Biographie

Buchal, Hermann

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Musikpädagoge, Komponist
* 17. Januar 1884 in Patschkau, Neisse
† 30. August 1961 in Jena

Das Städtchen Patschkau mit 5.639 Einwohnern im Jahre 1880, das seinen Ursprung in einem 1254 im Auftrag des Breslauer Bischofs Thomas I. gegründeten Marktflecken hat, der 1350 die Stadtrechte erhielt, ist der Geburtsort von Hermann Franz Joseph Buchal. Dort kam er als achtes von neun Kindern eines ehemaligen Lehrers, der seit 1871 eine einträgliche Buch- und Papierhandlung besaß und später auch noch eine Druckerei betrieb, am 17. Januar 1884 zur Welt. In seiner Vaterstadt besuchte er die Volksschule und das humanistische Gymnasium, an dem er erst 1906 die Reifeprüfung ablegte, bedingt durch Krankheit und übermäßige Beschäftigung mit Musik. Erste musikalische Eindrücke dürfte er im Elternhaus empfangen haben, da der Vater als Absolvent eines preußischen Lehrerseminars in Gesang, Violin-, Klavier- und Orgelspiel ausgebildet war. Mit ungefähr acht Jahren wurde er Sängerknabe an der Pfarrkirche St. Johannes Ev., an der mit Kantor Speer und Organist Scharfenberg qualifizierte Musiker wirkten; der Kantor war gleichzeitig Musiklehrer am Gymnasium, wo Buchal ab dem fünfzehnten Lebensjahr bei den Schulgottesdiensten die Orgel spielte. Der Wunsch des Abiturienten, Musik zu studieren, fand beim musisch veranlagten Vater sogleich Zustimmung, während die anfänglichen Bedenken der geschäftstüchtigen Mutter erst ausgeräumt werden mussten.

1906 nahm Buchal das Musikstudium am Königlichen Akademischen Institut für Kirchenmusik in Berlin auf. Seine Lehrer waren Arthur Egidi (Theorie), Franz von Hennig (Klavier), Theo­dor Krause (Gesang), Hermann Schröder (Violine) und Carl Thiel (katholische Kirchenmusik). Seit 1907 studierte Buchal, der seine berufliche Zukunft eher in der schöpferischen Arbeit sah, auch noch an der Königlichen Akademie der Künste Kompositionslehre bei Friedrich Gernsheim, der auf die Entfaltung des Personalstils seiner Schüler großen Wert legte. Das Berliner Musikleben bot den Studierenden vielfältige Anregungen, insbesondere im Konzertbereich, wo herausragende Musikerpersönlichkeiten wichtige Positionen einnahmen. Siegfried Ochs gab Konzerte mit dem Philharmonischen Chor und Georg Schumann mit der Singakademie, Arthur Nikisch leitete die Berliner Philharmoniker und Richard Strauss dirigierte die Königliche Kapelle. Damals konnte Buchal auch praktische Erfahrungen als Chorleiter und Organist an den Kirchen Corpus Christi (seit 1907) und St. Paulus (seit 1910) sammeln.

Es entstand als op. 1 die a cappella-Komposition Angelus, die lateinische Vertonung des Englischen Grußes für drei Solo-Frauenstimmen und vierstimmigen gemischten Chor, 1908 im Druck erschienen.

Nach Abschluss seiner vierjährigen Studien wurde er 1910 als Dozent für Klavier, Orgel, Theorie und Komposition an das Konservatorium in Beuthen O/S berufen, das der kaufmännisch versierte Musikinstrumentenhändler Thomas Cieplik kurz zu­vor gegründet hatte. 1915 zum Kriegsdienst einberufen, war er in Frankreich und auf dem Balkan eingesetzt, allerdings vom Sommer 1916 an für ein Jahr freigestellt. Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges kehrte er 1918 nach Beuthen O/S zurück und arbeitete nun als Privatmusiklehrer bis 1921. In diesem Jahrzehnt komponierte er neben Klavierliedern, Offertorien und Motetten im Jahr 1914 das 1. Klavierkonzert.

