Biographie

Bock, Fedor von

Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: Generalfeldmarschall
* 3. Dezember 1880 in Küstrin/Neumark
† 4. Mai 1945 in Oldenburg/Holstein

Auf einer Fahrt zu Feldmarschall von Manstein wurde Fedor von Bock bei einem Angriff britischer Jagdbomber in der Nähe von Lensahn (Holstein) kurz vor Kriegsende so schwer verwundet, daß er einen Tag später im Lazarett in Oldenburg (Holstein) verstarb. Bock entstammt einer alten preußischen Soldatenfamilie. Sein Urgroßvater war Regiments-Quartiermeister in einem Kürassier-Regiment, sein Großvater Major und 2. Kommandant von Magdeburg, sein Vater – als Bataillonskommandeur nach zweifacher Verwundung 1873 in den erblichen Adelsstand erhoben – Generalmajor und Kommandant von Torgau. Seine Mutter, Olga von Falkenhayn, war eine Schwester des preußischen Kriegsministers und späteren Chefs des Generalstabs des Feldheeres Erich von Falkenhayn. Nach dem Schulbesuch in Graudenz, Wiesbaden und Charlottenburg bei Berlin wurde Bock Kadett und am 1. Mai 1898 als Sekondeleutnant in das 5. Garde-Regiment zu Fuß (Spandau) überwiesen, in dem er als Zugführer, zur Militär-Turnanstalt kommandierter Hilfslehrer, Bataillons- und Regimentsadjutant Dienst tat. 1905 heiratete er Mally von Reichenbach, die ihm eine Tochter schenkte und bereits 1910 verstarb.

Im selben Jahre wurde Bock zum Großen Generalstab in Berlin kommandiert. Vom Herbst 1913 an gehörte er zum Generalstab des Gardekorps. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges nahm er an den Kämpfen der Westfront (Namur, St. Quentin, Arras, Ypern, Artois), 1915 als Erster Generalstabsoffizier dieses Korps im Osten am Durchbruch bei Gorlice-Tarnow und an der Offensive über den Bug hinaus, als Erster Generalstabsoffizier der 200. Infanterie-Division am Gebirgskrieg in den Karpaten und 1916 an der Abwehr der Brussilow-Offensive teil. Im April 1917 in den Generalstab des Oberkommandos der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz versetzt, erwarb sich Bock, seit Juli 1917 Erster Generalstabsoffizier, besondere Verdienste um die Anfangserfolge in der „großen Schlacht in Frankreich“, die am 1. April 1918 durch die Verleihung des Ordens Pour le mérite gewürdigt wurden. Dem Kronprinzen und seinem Chef des Generalstabs Graf von der Schulenburg war „dieser hochbegabte Offizier … durch seine unverwüstliche Frische in den Zeiten schwerster und entsagungsvollster Arbeit … eine nie wankende Stütze“. Bock zählte ebenso wie die Majore Beck und Freiherr von Fritsch zu den „weitblickenden Männern mit höchster Kultur und Bildung“ (v. Thaer, S. 278).

Nach dem Waffenstillstand im November 1918 wurde Bock schließlich als Erster Generalstabsoffizier dem Reichswehr-Gruppenkommando 1 zugeteilt. Am 6. Oktober 1919 neu vereidigt, verweigerte er seinem Befehlshaber, dem General von Lüttwitz, seine Teilnahme am Kapp-Putsch. Im Mai 1920 wurde Bock Chef des Stabes des Wehrkreiskommandos III (Berlin), das in den Krisenjahren der jungen Republik – angesichts des Wirkens der Internationalen Militärkontrollkommission – mit schwierigen, die Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik berührenden Fragen (Schwarze Reichswehr) konfrontiert wurde.

