Biographie

Blaskowitz, Stefan

Herkunft: Donaugebiet
Beruf: Dramatiker, Epiker, Mundarterzähler
* 25. Juli 1912 in Batsch
† 2. Januar 1994 in Wien

Blaskowitz studierte in Zagreb Theologie, erwarb die Lehrbefähigung in Kalocsa, wirkte als Religionslehrer (Hauptschule, Präparandie) in Subotica und Sombor, nach dem Krieg als Priester in Bruck a. d. Mur, ab 1953 in der Wiener Pfarre St. Nepomuk (Religionsprofessor u. Fachinspektor an AHS), lehrte an der Volkshochschule Urania, veröffentlichte Lehrbücher für die 7. u. 8. Klasse AHS, auch zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften, in denen er versuchte, Interesse und Verständnis für die Heilige Schrift zu wecken.

Knapp vier Dutzend kleine Erzählungen in Batscher Mundart versammelt der Band Wie mir Schwowe verstande henn zu lewe. Einleitend duzt der als „Schwowefratz“ auftretende Autor den Leser und schlägt einen gleichsam konspirativen Insider-Ton an, möchte aber demgegenüber weit über seine Bat­scher Landsleute hinaus Leser finden, ja sich einem Wettbewerb zwischen den donauschwäbischen Gemeinden um die lustigsten Geschichten der durchtriebensten Spitzbuben stellen. Humoresken, Schnurren und Grotesken, wie das Leben der Vorkriegszeit sie mit sich brachte, werden aus der Erinnerung wiedergegeben, angefangen damit, welche Recherchen der Halbwüchsige der Herkunft von Kindern widmet, bis hin zu der Frage, wie man seine Eltern erzieht. Der Leser erhält beiläufig und auf amüsante Weise Einblicke in die dörfliche Vorstellungswelt und Alltagskultur der Donauschwaben.

Sinn und Wert eines Menschen und eines ganzen Volkes, postuliert Blaskowitz, können nicht aus einzelnen Akten und Ereignissen, sondern nur aus der Gesamtheit eines vollendeten Lebens, einer schon abgeschlossenen Geschichte verstanden werden. Nur so könne man Schuld und Unschuld aller Beteiligten ohne Verbitterung und Leidenschaft nüchtern betrachten und beurteilen. Das Schwabenepos (1987) ist der in prosaischer Sprache gehaltene, nur leicht rhythmisierte, passagenweise mehr räsonierende als darstellende Versuch, die Geschichte der „Schwaben“ von der Ansiedlung im Donauraum im 18. Jahr-hundert bis zu Flucht, Vertreibung und Vernichtung im Zweiten Weltkrieg mit dem langen Atem der Epik als Ganzheit zu behandeln, und zwar innerhalb der Lebenszeit der Hauptfiguren Schwabenmichl und Jurg, Vroni und Martha, die historische Dimensionen verkörpern und die zweihundertjährige Stammesgeschichte quasi persönlich durchleben. Das Epos ist in fünf Gesänge aufgeteilt, die für fünf geschichtliche Epochen stehen, denen wiederum die fünf charakteristischen Akte eines Dramas entsprechen: Ausgang, Entfaltung, Konflikt, Lösung und Läuterung. Der tragische Knoten schürzt sich am politischen Desinteresse des nur um sein Fortkommen besorgten Schwaben, der vor lauter Fleiß blind wird für das Weltgeschehen und unfähig, sich eindeutig für das Reich zu entscheiden oder sich unbeteiligt zu verhalten. „Das Drama seiner Lebensgeschichte mündet in die Tragödie des Verderbens für sich und seine Heimat.“

In seinem unveröffentlicht und ungespielt gebliebenen Künstlerdrama Michelangelo entfaltet Blaskowitz in vier Akten den Konflikt des Bildhauers zwischen an Hybris grenzender Genialität und Sehnsucht nach privatem Glück. In seinem Durst nach Ewigkeit verliert Michelangelo seine irdische Existenz aus den Augen, er lebt in größter Bescheidenheit und trachtet nicht danach, seinen sozialen Stand zu verbessern. Ihm liegt allein daran, gottgleich in seiner Kreation zu leben. Erst nachdem er mit der Sixtina sein Lebenswerk vollendet und ein Gegenstück zur Weltschöpfung erschaffen hat, krönt die Begegnung mit der Frau seines Lebens die Tragödie, am Lebensglück gescheitert zu sein.

Wer hat unsere Väter ermordet? ist ein schwäbisches Drama in fünf Akten, gleichfalls unveröffentlicht und nie zur Aufführung gekommen. Auf Rhythmus, Reim und Versmaß wird zugunsten einer größeren Realitätsnähe verzichtet. Der erste Akt zeigt die Spannung vor der Flucht im Sommer 1944, der zweite den Einbruch der Partisanen ins Donauland, das Lagerleben und die Verschleppung, der dritte analysiert das persönliche Schicksal der Vertriebenen, der vierte veranschaulicht das Ringen der Donauschwaben um Existenz und Sinn in der neuen Heimat, und der fünfte Akt gipfelt in dem Resümee, dass der „Schwabe“ durch den erfahrenen Schmerz in seiner Migranten­ge­schich­te seelischen Reichtum und völkerverbindende Kompetenz angesammelt habe, die er zusammen mit seiner ungebrochenen Lebens- und Genussfreude stärkend ins Land der Ahnen als anpassungsbereiter Heimkehrer zurückbringe.

Werke: Batsch. Geschichte einer tausendjährigen Stadt in der Batsch­ka, Freilassing 1965. – Dr Schwowefratz vrzählt. Wie mir Schwowe verstande henn zu lewe, Wien 1987. – Das Schwabenepos. Gang der Donauschwaben durch die Geschichte, Wien 1987. – Michelangelo. Künstlerdrama (Manuskript). – Wer hat unsere Väter ermordet? Drama in fünf Akten (Manuskript).

Stefan P. Teppert