Biographie

Brust, Herbert

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Komponist
* 17. April 1900 in Königsberg i.Pr.
† 26. Juni 1968 in Bremerhaven

Es gibt Persönlichkeiten, die ihre bleibende Bedeutung nicht einem umfassenden und herausragenden Werk verdanken, sondern im Wesentlichen einem Glanzpunkt ihres Schaffens, der alles andere überstrahlt. So wird Simon Dach (1605-1659) mit seinem Gedicht Ännchen von Tharau unvergessen bleiben, das durch Heinrich Alberts (1604-1651) Vertonung Weltruhm erlangte, und Max von Schenkendorf (1783-1818) mit seinem Lied Freiheit, die ich meine. Herbert Brust machte die künstlerische Symbiose mit dem jungen Erich Hannighofer (1908-1945) unsterblich. Für sein Oratorium der Heimat suchte Brust Texte und fand auf Anregung der Königsberger Hartungschen Zeitung Hannighofer, der Worte für das Oratorium fand, „die in prächtigen Gemälden das Bild der Heimat festhielten:“ Das so entstandene Werk Ostpreußenland endet mit dem Schluss­chor Land, der dunklen Wälder, dessen Melodie sich seit der Uraufführung 1933 in das Gedächtnis der Menschen schrieb.

Ruth Geede (1916-2018) hat das Zusammentreffen der beiden Ostpreußen so kommentiert: „Es ist gerade diese klare, schöne Sprache, mit der Hannighofer mit so wenigen Worten – man bedenke, dass eine einzige Strophe gerade zwölf Worte umfasst! – Bild und Wesen einer Landschaft und ihrer Menschen zeichnet, die das Lied so einmalig macht. Herbert Brust hat einmal über diese Verse gesagt: ‚Es war eine Gnade, dass ich sie fand.‘“

Von Anfang an wurde das Land der dunklen Wälder auf den Straßen Königsbergs von Studenten und Bürgern als ein Lied gesungen, das die ostpreußische Mentalität und die Besonderheiten der ostpreußischen Landschaft so treffend verkörperte, dass es nur folgerichtig war, diese Hymne auf die nach dem Krieg verlorene Heimat zum „Ostpreußenlied“ zu küren.

Herbert Brust wurde in Königsberg am Schlossteich geboren, genau dort, wo seit 1912 die Stadthalle stand, in der später auch Werke des Komponisten aufgeführt wurden. Ab 1901 lebte die Familie Brust in der Magisterstraße auf dem Kneiphof, wo sie ein Patrizierhaus aus dem Jahre 1632 bewohnte. Der Domorganist und Leiter des Domchores Walter Eschenbach (1883-1936), der 1933 anlässlich der 600-Jahrfeier des Domes den Ehrentitel „Kirchenmusikdirektor“ erhielt, war der erste Lehrer von Herbert Brust. Seine musiktheoretische Ausbildung erhielt Brust von dem Musikwissenschaftler, Komponisten und Organisten Reinhold Lichey (1880-1957), Lehrer am Königsberger Konservatorium und Dirigent des Haberberger Oratorien-Vereins.

Herbert Brust spielte bereits mit 14 Jahren Orgel. Sie wurde sein Lieblingsinstrument. Zur Prüfung durfte er zum erstenmal auf der Königsberger Domorgel spielen. Die Anweisungen seines Lehrers Eschenbach seien nicht nötig, meinte er und brillierte mit einem beeindruckenden Orgelkonzert. Brust hatte die Gabe der Improvisation, die nicht vielen Organisten geschenkt ist. Eschenbach selbst bekannte, dass er nicht so gut improvisieren könne. Mit 17 Jahren wurde Brust für ein Jahr ohne Bezahlung Organist an der Löbenichter Kirche. Dort lernte er auch seine spätere Frau Edith kennen.

Von 1919 bis 1922 studierte Herbert Brust in Berlin an der Hochschule für Musik bei dem Berliner Domorganisten Walter Fischer (1872-1931) und bei dem Komponisten und Musikpädagogen Friedrich Ernst Koch (1862-1927), der ihn in die Kompositionslehre einführte. Er schloss die Meisterklasse für Komposition und sein Examen ab, ging als freischaffender Künstler nach Königsberg zurück und wurde dort Mitarbeiter des Ostmarken-Rundfunks.