Nach 14jähriger Stabstätigkeit verbrachte Bock 18 Jahre in der Truppe und als Truppenführer. 1924 übernahm er die Führung des Jäger-Bataillons des 4. Preußischen Infanterie-Regiments in Kolberg. Zwei Jahre später wurde er Kommandeur desselben Regiments. Am 1. Februar 1929 zum Generalmajor befördert, wurde ihm als Nicht-Kavalleristen Ende des Jahres die Führung der 1. Kavallerie-Division in Frankfurt/Oder anvertraut, der die in Ostpreußen, Pommern und Brandenburg stationierten sechs Reiterregimenter unterstanden. Bereits 15 Monate später wurde er Kommandeur der 2. Division und Befehlshaber im Wehrkreis II (Stettin), dessen Truppen in Pommern, Mecklenburg und Schleswig-Holstein lagen. Nach seiner Beförderung zum General der Infanterie am 1. März 1935 übernahm Bock den Oberbefehl über die Heeresdienststelle Berlin, das spätere Gruppenkommando 3 (Dresden), dem das IV., VII. und XIII. Armeekorps (Dresden, München und Nürnberg) unterstanden. Unter Bocks Oberbefehl fand am 13. März 1938 der Einmarsch in Österreich statt. Am selben Tag übernahm er die Befehlsgewalt über das österreichische Bundesheer als Bestandteil der deutschen Wehrmacht und wurde am 15. März 1938 zum Generaloberst befördert. Im Herbst 1938 nahmen Truppen Bocks an der Besetzung der sudetendeutschen Gebiete teil. Als Nachfolger des Generaloberst von Rundstedt wurde Bock am 10. November 1938 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe 1, der das I., II., III. und VIII. Armeekorps (Königsberg, Stettin, Berlin und Breslau) unterstanden.

Im Vorfeld des Polenfeldzuges (Beginn: 1. September 1939) befaßte sich Bock mit der diesbezüglichen operativen Planung. Danach hatte seine „Heeresgruppe Nord“ die Aufgabe, mit der 4. Armee (v. Kluge) von Pommern aus die im „polnischen Korridor“ stehenden Feindkräfte zu vernichten und Ostpreußen zu erreichen, mit der 3. Armee (v. Küchler) von Ostpreußen aus nach Südwesten anzugreifen und die Festung Graudenz zu nehmen sowie mit dem Gros über Mlawa auf Warschau vorzustoßen. Es waren dies Ziele, die im allgemeinen planmäßig erreicht wurden. Im Frankreichfeldzug (ab 10. Mai 1940) war es zunächst Bocks Aufgabe, mit der 18. Armee (v. Küchler) die Niederlande zu besetzen, die niederländischen Streitkräfte auszuschalten und mit der 6. Armee (v. Reichenau) in Belgien die Grenzverteidigung zu zerschlagen sowie den Feind über die Linie Antwerpen – Namur zurückzuwerfen, ferner die Festung Antwerpen von Norden und Osten und die Festung Lüttich von Nordosten und nördlich der Maas abzuschließen. Entgegen allen von den Ereignissen des Ersten Weltkrieges her geprägten Erfahrungen gelangen die Operationen in einem ungeahnten Tempo, wobei sich Bock als Oberbefehlshaber seiner Heeresgruppe als ständig treibende Kraft betätigte, um mit möglichst geringen Verlusten schnell entscheidende Ergebnisse zu erzielen.

In der zweiten Phase des Westfeldzuges (ab 5. Juni 1940) gelang es Bocks Heeresgruppe B – bestehend aus der 4. (v. Kluge), 6. (v. Reichenau) und 9. Armee (Strauß) sowie der Panzergruppe Kleist -, einerseits den Anschluß zur links eingesetzten Heeresgruppe A (v. Rundstedt) zu halten und andererseits die wichtigsten Punkte in der Normandie und in der Bretagne (Le Havre, Cherbourg, Brest) in die Hand zu bekommen. Die neu eingeschobene 18. Armee (v. Küchler) stieß über Paris nach Süden vor. Die durch gewaltige Marschleistungen erzielten Erfolge schrieb Bock der Erhöhung der Beweglichkeit „durch stärkste Ausnutzung von Fahrrädern und erbeuteten Kraftfahrzeugen aller Art“, der „Schnelligkeit und dem forschen Zufassen der Führer“ und der oft „nur sehr mäßige Kampfkraft“ aufweisenden Vorausabteilungen „in Verbindung mit der schnell absinkenden Kampfmoral der Franzosen“ zu (Tagebucheintragung vom 17. 6. 1940).

