Biographie

Blücher von Wahlstatt, Gebhard Leberecht

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: General, Oberbefehlshaber der preußischen Armee
* 16. Dezember 1742 in Rostock
† 12. September 1819 in Krieblowitz, seit 1937 Blüchersruh/Schlesien

Der Breslauer Philosophieprofessor Heinrich Steffens, ein Zeitgenosse und zeitweiliger Mitstreiter Blüchers, hat diesen als „das völlig Inkommensurable des wunderbaren Krieges“, also der Befreiungskriege 1813-1815, bezeichnet. „Man kann ihn“ so schrieb er in seinen Erinnerungen, „dem kühnen Napoleon gegenüber, der eine neue Kriegsführung bildete, nicht einen großen, besonnenen Feldherrn nennen, und dennoch hat er als ein solcher und mit Recht einen unsterblichen Ruhm erworben. In seiner Rede ließ er sich unbefangen gehen, und man glaubte den rohen, ungebildeten Husarenoffizier zu hören: und dennoch brach eben seine Rede, die Sprache auf eine wunderbare Weise beherrschend, in bedeutenden Augenblicken so gewaltsam hervor wie die keines Feldherrn der neuern Zeit. Er war eben der Mann des Augenblicks, des gegenwärtigen Moments, aber als solcher von grundloser Tiefe … [Sein] Entschluß war … Napoleons Vernichtung; der entschiedene Haß gegen diesen Tyrannen war mit der zum Instinkt gewordenen Überzeugung, er sei zu seiner Vernichtung berufen, aufs engste verschmolzen, und so handelte er mit der Sicherheit des Instinkts …“

Blücher, nach Typus und Sprache Niederdeutscher, war der zweitjüngste von sieben Söhnen eines verabschiedeten kurhessischen Rittmeisters. Er wurde bereits mit 15 Jahren auf der Insel Rügen schwedischer und im Siebenjährigen Kriege (1760) nach preußischer Gefangenschaft Husar Friedrichs des Großen. Nachdem er in dessen Dienst im Avancement übergangen worden war, und es gewagt hatte, in Bezug darauf in schroffster Form seinen Abschied zu fordern, beschied ihm König Friedrich: „Der Rittmeister von Blücher ist seiner Dienste entlassen; er kann sich zum Teufel scheren.“

Das fiel in das Jahr 1773. Blüchers unermüdliches Drängen auf Revision der königlichen Entscheidung war erst unter Friedrich Wilhelm II. erfolgreich; 1787 konnte er, der inzwischen Ehemann und Landwirt geworden war, unter die preußischen Fahnen zurückkehren – und zwar in sein altes Regiment und unter baldiger Beförderung zum Major. Im Ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich, 1793 und 1794 in Flandern und in der Pfalz, machte er als Oberst zuerst militärisch von sich reden, erwarb er sich den Ruf eines zweiten Zieten, um schließlich zum Generalmajor befördert zu werden. Bereits 1790 Witwer geworden, heiratete er im Sommer 1795, also 53jährig, die 22jährige Amalie von Colomb und wurde, nachdem er verschiedene Dienstposten in Westfalen versehen hatte und 1801 zum Generalleutnant befördert worden war, 1802 Gouverneur im neuerdings preußischen Münster. Hier arbeitete er mit dem Freiherrn vom Stein, damals der preußische Administrator Westfalens, zusammen. Aus dieser Zeit datiert Blüchers Zugehörigkeit zur Freimaurerei, deren humanitäre Ideale er durchaus ernstnahm.

Der Untergang des alten Preußen im Herbst 1806 zog auch Blücher in seinen Strudel; die Angriffe des nunmehr schon 60jährigen bei Auerstedt scheiterten, und schließlich fand er sich, inzwischen mit Scharnhorst in ein enges Verhältnis gekommen, in Lübeck wieder, in dessen Nähe er, bald ohne Munition und ohne Verpflegung, die Waffen strecken mußte. Selbst damals nicht ohne Zuversicht, schrieb er: „Wartet nur, Französeken, ich schlag Euch auch mal wieder!“