Im Juli 1921 wurde Buchal an das Schlesische Konservatorium in Breslau als Dozent für Klavier und Komposition berufen, stieg 1924 zum Direktor auf und übertrug unverzüglich seinem aus Oberglogau O/S gebürtigen Freund Gerhard Strecke die Leitung des Privatmusiklehrer-Seminars. Beide riefen noch im selben Jahr zusammen mit den Komponisten Arnold Mendelssohn und Richard Wetz sowie dem Musikschriftsteller Alfred Schattmann die „Gilde schlesischer Tonsetzer“ ins Leben. Sie verfolgte das Ziel, die heimischen Komponisten zu fördern und für die Aufführung ihrer Werke einzutreten. Dieses Anliegen machte sich auch der ebenfalls 1924 gegründete schlesische Rundfunk immer mehr zu Eigen. Wohl deshalb löste sich nach dem Tod der Gründungsmitglieder Mendelssohn (1933) und Wetz (1935) die Tonsetzergilde noch Mitte der 30er Jahre auf. Neben der Tätigkeit am Schlesischen Konservatorium wirkte Buchal 1931 bis 1936 als Dozent für Harmonielehre und Kon­trapunkt am Institut für Musikerziehung der Friedrich-Wil­helms-Universität und nebenher von 1932 bis 1938 als Chorleiter der Kirchengemeinde Petrus Canisius. In der nahezu 600.000 Einwohner zählenden Metropole mit Ihrem blühenden Musikleben suchte er zu dessen führenden Repräsentanten persönliche Kontakte zu knüpfen, freundschaftlich war seine Beziehung zum Domkapellmeister Paul Blaschke, der ebenfalls aus Patschkau stammte. In diesen Jahren schuf Buchal u.a. Klaviersonaten, die 1. Sinfonie, zwei lateinische Messen, die Kantate Maria lag in großer Not und das Oratorium Maria. Letzteres, zu dem er auch den Text verfasste, wurde von den vereinigten Breslauer Kirchenchören unter Domkapellmeister Blaschke am 15. Oktober 1929 im dortigen Konzerthaus uraufgeführt. In Zusammenarbeit mit dem Rundfunksender Breslau entstanden die Kantaten Der Gottsucher undDer Wanderer sowie der Liederzyklus Frauenseele.

Die Errichtung der NS-Diktatur im Jahr 1933 wirkte sich folgenschwer auch im musikalischen Bereich aus. Dem kirchentreuen Katholiken Buchal begegneten die neuen Machthaber mit Misstrauen. Sein Versuch, an der Kirchenmusikschule Regensburg eine Beschäftigung zu finden, war erfolglos, so dass Buchal in Breslau blieb. Das Schlesische Konservatorium, eine staatlich anerkannte private Institution, von Buchal zwölf Jahre lang verantwortungsvoll geleitet, wurde 1936 verstaatlicht. Für die nun errichtete Schlesische Landesmusikschule war er als Direktor nicht tragbar. Mit ihrer Leitung wurde der Elsässer Heinrich Boell (1890-1947) betraut, ein Pfitzner- und Straube-Schüler. Buchal wurde zu seinem Stellvertreter ernannt und als Klavier- und Kompositionslehrer beschäftigt. Diese Tätigkeit übte er bis Januar 1945 aus. Seine Vaterstadt verlieh ihm 1944 die Ehrenbürgerschaft.

In den späten Breslauer Jahren entstanden u. a. die Oper Die heilige Krone, die Sinfonien Nr. 2 in F-Dur, Nr. 3 in e-Moll, Nr.4 in A-Dur. Nr. 5 in d-Moll, das Orchesterwerk Von schlesischen Burgen und Klöstern, das die Schlesische Philharmonie unter Franz von Hößlin 1935 bei der 26. Generalversammlung des Allgemeinen Cäcilienvereins in Breslau aufführte, ein Violinkonzert in a-Moll und ein 2. Klavierkonzert in h-Moll.

