Friedrich der Große bemerkte 1752 in seinem ersten Politischen Testament bei der einleitenden Behandlung der einzelnen preußischen Landesteile und ihrer Bewohner: „Die Pommern haben einen geraden und schlichten Sinn. Unter den Untertanen aller Provinzen eignen sie sich am besten für den Kriegsdienst wie für alle anderen Ämter.“ [Übersetzung von Friedrich von Oppeln-Bronikowski]. So nimmt es nicht wunder, daß sich seit der Inbesitznahme Hinterpommerns durch die Hohenzollern 1648 eine große Anzahl von aus alten pommerschen Geschlechtern stammender Personen im Dienste der Kurfürsten von Brandenburg bzw. der Könige von Preußen findet.
Eine dieser Familien waren die von Borckes, die auf altem Familienbesitz, der u.a. Klebow, Zetzin, Labes, Wangerin, Regenwalde, Pansin, Wuhrow, Buchholz sowie, als Zentrum, Falkenburg und Gersdorf umfaßte, begütert waren. In Gersdorf, nach eigener Angabe in autobiographischen Aufzeichnungen freilich in Falkenburg, wurde Caspar Wilhelm von Borcke am 30. August 1704 als ältester Sohn des Kanzlers der Neumark, Georg Mathias von Borcke, und seiner Gattin Elisabeth Maria, geborene von Blankenburg, geboren.
Bis zu seinem 16. Lebensjahr auf den Gütern Gersdorf und Falkenburg von Hofmeistern erzogen und unterrichtet, bezog Caspar Wilhelm von Borcke im Jahre 1720 das Gymnasium illustre in Danzig und wechselte, nach kurzem Besuch der Universität Königsberg, 1722 zur Vollendung seiner Studien, deren Schwerpunkt die Rechts- und Kameralwissenschaften bildeten, ohne freilich schöngeistige Inhalte zu sehr zu vernachlässigen, auf die Universität Halle über. Bereits 1724 vom Markgrafen Albrecht Friedrich in den Johanniterorden aufgenommen und mit einem Primariat auf die Komturei Schivelbein versehen, trat Borcke 1725 nach kurzem Aufenthalt auf den elterlichen Gütern eine längere Kavaliersreise an, die ihn u.a. für jeweils zwei Jahre nach England und dann nach Frankreich führte.
1730 schließlich kam Caspar Wilhelm von Borcke als Legationsrat in die Dienste Friedrich Wilhelms I. von Preußen. Nachdem sich eine Designation zum Gesandten am Hofe zu Kopenhagen aufgrund Bedenken der dänischen Regierung ob des jugendlichen Alters des potentiellen Geschäftsträgers zerschlagen hatte, wurde Borcke 1731 als außerordentlicher Gesandter zur Überbringung der Glückwünsche der preußischen Regierung anläßlich des Regierungsantritts des Herzogs Ludwig Rudolf nach Braunschweig entsandt. Im folgenden Jahr dann leitete er, wiederum in Braunschweig akkreditiert, die Verhandungen über die Vermählung des preußischen Kronprinzen Friedrich, des nachmaligen Königs Friedrich des Großen, mit der Prinzessin Elisabeth Christine, und geleitete diese, nach erfolgreichem Abschluß der Unterhandlungen, zur bevorstehenden Vermählung nach Berlin. In diese Zeit fällt auch der erste persönliche Kontakt mit Friedrich dem Großen, der von dort an bis zum Lebensende Borckes fortbestehen sollte.
Zum Geheimen Legationsrat ernannt, führte die nächste Mission Borcke zunächst nach Dresden, bevor er von 1733 bis 1737 das Amt des preußischen Gesandten in London ausübte. Ein Streit um die Anwerbung von Soldaten für das Leibregimernt des Königs, die „langen Kerls“, verursachte schließlich die Abberufung Borckes auf Druck der englischen Regierung, die den Gesandten, als Zeichen ihrer Mißstimmung, dann auch ohne Abschiedsaudienz entließ.