Blücher wurde im April 1807 nach einer Begegnung mit Napoleon gegen den französischen General Victor ausgetauscht, vom König zum Gouverneur von Pommern bestimmt (1809 General der Kavallerie), schließlich aber auf Napoleons Geheiß abberufen. 1813 endlich, nach dem russischen Winterdebakel des großen Korsen, kam es in Preußen zur Erhebung gegen diesen sowie zum Abschluß eines preußisch-russischen Bündnisses. Blücher erhielt das Kommando über die preußischen Feldtruppen; Scharnhorst wurde sein Generalstabschef, Gneisenau der Generalquartiermeister. Nachdem Blücher in der Schlacht bei Bautzen im Mai 1813 verwundet worden war, notierte der Freiherr vom Stein: „Seine Wunde ist fast verheilt. Er spricht von nichts als Schlachten und Kämpfen“. Doch der österreichische Staatskanzler Metternich suchte aus Sorge, das französische Übergewicht in Europa könne durch ein russisches ersetzt werden, einen Ausgleich mit Frankreich. Napoleon jedoch versagte sich dem, und so begann nach einem sommerlichen Waffenstillstand der Krieg einer nun auch Österreich einschließenden Koalition gegen ihn, in dem Blücher das Oberkommando der aus Preußen und Russen bestehenden Schlesischen Armee zufiel, wobei ihm (Scharnhorst war inzwischen an den Folgen einer Verwundung gestorben) Gneisenau als Generalstabschef zur Seite stand. Beide verkörperten jetzt und in Zukunft im Gegensatz zur auf Ausgleich bedachten Konvenienzpolitik der alten Mächte das Prinzip des auf Vernichtung des Gegners abgestellten modernen Nationalkrieges, das Napoleon heraufgeführt hatte und dem er erliegen sollte. Schon im Januar 1813 hatte Blücher an Scharnhorst geschrieben, jetzt sei es Zeit, „die ganze Nation zu den Waffen anzurufen, und wann die Fürsten nicht wollen und sich dem entgegensetzen, sie samt dem Bonaparte wegzujagen. Denn nicht nur Preußen allein, sondern das ganze deutsche Vaterland muß wiederum heraufgebracht, und die Nation hergestellt werden.“ Blüchers Sieg an der Katzbach (26. August), General Yorcks Elbübergang bei Wartenburg (3. Oktober), der Anteil des über 70jährigen Oberkommandierenden am Sieg in der Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober) und der Rheinübergang bei Kaub in der Neujahrsnacht 1814 waren die ersten glanzvollen Wegmarkierungen der Schlesischen Armee. Napoleon nach der Leipziger Schlacht bei Eisenach den Weg abzuschneiden gelang allerdings ebensowenig wie der Versuch, ihn von hinten zu fassen, nachdem sich ihm die Bayern bei Hanau vergeblich in den Weg gestellt hatten.

Doch nun verging wertvolle Zeit, bis man sich entschloß, den Krieg nach Frankreich hineinzutragen; Metternich wollte um der Wiederherstellung des alten Gleichgewichts willen nur eine Schwächung Frankreichs. Blücher nannte die Diplomaten „Schufte, die den Galgen verdienen“. Und so zügig seine Operationen in Frankreich mit dem Ziel Paris vorangingen – er besiegte Napoleon am 1. Februar 1814 bei Rothière und nach schmerzlichen Rückschlägen am 9. März bei Laon –, so sehr wurden sie nun durch Friedensverhandlungen Metternichs behindert; die Hauptarmee unter Schwarzenberg zeigte keinerlei Initiative mehr. Im Hauptquartier Blüchers, der vom König auf dem Schlachtfeld von Leipzig zum Feldmarschall befördert worden war, sprach man unumwunden von Verrat. Hatte Napoleon zunächst angesichts des kämpferischen Elans der Blücherschen Verbände seine Sache schon fast verloren gegeben, so zeigte er sich bei Verhandlungen in Châtillon vollkommen unnachgiebig. Daraufhin marschierten die Alliierten doch auf Paris, das Ende März 1814 eingenommen werden konnte. Blücher fehlte beim Einzug in die Stadt; ein schweres Augenleiden zwang ihn dazu, ein abgedunkeltes Quartier auf dem Montmartre zu beziehen. Im folgenden mußte er sogar vorübergehend sein Kommando niederlegen.

Blücher, der sein Leiden an der Politik (wie insbesondere 1808) immer wieder mit dem Verfallen in Krankheitszustände zu beantworten pflegte, ist mit den Ergebnissen der Pariser Friedensverhandlungen, die eine Wiederherstellung Frankreichs in den Grenzen von 1792 vorsahen, sehr unglücklich gewesen. Doch da wurden sie zu seiner Freude durch die Rückkehr Napoleons von seinem Verbannungsort Elba im März 1815 in Frage gestellt. Das Heer, das diesem entgegentrat, stand abermals unter der Führung Blüchers und Gneisenaus.

