Biographie

Brüggemann, Ludwig Wilhelm

Herkunft: Pommern
Beruf: Theologe, Topograph
* 1. März 1743 in Jacobshagen, Kr. Saatzig/Hinterpommern
† 1. März 1817 in Stettin

Ludwig Wilhelm Brüggemanns Vater war Pastor und Präpositus der Synode von Jacobshagen bei Dramburg und stammte aus der Familie eines Senators und Stadtchirurgen in Rathenow (Mark Brandenburg). Er starb, als der Sohn elf Jahre alt war. Dieser besuchte das Ratsgymnasium zu Stettin, das sich damals noch in einem Bau in der Mönchenstraße, Ecke Große Wollweberstraße, befand. Hier begegnete er dem Magister Gotthilf Zachariae, der nach seiner Lehrtätigkeit in Stettin eine Professur in Göttingen erhielt und durch diese zu einem der berühmtesten Theologen seiner Zeit auf stieg. Der Einfluß vor allem dieses Gelehrten führte Brüggemann 1761 zum Studium der Theologie nach Frankfurt/Oder. Mit knapp 22 Jahren schon wurde er Pfarrer in Gielsdorf und Wilkendorf/Mark Brandenburg, dann 1765 bereits als Feld- und Garnisonprediger beim von Zeunerschen Regiment nach Berlin berufen. In diesem Amt fiel er König Friedrich II. auf, der ihn zum Seelsorger und Lehrer seiner Schwester, Prinzessin Amalie von Preußen, ernannte. Für seine Verdienste in dieser Position schenkte ihm der König einen Ring mit Gemme, die das Porträt des Königs zeigte.

Brüggemanns Berliner Aufenthalt fiel in die Zeit der Aufklärung und des Rationalismus. Hier traf er gelehrte Vertreter mannigfaltiger Fachrichtungen und gründete eine Lesegesellschaft für englische Literatur (1771). Namhafte Gelehrte wie Spalding, Teller, Aug. Friedr. Wilh. Sack, A. F. Büsching, der durch die Herausgabe einer Topographie der Mark Brandenburg bekannt wurde, waren Mitglieder; den Vorsitz der Lesegesellschaft führte Brüggemann selbst. Diese Arbeit und der stetige Austausch mit Gelehrten wie Joh. Bernh. Merian, dem Buchhändler Nicolai und dem späteren Kultusminister Woellner gaben den Anstoß zu den folgenden Arbeiten Brüggemanns über seine Heimat Pommern. Nach dem Tode des Schloßpredigers und Konsistorialrats C.S. Schiffmann (1772) in Stettin empfahl Minister von Zedlitz (nach ihm wurde der Ort Zedlitzfelde im Norden Stettins benannt) Brüggemann als dessen Nachfolger, weil „seine Professormäßige Geschicklichkeit sowohl in den Morgenländischen als in den lebenden Sprachen und im Predigen bekannt ist, und er auch in Ansehung seines Verhaltens einen guten Ruf hat“. In Stettin konnten sich seine besonderen und vielseitigen Fähigkeiten entfalten; sie begründeten seinen Ruf als den eines nahmhaften Gelehrten seiner Zeit. Als Hofprediger an der Schloßkirche zu Stettin wurde er auch in das „Consistorium von Pommern“ eingeführt. Das größte Verdienst Brüggemanns liegt jedoch in der Herausgabe einer ausführlichen topographisch-statistischen Beschreibung von Pommern. Als Vorbild diente ihm das genannte Werk Büschings über die Mark Brandenburg. Zu seiner Arbeit angeregt wurde Brüggemann vom Präsidenten der Pommerschen Kriegs- und Domänenkammer, H. F. v. Schöning. Dieser unterstützte ihn nicht nur mit finanziellen Mitteln; er ließ in seinem Amt auch Fragebögen entwerfen, die an staatliche, kommunale, kirchliche und andere Institutionen versandt wurden und ausgefüllt zur Auswertung wieder zurückkamen. Brüggemann stellte sein Werk unter folgenden Aspekten zusammen: Übersicht der zu jener Zeit vorhandenen Spezial-, Land-, Kriegs- und Seekarten, Naturgeschichte Pommerns, Charakter und Eigentümlichkeit des Volksstammes, Landeskultur, Provinzial-Institute, Gerichte, Verzeichnisse der adligen Geschlechter (Großgrundbesitzer) in Pommern und ihrer Wappen, Vasallen-Tabelle, pommersche Regimenter und ihre Kantone, Religions- und Kirchenverfassung, Kreise, fiskalische und Privat-Güter, Patrone, Forsten, Handel, Manufakturen und Fabriken, Maße, Gewichte, Straßen, Posten etc. Bei den Städten, Instituten, Stiftungen wurden die wichtigsten Gründungsurkunden und Privilegien angeführt sowie die Zahl der Einwohner und der Feuerstellen. Der Erste Band dieses umfassenden Werkes kam 1779 unter dem Titel Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königlich preußischen Herzogthums Vor- und Hinterpommern heraus, gedruckt bei H. G. Effenbart in Stettin. Ein zweiter Band folgte 1784, weitere Ergänzungsbeiträge 1800 und 1806 mit einer pommerschen Bibliographie.

