Biographie

Blaschke, Paul

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Domkapellmeister, Komponist
* 24. Mai 1885 in Hultschin, Kr. Ratibor/Oberschlesien
† 10. März 1969 in Isselburg-Anholt/Kr. Borken

Am Fest „Kirchweihe der Kathedrale“ 1925 trat der 40jährige Dr. Paul Blaschke die Stelle des Domkapellmeisters der ausgedehnten Diözese Breslau an. Diese reichte von der Tatra bis zur Ostsee, die Reichshauptstadt Berlin und der Delegaturbezirk Brandenburg und Pommern gehörten zu ihr. 1930 wurde Breslau zum Erzbistum erhoben, Berlin, Ermland und die Freie Prälatur Schneidemühl wurden als Suffraganbistümer unterstellt. Wie die Vorgänger B. Hahn und M. Filke hatte Blaschke seine musikalische Tätigkeit als Domsingknabe begonnen.

Am 24. 5.1885 in Hultschin, Kr. Ratibor, geboren, jenem Südostzipfel Schlesiens, wo deutsches, mährisches und polnisches Volkstum eng benachbart waren, entstammte er einer musikalischen Ackerbürger- und Handwerkerfamilie. Die ersten musikalischen Anregungen empfing er im Elternhaus sowie in Schule und Kirche des Heimatortes. In der Karwoche 1898 wurde er als „Dompfeifer“ ohne Prüfung von M. Filke angenommen, weil der ältere Bruder Richard den Domkapellmeister von der hohen Musikalität der Familie überzeugt hatte. Nach dem Abitur studierte Blaschke wie zwei seiner Brüder Theologie und wurde 1909 zum Priester geweiht. Nach Kaplansjahren an St. Mauritius, Breslau, nahm er am 1. Weltkrieg als Feldgeistlicher einer schlesischen Landwehr teil. Nach Kriegsende wurde er zum Domvikar ernannt. Vor und nach dem Krieg betrieb er Musikstudien: beim Organisten der Kreuzkirche E. Bohn Orgelspiel, beim Konzertmeister des Theaters Violinspiel, beim Domkapellmeister S. Cichy Komposition, in der Benediktinerabtei Beuron gregorianischen Choral, beim Ordinarius für Musikwissenschaft der Universität M. Schneider Musikwissenschaft. Im Oktober 1925, als Blaschke die musikwissenschaftliche Promotion gerade abgeschlossen hatte, starb Domkapellmeister Cichy. Das Domkapitel wählte Blaschke zum Nachfolger.

Zwei Jahrzehnte durfte er das Amt des Domkapellmeisters von Breslau ausüben. Durch die nationalsozialistische Regierung und durch den 2. Weltkrieg war dieses Wirken überschattet. In drei Punkten sei erwähnt, wie die Zeitereignisse seine Arbeit behinderten: a) Die Zusammenarbeit mit dem Breslauer Rundfunk wurde nach 1933 nicht fortgesetzt; b) Nach Kriegsbeginn wurde das Domorchester wegen der hohen Kriegsabgaben der Erzdiözese eingeschränkt; c) Anfang Mai 1944 mußten die Singknaben des Domchors mit den anderen Schülern Breslau verlassen. Eine Ausnahmegenehmigung wurde verweigert. Der Domkapellmeister führte die Dommusik mit den verbliebenen Männerstimmen und mit Frauenstimmen der benachbarten Pfarreien St. Maria und St. Michael weiter.

Die Leitung der Musik zur Beerdigung von Kardinal A. Bertram im Juni 1945 war Blaschkes letzte Amtshandlung als Domkapellmeister. In dem sudeten-schlesischen Städtchen Jauernig, wo der Kardinal auf Schloß Johannesberg, dem Sommersitz der Breslauer Fürstbischöfe, gestorben war, fand die Trauerfeier statt. Als Abschiedsgruß für den hochverehrten Kirchenfürsten hatte Blaschke die Antiphon „In pace in idipsum dormiam“ vertont. Der Kirchenchor von Jauernig sang sie unter seiner Leitung.

Zu den Aufgaben des Domkapellmeisters gehörte der Unterricht in gregorianischem Choral in Theologenkonvikt und Priesterseminar. Um die kirchenmusikalische Ausbildung des künftigen Klerus gründlicher zu gestalten, hatte der Domkapellmeister erreicht, daß Studenten und Alumnen an Sonn-und Festtagen während des Semesters die Gesänge des Proprium Missae in der Kathedrale sangen. Das waren meist Introitus, Alleluja und Communio. Graduale und Offertorium trug der Domchor in mehrstimmiger Vertonung vor. Die Aufführungsverzeichnisse seiner 20jährigen Amtszeit konnte Blaschke retten, im „Archiv für schlesische Kirchengeschichte“ 1969 und 1971 sind sie publiziert. Dadurch ist belegt, welche Kulturarbeit dieser schlichte Domkapellmeister leistete. Neben den Arbeiten der „Breslauer Schule“ pflegte er die schlesischen Altmeister Th. Stoltzer, J. Nucius, S. Braunstein. Die Kompositionen des 17./18. Jh. zu erforschen und zu edieren, hatte die schlesische Musikforschung versäumt, obwohl etwa 1500 Titel schlesischer Klostermusikalien dieser Zeit in ihren Arbeitsräumen lagerten. Von lebenden schlesischen Komponisten wurden Werke von H. Buchal, H. M. Dombrowski, V. Friedrich, J. Kobeck, G. Strecke, K. Thiel u.a musiziert. Blaschke selbst komponierte 6 Messen, 1 Requiem, mehrere Gradualien und Offertorien sowie schlichte Fronleichnamsgesänge für das Kriegsjahr 1943. Aus dem allgemeinen Repertoire traten hinzu Titel von Josquin dès Prés, G. P. da Palestrina, O. di Lasso, T. L. de Victoria, H. L. Haßler u.a. Besonders am Herzen lagen ihm die Kirchenkompositionen A. Bruckners. Die räumliche Enge auf der Orgelempore zwang zur Beschränkung auf a cappella-Motetten und ermöglichte die e-moll-Messe nur mit der simplifizierenden Orgelbegleitung V. Gollers. Aus dem gleichen Grund waren die Messen J. Haydns. W. A. Mozarts, L. van Beethovens, K. M. Webers, F. Schuberts ausgeschlossen. Rundfunksendungen und Aufführungen im Breslauer Konzerthaus machten andersgläubige Schlesier mit der Leistungsfähigkeit des Domchors bekannt. Die Darbietungen bei der 26. Generalversammlung des Allgemeinen Cäcilienvereins im Oktober 1935 ließen die fachkundigen Teilnehmer aus den deutschsprachigen Diözesen aufhorchen. Der Breslauer Domchor gehörte seitdem zu den besten deutschen Kathedralchören. Nach der Ausweisung im Jahre 1946 kehrte Blaschke in die Seelsorge zurück. In Oldenburg, Schloß Darfeld und Anholt, westlich Bocholt, war er tätig. Im letztgenannten Ort ist er am 11. März 1969 gestorben. Auf dem Zentralfriedhof von Münster/Westf. wurde er beerdigt.

Lit.: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 27 (1969) und 29 (1971); A. Schmitz, Paul Blaschke, in: Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 15, Kassel 1973, 839; R. Walter, Die Breslauer Dommusik von 1805-1945, Dülmen 1981, 152 ff.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Blaschke

Rudolf Walter