Am 19. Juli 1940 wurde Bock zum Generalfeldmarschall befördert. Im Rußlandfeldzug (ab dem 22. Juni 1941) führte Bock die „Heeresgruppe Mitte“, bei der für die erste Operationsphase der Schwerpunkt lag. Außer der 2. (Freiherr v. Weichs), 4. (v. Kluge) und 9. Armee (Strauß) waren der Heeresgruppe die Panzergruppen 2 (Guderian) und 3 (Hoth) zugeteilt. In weit ausholenden Operationen gelang es der Heeresgruppe, zwei Einkreisungsschlachten – die Doppelschlacht von Bialystok und Minsk und die Schlacht am Dnjepr und an der Düna und um Smolensk – durchzustehen und dabei über 600000 Gefangene einzubringen. Während das Oberkommando des Heeres und das Oberkommando der Heeresgruppe Mitte es für richtig hielten, die bisherigen Erfolge zu nutzen und weiter in Richtung Moskau anzugreifen, um die zur Verteidigung der sowjetischen Hauptstadt herangeführten Kräfte noch vor dem Winter entscheidend zu schlagen, setzte sich Hitler mit seiner Absicht durch, zunächst die in den Flanken der Heeresgruppe stehenden Feindkräfte in Verbindung mit den Heeresgruppen Süd und Nord zu vernichten. Die Offensive gegen Moskau konnte daher erst am 2. Oktober fortgesetzt werden. In der Zwischenzeit hatte die sowjetische Führung frische ausgebildete Verbände aus dem Fernen Osten in den Raum um Moskau verlegt und die Verteidigungsfront durch improvisierte Kampfverbände verstärkt. Der frühzeitige Wintereinbruch ließ zudem schon bald erkennen, daß die deutschen Verbände auf den Winterkrieg nur unzureichend vorbereitet waren, daß das deutsche Transportwesen den Winterbedingungen nicht gewachsen war und daher auch die Versorgung der Fronttruppen nicht gewährleisten konnte. Als darüber hinaus noch Züge für den Transport deutscher Juden nach Minsk eingesetzt wurden, ließ Bock Generaloberst Halder, dem Chef des Generalstabes des Heeres, melden, er „würde dies mit allen Mitteln verhindern, da durch das Hereinführen dieser Züge die entsprechende Zahl für die Versorgung des Angriffs lebensnotwendiger Züge ausfallen müßte“ (Tagebucheintragung v. 12.11.1941).

Die durch die ständigen Angriffs- und Abwehrkämpfe eingetretenen hohen Verluste und die die physischen und psychischen Kräfte aufs äußerste in Anspruch nehmenden Anforderungen an die Truppe veranlaßten Bock zu ständigen Meldungen über deren Zustand. So schilderte er Ende November Halder gegenüber „die Gesamtlage dahin, daß, wenn es nicht in wenigen Tagen gelingt, die Nordwestfront von Moskau zum Einsturz zu bringen, der Angriff eingestellt werden muß; er würde nur zu einem seelenlosen, frontalen Abringen mit einem Feinde führen, der scheinbar noch über sehr große Reserven an Menschen und Material verfügt; ein zweites Verdun aber wolle ich nicht heraufbeschwören“ (Tagebucheintragung vom 29.11.1941).

Am 20. Januar 1942 übernahm Bock nach vierwöchigem Krankheitsurlaub die Führung der Heeresgruppe Süd, der die 11. Armee (v. Manstein), die 1. Panzerarmee (v. Kleist), die 6. Armee (Paulus) und die 17. Armee (Hoth) unterstanden. Gelang es in den Wintermonaten, die Front trotz schwerer Abwehrkämpfe zusammenzuhalten, brachte das Ende der Schlammperiode im Frühjahr wieder Bewegung in die Kriegführung. Marschall Timoschenko kam den deutschen Angriffsabsichten zuvor und versuchte, Charkow zurückzuerobern, wurde aber durch eine den Frontbogen westlich Isjum beseitigende Einkreisungsschlacht (17. und 6. Armee) gezwungen, seine bis unweit Charkow vorgestoßenen Verbände zurückzunehmen. Der 11. Armee gelang es, die Halbinsel Kertsch zurückzugewinnen und die Festung Sewastopol nach über halbjähriger Belagerung einzunehmen.

Ende Juni 1942 begannen die Operationen der in zwei Heeresgruppen geteilten deutschen Südfront aus der Linie Taganrog – Kursk. Die nördliche Heeresgruppe B stieß unter der Führung von Feldmarschall von Bock mit der 4. Panzerarmee (Hoth), der 6. Armee (Paulus) und der 2. Armee (Freiherr v. Weichs) auf den Don zwischen Weschenskaja und Woronesh vor. Mitten aus der schneller als ursprünglich erwartet verlaufenden Operation wurde Bock abgelöst und „zur Verfügung des Führers“ gestellt. Auf Bocks Frage nach dem Grund antwortete Feldmarschall Keitel, der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht: „Der Führer ist ungehalten, daß die beiden schnellen Divisionen von Woronesh nicht schneller nach Süden abgedreht wurden und daß ihre Betriebsstoffversorgung nicht in Ordnung war.“ Bock und seine engsten Mitarbeiter waren „wie vor den Kopf geschlagen“, während Bocks Nachfolger, Freiherr von Weichs, der sich eher für die monierte Verzögerung verantwortlich führte, ebenso überrascht war. Bock wurde während des ganzen weiteren Krieges nicht mehr verwendet.