Borcke begab sich zunächst einige Zeit an den Hof des preußischen Kronprinzen nach Rheinsberg, wo sich ein von beiderseitigem hohen Respekt getragenes, vertrauliches Verhältnis mit Friedrich ergab, dann zu einem Besuch auf die elterlichen Güter, bevor Friedrich Wilhelm I. ihn 1738 als „Ministre plénipotentiaire“ an den kaiserlichen Hof zu Wien berief. Diese Ernennung ist, trotz oder gerade aufgrund des für Borcke unrühmlichen Endes der Londoner Dienstzeit, als großer Vertrauensbeweis anzusehen, denn zu dieser Zeit durften die preußisch-österreichischen Beziehungen, verursacht u.a. durch den Streit um die Erbfolge in den Herzogtümern Jülich und Berg und die wiederholten Versuche einer Instrumentalisierung Preußens als bloße Subsidiarmacht der Habsburger seitens Wiens, als recht gespannt und die Mission mithin als schwierig und einen versierten, ausgewiesenen Diplomaten erfordernd gelten.
Nach dem doppelten Regierungswechsel in Berlin und Wien 1740 führte Borcke, unterstützt durch den preußischen Oberhofmarschall Gustav Adolf Graf Gotter, intensive Verhandlungen mit der österreichischen Regierung bezüglich einer Abtretung zumindest eines Teils Schlesiens im Austausch für preußisches Wohlverhalten in dem sich nach dem Tode Kaiser Karls VI. abzeichnenden gesamteuropäischen Konflikt. Diese vielleicht vom König selbst nicht bis ins letzte als wirklich erfolgversprechend eingeschätzten und darum nicht mit höchster Anstrengung betriebenen Unterhandlungen, wurden nach dem preußischen Einmarsch in Schlesien, der am 16. Dezember 1740 begann, abgebrochen, und Borcke kehrte nach Berlin zurück.
Unmittelbar danach wurde er von Friedrich dem Großen zum „Wirklichen Geheimen Staats-, Kriegs- und Kabinettsminister der Auswärtigen Angelegenheiten“ berufen und, während Heinrich von Podewils in der Umgebung des Königs die eigentliche Außenpolitik bestimmte, mit vorwiegend administrativen Aufgaben betraut. Aufgrund seiner umfassenden Bildung und seiner Neigung zu Künsten und Wissenschaften lag es nahe, Borcke 1744 neben dem Grafen Gotter, dem Feldmarschall Gottfried Heinrich Leopold Graf von Schmettau und dem Geheimen Etats-Minister Adam Otto von Viereck zu einem der vier Kuratoren der grundlegend reformierten Akademie der Wissenschaften zu ernennen. Seit 1745 mit Sophie Charlotte von Kikoll, verwitwete von Buddenbrock, verheiratet, widmete sich Borcke neben seinen dienstlichen Aufgaben und der Pflege seiner kulturellen Interessen als Erbherr auf Labes, Regenwalde, Falkenburg, Gersdorf und Pansin, auch, allerdings überwiegend von Berlin aus, seinen umfangreichen Gütern.
In Berlin erlag Caspar Wilhelm von Borcke nach kurzer Krankheit am 8. März 1747 den Folgen einer Unterleibsentzündung und wurde in der Familiengruft der Borckes in Falkenburg beigesetzt. Die Trauerrede, früher stellenweise, aber wohl doch irrtümlich Friedrich dem Großen selbst zugeschrieben, hielt der Präsident der Akademie der Wissenschaften, der Philosoph und Naturforscher Pierre Louis Moreau de Maupertuis.
Borckes eigentliche, über seine diplomatischen Aktivitäten weit hinausgehende Bedeutung für die Nachwelt, liegt freilich auf dem Felde der Künste und Wissenschaften. Von den Zeitgenossen und insbesondere von Friedrich dem Großen aufgrund seiner profunden Bildung, seiner umfassenden Kenntnisse in diversen Fachbereichen und auch und nicht zuletzt seines kultivierten und liebenswürdigen Wesens wegen hoch geachtet, tat sich Borcke insbesondere auf historischem und literarischen Gebiet hervor.
Obwohl Borcke den größten Teil seines Lebens außerhalb Pommerns zugebracht und auch selbst keine wissenschaftliche Darstellung hinterlassen hat, ist sein Interesse an der Geschichte seiner Heimat unbestritten. Insbesondere sein Briefwechsel mit dem Greifswalder Historiker Albert Georg Schwarz, den er auch bei auftretenden Schwierigkeiten, etwa bei der Publikation seiner Werke, tatkräftig unterstütze, und der sich über genealogische, topographische und allgemein historische Themen erstreckt, zeigt seine Vertrautheit mit wissenschaftlichen Fragestellungen und Problemen.