Jetzt machte „Marschall Vorwärts“ seinem Namen, den ihm 1813 die Russen beigelegt hatten, erst recht Ehre. Nach seiner Niederlage bei Ligny (16. Juni), die Blücher persönlich einen Sturz vom Pferd eintrug, konnte er am 18. Juni 1815 durch rechtzeitiges Eingreifen in die Schlacht bei Waterloo (Belle Alliance) zu dem entscheidenden Sieg über Napoleon ausschlaggebend beitragen. Der Weg nach Paris war abermals frei. Wie er im April aus Lüttich an seinen Vetter Blücher-Altona geschrieben hatte, hielt er es für „am klügsten …, noch etwas von Frankreich abzuschneiden“. Er glaubte nicht, daß die Franzosen dann noch ihren Nachbarn gefährlich wären. Er war entschlossen, dieses Mal einem Eingreifen seitens der Diplomatie zuvorzukommen, ja mit militärischen Verfügungen sogar Friedensbestimmungen vorwegzunehmen. „Ich werde das Eisen schmieden, weil es warm ist“, meldete er am 26. Juni, vor Paris, in einem Brief an seine Frau. Denn schon im April (in einem Brief an seinen Vetter) war sich Blücher „sicher“ gewesen, „daß die heutige Politik auch nun aufs neue wieder fehlgreifen wird.“ Er war so argwöhnisch und zugleich von seiner (auch politischen!) Mission durchdrungen, daß ihn schon eine königliche Entscheidung, die Beschießung gewisser Festungen auszusetzen, weil über deren Räumung mit den Franzosen verhandelt werde, am 26. Juli seinen Abschied fordern ließ. Und in einem Schreiben an Staatskanzler Fürst Hardenberg vom selben Tage verstieg er sich zu der Ankündigung, daß er sein „Betragen dem Könige, der Armee, der ganzen Nation und dem deutschen Vaterlande zur Entscheidung öffentlich vorlegen“ werde. Hardenberg und Gneisenau gelang unter großen Mühen eine Vermittlung. Hatte König Friedrich Wilhelm III. doch dem volkstümlichen Marschall durch die Verleihung eines eigens für ihn mit einem Strahlenkranz unterlegten Eisernen Kreuz, dem sogenannten Blücherstern, geehrt und ihn am 3. Juni 1814 in Paris zum Fürsten von Wahlstatt (bei Liegnitz) mit der Dotation der Herrschaft Trebnitz erhoben. In einem Schreiben vom 20. November 1815 an den Monarchen schmähte Blücher dessen ungeachtet die „sonderbare Versammlung, die bis jetzt unter dem Namen der bevollmächtigten Minister der verbündeten Höfe Europa beherrschte“ und auf dem Wiener Kongreß ein „elendes Machtwerk“ zustandegebracht habe, demzufolge „Preußen und Deutschland, trotz seiner Anstrengungen, … wieder als das Betrogene vor der ganzen Welt dasteht, und Englands Einfluß auf Deutschland sich ganz fest begründet.“ Doch der König gab seinen politischen Beratern den Vorzug (und verbot etwa auch die Sprengung der Jena-Brücke in Paris). Blücher war zuletzt in Frankreich erkrankt und erst im Januar 1816 wieder in Berlin. Überall gefeiert, erfreute er sich größter Volkstümlichkeit, die der Beliebtheit bei seinen Soldaten entsprach. In den ihm verbleibenden Jahren lebte er im Frühjahr in Karlsbad, im Sommer auf seinem schlesischen Gut Krieblowitz (im Kreis Breslau) und im Winter in Berlin, wo er dem Staatsrat angehörte, in dem er von Zeit zu Zeit das Wort ergriff. Er scheint sich auch für die Einlösung jenes Verfassungsversprechens eingesetzt zu haben, das König Friedrich Wilhelm III. 1815 gegeben hatte.

Lit.: W. von Unger: Blücher. 2 Bde. Berlin 1907 und 1908. – Ders. (Hrsg.): Blüchers Briefe. Stuttgart und Berlin 1913. – Roger Parkinson: Blücher. Der Marschall Vorwärts. München 1976 (engl. Originalausgabe 1975; TB 1979). – Eberhard Kessel: Blücher. In: Militärwissenschaftliche Rundschau 1942, S. 304-314. – Hans Haussherr: Blücher. In: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 317-319. – Gerhard Ritter: Staatskunst und Kriegshandwerk. Bd. 1. München 31965. – Frank Bauer: Gebhard Leberecht von Blücher. Der Volksheld der Befreiungskriege 1813-1815, Potsdam 2010.

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Denkmäler: Berlin, Rostock und Kaub a. Rhein

Bild: Kopf des Breslauer Standbilds von Christian Daniel Rauch (verschollen), Gipsabguß Nationalgalerie Berlin.

Peter Mast