Von Herbert Brust sind insgesamt 96 Werke überliefert, wie das Kompositionsverzeichnis ausweist. Hervorzuheben sind die Funkhausweihe-Kantate op.30, die Oratorien Das große Totenspiel op.35 auf der Grundlage eines Textes von Ernst Wiechert (1887-1950) und Ostpreußenland, die Festkantate Memelruf op.48, dessen Text Erich Hannighofer schrieb, der Liederzyklus Memelfahrt op.55 auf Texte von Charlotte Wüstendörfer (1892-1945) und die Orchestermusik zu einem Hörspiel Memelland op.45 von Agnes Miegel (1879-1964), Brust hat Lieder op.61 von Walter Scheffler (1880-1964) und das Bernstein-Oratorium op.59 mit dem Text von Margarete Kudnig (1888-1979) vertont. Außer dem Totenspiel hat er auch die Musik zu Wiecherts Spiel vom deutschen Bettelmann geschrieben, op. 82, sowie Texte von Hermann Hesse (1877-1962) op.81, Wilhelm von Humboldt (1767-1835) op.93 und anderen vertont.

Brusts Heimatliebe zu Ostpreußen war überwältigend. Als er im Jahre 1924 heiratete, zog er mit seiner Frau Edith nach Neukuhren und schuf sich dort mit seinem Haus „Romowe“ (Name für einen altpreußischen heiligen Hain), seinem Garten mit Teich, einem Aquarium und zahllosen Tieren etwas ganz „Unmusikalisches“, das ihm zum Ausgleich für seine Arbeit unentbehrlich war. Seine Frau war Geigerin, aber sie wurde im Laufe der Jahre zur Helferin und Assistentin bis zu seinem Lebensende und über den Tod hinaus.

Erwähnt werden muss, dass Herbert Brust, wie zahlreiche andere Künstler und Schriftsteller, sich der Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus nicht entziehen konnte. Genannt wird diese Entwicklung im Umfeld des Komponisten nicht direkt. Edith Brust hatte im Jahre 1925, als der Bund für Tonkunst in Königsberg erstmals ein Konzert mit Werken von Herbert Brust gab, angefangen, Aufzeichnungen zu machen über Konzerte, Kritiken und Reaktionen von Hörern. Dieses „hoffnungsvoll begonnene Büchlein“ beendet sie Ende August 1934 mit dem „inhaltsfreudigen Satz“: „Von jetzt ab können wir die Aufführungen nicht mehr kontrollieren, die andere Sender spielen z.B. die Fischertänze, Masurenbilder, Saxophon-Ballade.“ Brusts Musik wurde also „gleichgeschaltet“ und konnte so, wie Volk der Ostmark im Sinne der neuen Ideologie oder wie die Festkantate Memelruf op.48 als Auftragskomposition interpretiert werden, weil sie auf der Reichstagung der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde uraufgeführt wurde. Immerhin trat Herbert Brust 1937 der NSDAP bei.

Im Frühjahr 1941 wurde Brust zur Wehrmacht eingezogen, in Prag ausgebildet und auf dem Balkan eingesetzt. Nach einer Ausbildung zum Sanitätsdienst hat Brust den ganzen Krieg mitgemacht und tat 1945 Dienst in einem Lazarett in Braunsberg. Auf der Flucht vor den Russen gelangte er auf die Frische Nehrung und von dort für einen Tag nach Neukuhren. Er erkrankte an Lungenentzündung und wurde von seiner Frau Edith und seinem 13jährigen Sohn Munin in ein Lazarett gebracht, von wo er nach langer Irrfahrt mit einem Schiff nach Westen gelangte. Sein Sohn Botho ist in der Schlacht um Berlin gefallen.

Nach diesen Schicksalsschlägen lebte Brust mit seiner Frau Edith bis zu seinem Tode in Schiffdorf bei Bremerhaven, wo er sich wieder mit Haus und Garten ein kleines Stück Heimat schuf. Er wurde dort Organist und Musiklehrer und hatte bis zu Aufführungen seiner Werke im Rundfunk noch einige Erfolge. Aber durch sein Ostpreußenlied wird er unvergessen bleiben.

Lit.: Land der dunklen Wälder und kristallnen Seen. Ein Lebensbild des Ostpreußischen Komponisten Herbert Brust von Gerhardt Seiffert zum 100. Geburtstag des Komponisten. Mit Beiträgen von Edith Brust, Bremerhaven 2000. – Erwin Kroll, Musikstadt Königsberg. Geschichte und Erinnerung, Freiburg i. Br. 1966. – Wolfgang Freyberg, Herbert Brust, in: Ostdeutsche Gedenktage 2000.

Bild: Zeichnung von Emil Stumpp, aus: Land der dunklen Wälder … (wie oben).

Klaus Weigelt