Darüber hinaus legte Borcke ein teils aus Abschriften, teils aber auch aus Originalen bestehendes, umfangreiches Archiv zur pommerschen Geschichte an und trat als Anreger, etwa des „Codex diplomaticus Pomeranicus“, den, allerdings erst nach Borckes Tod, 1748 der pommersche Kriegs- und Domänenrat Friedrich von Dreger herausgab, hervor.
Wichtiger noch erscheinen freilich Borckes Bemühungen auf literarischem Terrain. Borcke bemühte sich, als Übersetzer dem deutschen Publikum bisher unbekannte Texte zu erschließen und diese der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Verhinderte Borckes früher Tod die Publikation einer Übersetzung der „Pharsalis“, eines 62/63 n. Chr. von Marcus Annaeus Lucanus, einem Neffen des Philosophen Seneca, verfaßten, unvollendet gebliebenen lateinischen Epos über den Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius, die 1749 Borckes Bruder Georg Balthasar aus dem Nachlaß in Halle herausgab, erlebte Borcke die Veröffentlichung seiner beiden anderen Übersetzungen aus dem Englischen.
Unter dem Titel „Der Teufel ist los, oder die verwandelten Weiber“ wurde am 24. Januar 1743 anläßlich des Geburtstages Friedrichs des Großen in Berlin Borckes Übersetzung und Bearbeitung des Singspieles „The Devil to pay, or the wives metamorphosed“ der zeitgenössischen Dichter Charles Coffey und John Mottley mit allerdings nur mäßigem Erfolg beim Publikum gegeben. Als wichtigste Publikation Borckes gilt aber unbestritten dessen metrische Übersetzung des „Julius Caesar“ von William Shakespeare.
Diese kam im Jahre 1741 anonym unter dem Titel „Versuch einer gebundenen Übersetzung des Trauer-Spiels von dem Tode des Julius Caesar“ bei Ambrosius Haude in Berlin heraus. Mit der vorliegenden Ausgabe wurde erstmals eine Tragödie Shakespeares in voller Länge in die deutsche Sprache übersetzt und so dem deutschen Publikum, unbeeinflußt von den Vergröberungen, die die bisher in Deutschland durch fahrende Komödianten aufgeführten Stücke des englischen Dichters hatten erfahren müssen, eine bislang unbekannte, sich nicht an den auf Aristoteles’ Poetik zurückgehenden Regeln des Klassizismus orientierende Form des Dramas unverfälscht zur Kenntnis gebracht.
Die Zeitgenossen waren sich dabei allerdings der Bedeutung der Arbeit Borckes nicht bewußt. Weniger die Übersetzung selbst, komplett in gereimten Alexandrinern als der seit Gryphius üblichen äußeren Form ernster Stücke angelegt, als vielmehr die Fremdartigkeit des Dramas als solches wurde von der literarischen Öffentlichkeit, allen voran Johann Christoph Gottsched, negativ beurteilt. Erst eine gute Generation später sollte Shakespeare, dann allerdings in der Übersetzung Johann Elias Schlegels, eine neue Dichtergeneration, den „Sturm und Drang“ maßgeblich beeinflussen. Es war aber Caspar Wilhelm von Borcke, der erstmals versuchte, das literarische Deutschland mit dem großen englischen Dichter vertraut zu machen.
Lit.: Adalbert Elschenbroich: Caspar Wilhelm von Borcke (Borck), in: Historische Kommission bei der Bayrischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Neue Deutsche Biographie, Bd. 2, Berlin 1955, S. 461. – Kurt Gassen: Caspar Wilhelm von Borcke. 1704-1747, in: Walter Menn (Bearb.): Pommersche Lebensbilder, Bd. IV (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, Reihe V: Forschungen zur Pommerschen Geschichte, Heft 15), Köln/Graz 1966, S. 85-95. – Pommersches Landesmuseum (Hrsg.): Das geistige Pommern. Große Deutsche aus Pommern. Sonderausstellung im Landeshaus Stettin anläßlich der Gaukulturtage Pommern 1939 [Ausstellungskatalog], Stettin 1939. – Martin Wehrmann: Caspar Wilhelm von Borcke, in: Historische Commission bei der Königl. Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 47, Leipzig 1903, S. 112-113.
Bild: Antoine Pesne: Caspar Wilhelm von Borcke, um 1745, abgedruckt in: Pommersches Landesmuseum (Hrsg.): Das geistige Pommern, Abbildung 7.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kaspar_Wilhelm_von_Borcke
Bernhard Mundt