Biographie

Blätterbauer, Theodor

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler, Graphiker
* 24. Dezember 1823 in Bunzlau
† 30. Juni 1906 in Liegnitz

Theodor Blätterbauer zählt zu den wichtigsten Landschafts- und Architekturzeichnern Schlesiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zurückgezogen und wenig vom Erfolg verwöhnt arbeitete der gebürtige Bunzlauer 52 Jahre in seiner Wahlheimat Liegnitz. Dort schuf er hunderte von Zeichnungen und Aquarellen mit Ansichten schlesischer Städte und Landschaften, zahlreiche Ölgemälde sowie kalligraphische Arbeiten für schlesische Vereine.

Wegen ihres dokumentarischen Werts werden heute vor allem seine Ansichten hoch geschätzt. Als Stahlstiche, Lithographien und Holzschnitte dienten sie als Illustrationen für bedeutsame Bildwerke wie Alexander Dunckers groß angelegte Edition über die ländlichen Wohnsitze des preußischen Adels oder Franz Schrollers dreibändige Ausgabe über Schlesien. Da ein Großteil seines Werkes nach dem Zweiten Weltkrieg verschollen ist, sind die erhaltenen Ansichtenwerke zugleich die wichtigsten Belege für Blätterbauers Arbeit. Sie dokumentieren nicht nur sein großes zeichnerisches Talent, sondern auch seinen unermüdlichen Fleiß, mit dem er sich, allen Widrigkeiten zum Trotz, seinen Weg zur Kunst bahnte.

Theodor Bernhard Rudolf Blätterbauer wurde am Heiligabend 1823 in Bunzlau als Sohn des Kaufmanns Johannes Norbert Blätterbauer aus Wodnian/Böhmen und seiner aus Sagan stammenden Frau Dorothea, geb. Seidel, geboren. Bunzlau blieb jedoch nur eine kurze Episode, da sich der Plan des Vaters, hier einen Kolonialwarenladen zu führen, offenbar schnell zerschlug. Der Sohn verbrachte seine ersten Lebensjahre allein mit der Mutter bei der verwitweten Großmutter in Sagan, während sich der Vater in Wien und im böhmischen Reichenberg um eine neue berufliche Existenz bemühte.

Für die ersten fünf Schuljahre wurde der junge Blätterbauer zu Verwandten nach Reitwein bei Küstrin gegeben. Dann ließ ihn der Vater nach Prag holen, wo er durch den Besuch einer privaten Zeichenschule erstmals eine künstlerische Förderung erhielt, die ab 1835 in Reichenberg durch Privatunterricht fortgesetzt wurde. Für den normalen Schulunterricht zeigte der junge Blätterbauer sonst nur wenig Interesse und Begabung.

In Reichenberg lebte die Familie für kurze Zeit am gleichen Ort, wenn auch aus praktischen Gründen in verschiedenen Wohnungen. Der Vater hatte Arbeit als Buchhalter in einer Färberei gefunden und der Mutter eine Stellung als Gesellschafterin verschafft. Als die Eltern sich wenig später trennten, zogen Mutter und Sohn wieder nach Schlesien zurück, diesmal zu Verwandten nach Quaritz/Kreis Glogau.

1838, nach dem Abschluß der Schule in Frankfurt/Oder, wurde der fünfzehnjährige Blätterbauer gegen seinen Willen zum Glogauer Instrumentenbauer Vogel in die Lehre gegeben, die er aber bald gegen eine Lehre beim Buchbinder Kreuz eintauschte. Während seiner Lehrzeit bis 1842 bildete sich Blätterbauer autodidaktisch durch das Kopieren von Bildern weiter, wobei ihm unter anderem Ludwig Richter als Vorbild diente. Auch die darauf folgende Militärzeit 1843/44 wußte er für seine künstlerischen Interessen zu nutzen.

1845/46 wurde ein Aufenthalt in München, der wegweisend für seine künstlerische Entwicklung werden sollte, durch die finanzielle Unterstützung von Seiten des Vaters möglich. Hier übte sich Blätterbauer weiter im Kopieren und Zeichnen und sammelte zusätzlich neue Erfahrungen auf einer Reise 1846/47, die ihn über Ungarn bis nach Belgrad und von dort Donau aufwärts wieder nach München führte. Dort erfüllte sich 1848/49 sein lang gehegter Wunsch, an der bedeutenden Kunstakademie angenommen zu werden. Eine erhaltene Urkunde, unterschrieben vom Direktor Wilhelm von Kaulbach, belegt den Besuch der Antikenklasse; außerdem erwähnt sein erster Biograph Pfudel als Lehrer Raps, Ferdinand Stademann und Julius Lange. Den Abschluß seiner Studien bildete eine Reise in die Alpen.

1849 ließ sich der junge Künstler im schlesischen Glogau als freischaffender Kunstmaler nieder. Obwohl er durchaus Erfolg hatte, reichte sein Verdienst nicht für eine Heirat mit der verwitweten Tochter des Glogauer Hotelbesitzers Petermann aus, die zwei Söhne zu versorgen hatte. Blätterbauer nahm deshalb 1854 die Stellung eines Lehrers an der Kgl. Ritterakademie in Liegnitz an, nachdem er 1853 an der Berliner Bauakademie eine kurze Weiterbildung zum Zeichenlehrer absolviert hatte. Nebenbei erteilte er Privatstunden, unterrichtete an der Provinzialgewerbeschule und wirkte überdies an der damit verbundenen Handwerker-Fortbildungsschule.