Keine andere preußische Provinz konnte eine derartige, auf Genauigkeit und Gründlichkeit beruhende Landes-Darstellung aufweisen. Friedrich der Große förderte dieses Werk bereits während seiner Entstehung, er sandte nach der Herausgabe an den Autor (1780) ein persönliches, in französischer Sprache verfaßtes Handschreiben, in dem er Dank und Anerkennung zum Ausdruck brachte. 1806, nach der Herausgabe noch weiterer Werke, zeichnete König Friedrich Wilhelm III. Brüggemann mit der Goldenen Akademie-Medaille aus. Auf diese Auszeichnung war dieser besonders stolz, da sie bis zu jenem Zeitpunkt kein inländischer Gelehrter erhalten hatte. Den Behörden waren die Brüggemannschen Nachschlagewerke unentbehrlich geworden. Erst 1865/76 kam es zu der nach 1815 notwendig gewordenen Neubearbeitung, dieHeinrich Berghaus, der Leiter der Geographischen Schule in Potsdam, ein namhafter Geograph, besorgte, die aber hinsichtlich der Genauigkeit nicht an die Brüggemannsche Arbeit heranreichte. Neben den beiden Bänden der Beschreibung Pommerns verfaßte Brüggemann noch einige kleinere landeskundliche Arbeiten, u.a. gab er 1778 eine Beschreibung der Stadt Stettin heraus, die er Katharina II., der Großen, Zarin von Rußland, widmete. Sie war als Tochter des Gouverneurs, des Fürsten von Anhalt-Zerbst, 1729 in Stettin geboren worden. 1795 erschien aus seiner Feder in englischer Sprache eine Übersicht über die englischen Ausgaben, Übersetzungen und Kommentare zu Cicero, 1797 das umfassende WerkA view of the English Editions, Translations and Illustrations of the ancient Greek and Latin authors with remarks by Lewis William Brüggemann, counsellor of the consistory at Stettin in Pomerania, das ihrem Autor an europäischen Universitäten Respekt und Bewunderung einbrachte.

Das Schaffen Ludwig Wilhelm Brüggemanns auf historischem und topographischem Gebiet, auch seine Beschäftigung mit der englischen Literatur, standen auf hohem Niveau. Aber auch seine Wirksamkeit als Geistlicher an der Schloßkirche zu Stettin war bedeutsam. Gerühmt wurde seine „Kanzelberedsamkeit“ und sein Vortrag, der „in einem artigen Anstand und sehr gefälligem Ton“ gehalten gewesen sei. Die Aufzeichnungen eines jungen Theologen beleuchten die Persönlichkeit Brüggemanns: eine überragende Stellung sowohl in der Kirchenbehörde als auch in der Geisteswelt Pommerns, dabei von persönlicher Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit, verbunden mit weltmännischen Umgangsformen. Brüggemann war in erster Ehe mit Friederike Ulrike Karoline Hecker verheiratet, Tochter des Professors Hecker am Marienstiftsgymnasium in Stettin; sie starb schon nach 10jähriger Ehe. Das einzige Kind, der Sohn Friedrich Wilhelm, starb ebenfalls früh, 28jährig, auch er war Theologe. In zweiter Ehe heiratete Brüggemann die Witwe Marie Regine Albinus, geb. Torff, Tochter des Stettiner Senators und Kaufmanns Martin Torff. Die Stadt Stettin, die in verschiedenen Bibliotheken seine Werke und Teile seiner bedeutenden privaten Bibliothek verwaltete und betreute, hatte Ludwig Wilhelm Brüggemann viel zu verdanken. Heute ist „der Brüggemann“ ein Zeugnis deutscher Geschichte in Pommern und wird auf dem Antiquitätenmarkt zu hohen Preisen gehandelt.

Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie III, 1876. – Pommern des 18., 19. u. 20. Jahrhunderts, 3. Band, hrsg. v. Adolf Hofmeister und Wilhelm Braun, Stettin 1939.

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Ilse Gudden