Am 20. Januar 1945 wurde Buchal mit seiner Ehefrau aus Bres­lau nach Bolkenhain evakuiert, gelangte über Zittau ins böhmische Pisek und kehrte im Juni d.J. nach Patschkau zurück. Ein Jahr später findet er als „Umsiedler“ in Goerkwitz bei Schleiz/ thüringisches Vogtland vorübergehende Aufnahme. Durch Ver­mittlung seines Jugendfreundes Dr. Hans Lukasche, damals einflussreicher thüringischer Politiker, später Bundesvertriebenen­minister, erhielt der 62-Jährige eine Berufung an die Friedrich-Schiller-Univer­sität Jena als Dozent für Klavier und Theorie (Urkunde vom 14. Oktober 1946). Vom Jenaer Stadtrat wurde ihm die Erlaubnis „zur Ausübung/ Veranstaltung von Konzerten als Pianist und Komponist“ erteilt (Urkunde vom 31. Januar 1947). Der 1950 zum Professor ernannte Hochschullehrer wurde 1952 auf eigenen Wunsch emeritiert. An neuen Kompositionen entstanden u. a. Hymnen zur Fronleichnamsprozession für den Jenaer Kirchenchor, die Oper Dagmars Hochzeit, die Sinfonien Nr. 6 in Es-Dur und Nr.7 in h-Moll, die symphonische Festmusik für Streichorchester, Kammermusik und Klavierlieder.

Im November 1956 starb seine Frau – die Ehe blieb kinderlos, im Mai 1958 heiratete er Flora Buchal, die verwitwete Tochter eines Verwandten, die den Komponisten in den letzten Lebensjahren fürsorglich betreute. Am 11. Januar 1961 konnte Buchal noch der Uraufführung seiner 7. Sinfonie beiwohnen, die das Jenaer Symphonieorchester unter Leitung von Hans Heinrich Schmitz darbot. Am 30. August d.J. verstarb er nach schwerer Krankheit in Jena und wurde auf dem Nordfriedhof beigesetzt.

Buchals Werkverzeichnis umfasst 103 Opuszahlen, wovon Teile durch Kriegseinwirkung vernichtet wurden bzw. verschollen sind. Daneben existiert eine Reihe von Werken ohne Opuszahl. Seine Musik wird nicht selten als der Romantik ver­pflichtet charakterisiert. Gegen die Kennzeichnung als „Romantiker“ verwahrte sich der langjährige Kompositionslehrer entschieden, indem in einem Interview zum 60. Geburtstag ausführte: „Haben Sie schon einmal einen Romantiker kennen gelernt, dem Polyphonie ein stetes inneres Bedürfnis ist? Der immer wieder und mit unverminderter Liebe zur Fuge zurückkehrt? Der über dem Inhalt als dem Wesentlichen die klare, ja strenge Form nicht zu vergessen sucht? Wenn Sie mit mir einig sind, dass der romantischen als der ausgesprochen gefühlsbetonten Haltung die klassische als jene gegenübersteht, in der Gefühl und ratio sich die Waage halten, dann bekenne ich mich ohne Einschränkung zur letzteren.“ (in: Schlesische Zeitung, Breslau, vom 15. Januar 1944).

Lit.: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 15, 1973, Sp. 1159-1160. – Eberhard Gloeckner, Hermann Buchal zum 70. Geburtstag, in: Patschkau, unverlorene Heimat. Festschrift zur Feier des 700jährigen Bestehens der Stadt Patschkau, Einbeck 1954. – Joseph Thamm, Hermann Buchal. Leben und Schaffen (mit Werkverzeichnis), in: Zeitgenössische schlesische Komponisten. Eine Dokumentation, Bd. 1, Dülmen o.J. – Rudolf Walter, Hermann Buchals kirchenmusikalische Werke, in: Geistliche Musik in Schlesien, Dülmen 1989. – Rudolf Walter, Hermann Buchal (1884-1961), in: Schlesische Lebensbilder, Bd. 6, Sigmaringen 1990.

Bild: Laumann-Verlag, Dülmen.

Waldmar Zylla