Während der Liegnitzer Jahre beteiligte sich der Künstler wiederholt mit heute meist unbekannten Gemälden an Ausstellungen in Berlin, Breslau, Dresden, Leipzig, Hamburg und Antwerpen. Bekannt wurde er aber vor allem durch die Buchillustrationen, für die er häufig eng mit dem befreundeten Glogauer Verleger Carl Flemming zusammenarbeitete. Die Vorlagen entstanden auf seinen jährlichen Studienreisen, die ihn durch Schlesien, nach Italien, in die Alpen und an den Rhein führten.

Sein guter Ruf als Zeichner brachte ihm zuweilen durchaus ehrenvolle Aufträge ein. 1875 sollte er beispielsweise für Kaiser Wilhelm I. eine im Schloßhof zu Liegnitz abgehaltene Parade malen. 1883 beauftragte man ihn, Aquarelle von den Schlössern in Liegnitz und Breslau für die Silberhochzeit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm anzufertigen.

Seine Landschafts- und Architekturzeichnungen gefielen vermutlich allgemein wegen ihrer romantischen Stimmung. Künstlerisch verstand er es meisterhaft, seine kühl und akribisch gezeichneten Motive durch biedermeierliche Figurenstaffagen und effektvolle Beleuchtungen aufzuwerten. Mit seinen eher idealisierenden Bildern folgte der Künstler noch ganz dem Geist der Nachromantik, dem er auch mit seiner deutlichen Vorliebe für die Darstellung mittelalterliche Bauwerke verpflichtet war. Er setzte sich auch mehrfach für den Erhalt historischer Bausubstanz ein. Motive der modernen Industrialisierung spielten für sein Schaffen keine besondere Rolle.

In Liegnitz selbst blieb der Künstler trotz vieler Porträtaufträge lange Zeit eher unbekannt. Erst 1897, im Alter von 74 Jahren, verschaffte ihm eine Ausstellung des neu gegründeten Liegnitzer Kunstvereins die gebührende Anerkennung. 1898 folgte daraufhin die Ernennung zum Professor durch den preußischen Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. 1904 veranstaltete der Geschichts- und Altertumsverein zu Liegnitz anläßlich seiner Gründung erneut eine Ausstellung. Blätterbauer schenkte dem Verein 1905 insgesamt 108 Aquarelle und Zeichnungen und wurde zum Ehrenmitglied ernannt.

Als der Künstler 1905 durch einen Schlaganfall gelähmt wurde, kauften der Verein und die Stadt Liegnitz zahlreiche Werke. Obwohl nach seinem Tod 1906 große Konvolute seines Werkes durch testamentarische Verfügung in die Sammlung des Breslauer Museums für Kunstgewerbe und Altertümer übergingen, gelang es, im Liegnitzer Rathaus (später im Museum) ein „Blätterbauerzimmer“ einzurichten, das auch Teile seines Ateliers enthielt. Noch heute befinden sich wertvolle Dokumente zu seinem Leben im Staatsarchiv von Liegnitz. Seltene Originalarbeiten sind unter anderem im heutigen Liegnitzer Museum zu finden, ebenso im Nationalmuseum Breslau, im Kunstforum Ostdeutsche Galerie (Regensburg), im Schlesischen Museum zu Görlitz, in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, in der Liegnitzer Sammlung Wuppertal und in Privatbesitz. Der Verbleib vieler Werke ist jedoch unbekannt.

Lit. (Auswahl): Ernst Pfudel, Professor Theodor Blätterbauer, ein niederschlesischer Maler, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins zu Liegnitz, Heft 3 (1909/10), S. 193-237. – Vera Schmilewski, Romantisches Schlesien. Bilder von Theodor Blätterbauer, Würzburg 1993. – Theodor Blätterbauers Darstellung von Liegnitz und Schlesien der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.Ausstellungskatalog Muzeum Okręgowe w Legnicy, Legnica 1993. – E. Springer, Th. Blätterbauer. Zwei bedeutende niederschlesische Künstler, bearb. von Hans-Joachim Henske, Beiträge zur Liegnitzer Geschichte, 29. Bd., hrsg. von der Historischen Gesellschaft Liegnitz e.V., Hofheim/Taunus 1999. – Rainer Sachs, Blätterbauer Theodor, in: Lexikon der bildenden Künstler und Kunsthandwerker Schlesiens bis 1945, 1. Bd., Breslau 2001, S. 449-454.

Illustrierte Werke (Auswahl): Alexander Duncker (Hrsg.): Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterlichen Grundbesitzer in der preußischen Monarchie, nebst den königlichen Familien-, Haus-, Fideicomiß- und Schatullgütern (Lieferung zu Schlesien und der Provinz Posen), Berlin 1853-1881. – Hermann Luchs, Schlesische Fürstenbilder des Mittelalters, Breslau 1872. – Heinrich Noé, Deutsches Alpenbuch. Die deutschen Hochlande in Wort und Bild. Mit Holzschnitten von A. Cloß, Klitzsch und Rochlitzer nach Th. Blätterbauer und G. Sundblatt, 2 Bde., Glogau 1875-1876. – Schroller, Franz: Schlesien. Eine Schilderung des Schlesierlandes, 3 Bde., Glogau 1885-1888, unveränderter Nachdruck Frankfurt/M. 1980.

Bild: Theodor Blätterbauer, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins zu Liegnitz, Heft 3 (1909/10), vor S. 193.

Johanna Brade