nun an ausschließlich für Harvard arbeiten. Mit dem Fortgang der Arbeiten war es aber auch notwendig geworden, weitere insbesondere tropische Pflanzen zu studieren. Rudolf Blaschka reiste zu diesem Zweck 1892 in die USA und in die Karibik, wo er detaillierte Zeichnungen als Grundlage für spätere Modelle anfertigte. Eine zweite Studienreise Rudolfs nach Nordamerika im Jahr 1895 wurde dann vom Tod des Vaters am 3. Juli überschattet und führte zum vorzeitigen Abbruch, nachdem Rudolf die traurige Nachricht erhalten hatte. Rudolf Blaschka setzte nun allein die Arbeit an den Blütenmodellen fort und die Verträge mit Harvard wurden bis zum Tod des Sohnes immer wieder verlängert. Am Ende war das Botanische Museum der Harvard Universität so in den Besitz von 847 Pflanzenmodellen in natürlicher Größe, sowie ca. 3.000 Modellen von Blütendetails oder Querschnitten gelangt.

Diese einzigartige Sammlung genießt heute höchste Wertschätzung und das Lebenswerk von Leopold und Rudolf Blaschka wurde in zahlreichen Veröffentlichungen gewürdigt. Das Corning Museum of Glass präsentiert ebenso wie das Harvard Museum of Natural History im Internet umfangreiche Informationen einschließlich Videofilmen zur Geschichte der Modelle und ihrer Entstehung. 2006 wurde eine erste internationale Konferenz zum Thema der Modelle und ihrer Erhaltung in Dublin durchgeführt und Sonderausstellungen fanden in der Zeit nach der Jahrtausendwende an mehreren Orten statt, beispielsweise 2006 in Tübingen, 2008 im englischen Tring (Natural History Museum) oder 2016 in der Hamiltons Gallery in London. Im Wiener Naturhistorischen Museum werden Blaschka-Modelle von Wirbellosen des Meeres seit 2016 und in Genf seit 2008 wieder im Rahmen der Dauerausstellungen gezeigt.

Werke: Marine Aquarien mit Actinien, Blumenpolypen u.s.w. zur Zierde für elegante Zimmer wie zur Belehrung für Unterrichtsanstalten und für Museen künstlich und höchst naturgetreu dargestellt. Dresden: Eigenverlag (~1870). – Wenig bekannte Seethiere, welche man in natürlichen Exemplaren in Sammlungen nicht aufbewahren kann in höchst naturgetreuen lebensfrischen und dauerhaften Modellen. Dresden: Eigenverlag (~1872).

Lit. (Auswahl): Koch, H./ Koch, H.-J.: Blaschka/ Gläserne Geschöpfe des Meeres. München & Hamburg: Dölling & Galitz (2007). – Dufek, V./ Gelnar, M: Blaschkas Glaswelt. Prag: Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds (2012). – Rossi-Wilcox, S. M./ Whitehouse, D.: Drawing upon nature: studies for the Blaschkas’ glass models. Corning (New York): The Corning Museum of Glass (2007). – Schultes, R. E./ Davis, W. A.: The glass flowers at Harvard. Cambridge (Mass.): Botanical Museum of Harvard University (1992). – Wiegmann, K./ Niepelt, M. (2006): Kunstformen des Meeres. Zoologische Glasmodelle von Leopold und Rudolf Blaschka 1863-1890. Tübinger Kataloge 74.

Bild: Corningmuseum, gemeinfrei

Peter Scholz