Das Wichtigste, was Bock hinterlassen hat, ist sein während des ganzen Krieges geführtes persönliches Kriegstagebuch, das seine Tochter schon frühzeitig der Forschung zur Verfügung gestellt hat. Es kann als Ersatz für verlorene amtliche Kriegstagebücher seiner Heeresgruppe dienen und bildet eine wertvolle Ergänzung zu anderen Quellen. Es informiert über die Funktion, die der Oberbefehlshaber einer Heeresgruppe – in ständiger Auseinandersetzung mit dem Oberbefehlshaber des Heeres und dessen Generalstabschef sowie mit den ihm unterstellten Armeeführern um die Planung und Durchführung der Operationen und um die Erhaltung der Kampfkraft der Truppe – ausübte. Ausführungen zu Fragen der Versorgung, des Ersatzes, der Verhältnisse in den rückwärtigen Gebieten und der Abgrenzung gegenüber Machtansprüchen von Parteifunktionären zeugen von der Vielfalt der Probleme, mit denen sich Bock zu befassen hatte.

Die Tatsache, daß sich im Stabe des Oberkommandos der Heeresgruppe Mitte eine Widerstandsgruppe bildete, der unter anderen von Tresckow, Freiherr von Gersdorff, von Kleist, Graf Hardenberg, Graf Lehndorff und von Schlabrendorff angehörten, führte dazu, daß man im kleinen, vertrauten Kreise sehr offen über die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und die Möglichkeit, das System des „Dritten Reiches“ notfalls mit Gewalt zu beseitigen, sprach, ohne daß deswegen die rein militärischen Aufgaben in irgendeiner Weise vernachlässigt wurden. Tresckow versuchte mehrfach, seinen Oberbefehlshaber (und angeheirateten Vetter) für den Widerstand zu gewinnen. Bock war aber nicht bereit, Hitler seinen durch den Eid bekräftigten Gehorsam zu versagen. Wenige Tage vor dem 20. Juli 1944 informierte Graf Hardenberg, der nach Bocks Abgang im Juli 1942 sein Adjutant blieb, den in Ostpreußen auf dem Gut seiner Frau weilenden Feldmarschall, „daß in allernächster Zeit gegen dieses System gehandelt werden“ würde und daß er dabei beteiligt sei. Bocks Person „sei natürlich in keiner Weise belastet“. Hardenberg fühlte sich zu diesem Bekenntnis verpflichtet, hatte Bock „mir doch, obwohl politisch in keiner Weise meiner Auffassung, stets gestattet, meine Auffassung unumwunden zu äußern. Ja, ich hatte oft das Gefühl, daß er eine gegnerische Auffassung direkt suchte, ohne sich allerdings selber dazu durchringen zu können“ (Hammerstein, S. 10).

Bei dem Jabo-Angriff am 3. Mai 1945 fanden auch seine Ehefrau, Wilhelmine von Bock, geborene von Boddien, seine Stieftochter Katharina von der Osten und sein Fahrer den Tod.

Quellen: Bundesarchiv-Militärarchiv N 22 Nachlaß Fedor v. Bock, RH 19 II Bestand Heeresgruppe Nord/B/Mitte, RH 19 I Bestand Heeresgruppe Süd/B.

Lit.: Generaloberst Halder: Kriegstagebuch. Bearbeitet von Hans-Adolf Jacobsen. Bd. I-III, Stuttgart 1962-1964. – Kunrat Freiherr von Hammerstein: Flucht. Aufzeichnungen nach dem 20. Juli. Olten 1966. – Bodo Scheurig: Henning von Tresckow. 3. Aufl. Oldenburg 1973. – Rudolph Christoph Freiherr von Gersdorff: Soldat im Untergang, Frankfurt/M. 1977. – Albrecht von Thaer: Generalstabsdienst an der Front und in der O.H.L., Göttingen 1958. – Kurt von Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Bonn 2. Aufl. 1956.

Bild: Generaloberst von Bock (rechts) mit Adolf Hitler und Generaloberst von Brauchitsch, dem Oberbefehlshaber des Heeres (Mitte), wahrscheinlich am 1. Juni 1940 in Brüssel; Heinrich Hoffmann, Berlin.

Friedrich-Christian Stahl