Als zweiter von vier Söhnen des praktischen Arztes Dr. Albert Bumke und seiner Ehefrau Emma Alisa Johanna in der Wilhelmstraße 33 der pommerschen Kleinstadt Stolp geboren, verlebte Erwin Bumke glückliche Jugendjahre. Getrübt wurden sie durch den Tod des Vaters, der 1892, nur 49 Jahre alt, verstarb. Erwin Bumke, von Statur klein, bezog nach dem Besuch einer Privatschule sowie der Vorschule ab Ostern 1883 das Gymnasium in Stolp. Während seiner Schulzeit zeichnete er sich durch eine Vorliebe für Fremdsprachen und eine vom Vater ererbte ausgeprägte Musikalität aus. Sie fand ihren Ausdruck in einer überdurchschnittlichen Beherrschung des Geigenspiels. 1893 verließ Erwin Bumke das Gymnasium mit dem Zeugnis der Reife. In allen Fächern erhielt er die Note „gut“, in Latein sogar „sehr gut“. Hervorgehoben wurden seine engagierte Mitarbeit im Unterricht und sein Fleiß.
Erwin Bumke widmete sich dem Studium der Rechtswissenschaft, das er an der Universität Freiburg begann und an den Universitäten Leipzig, München, Berlin und Greifswald fortsetzte. Am 6. Juni 1896 bestand er die erste juristische Staatsprüfung in Stettin mit der Note „gut“; am 13. Juni 1896 wurde er zum Referendar ernannt. Seine Referendarausbildung nahm er am 22. Juni 1893 am Amtsgericht zu Treptow an der Rega (Kreis Greifenberg/Pommern) auf. Am 8. August 1896 wurde Bumke an der Universität Greifswald mit der DissertationHat die erfüllte Resolutivbedingung dingliche Kraft? zum Dr. jur. promoviert. Die erbrachte Leistung wurde mit der Note „magna cum laude“ bewertet. Vom 23. März bis zum 30. September 1897 arbeitete Erwin Bumke am Landgericht seiner Heimatstadt Stolp, vom 1. Oktober 1897 bis zum 1. Oktober 1898 absolvierte er seinen Militärdienst als Freiwilliger beim 2. Pommerschen Feldartillerieregiment Nr. 17 in Thorn. Die große juristische Staatsprüfung bestand Erwin Bumke am 28. April 1902 in Berlin. Am 17. Oktober 1899 war er zum Leutnant der Reserve des 2. Pommerschen Feldartillerieregiments ernannt worden. Mit der großen juristischen Staatsprüfung und dem Offizierspatent hatte er die Voraussetzungen für eine Karriere geschaffen.
Nach seiner Ernennung zum Gerichtsassessor am 2. Mai 1902 arbeitete Erwin Bumke als Hilfsarbeiter am Landgericht Stettin. Am 8. September 1902 ließ er sich für ein Jahr beurlauben, um die Schweiz, Frankreich und England zu bereisen und seine juristischen Kenntnisse in Genf, Paris und London zu erweitern. Am 16. September 1903 nahm er seine Richtertätigkeit als Hilfsarbeiter beim Amtsgericht Stettin wieder auf. Am 13. März 1905 zum Landrichter ernannt, trat er am 1. April 1905 eine entsprechende Stelle in Essen an.
Am 15. Februar 1907 wurde Bumke, vermutlich auf eine Anregung des damaligen preußischen Justizministers Schönstedt hin, als Hilfsarbeiter in das Reichsjustizamt berufen. Nach einer lediglich zweijährigen Probezeit wurde er im Jahre 1909 zum Geheimen Regierungsrat und Vortragenden Rat im Reichsjustizamt, im Jahre 1911 zum Geheimen Oberregierungsrat ernannt.
Am Ersten Weltkrieg nahm Erwin Bumke zunächst als Leutnant der Landwehr bei der Feldartillerie teil. Am 8. Dezember 1914 wurde er mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Später arbeitete er als Hauptmann der Landwehr beim Stellvertretenden Generalstab der Armee auf dem Gebiet der Spionageabwehr.
Nach Kriegsende kehre Erwin Bumke in die oberste Justizbehörde des Reiches, die inzwischen verselbständigt und in Reichsjustizministerium umbenannt worden war, zurück. Im Jahre 1920 erfolgte seine Ernennung zum Ministerialdirektor. Vermutlich aus Protest gegen den Vertrag von Versailles sowie unter dem Einfluß seiner Ehefrau Eva, geb. von Merkatz, die er 1907 geheiratet hatte und die eine leidenschaftlich national fühlende Dame war, schloß Bumke sich der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) an. Ein politischer Mensch war er allerdings nicht. Selbst in vertrautem Kreise äußerte er sich fast nie zu Fragen der Politik. Daher blieb seine Zugehörigkeit zur DNVP nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch seinen Verwandten und Bekannten verborgen.
Als Leiter der Abteilung II im Reichsjustizministerium war Erwin Bumke mit den Hauptgebieten Strafrecht, Strafprozeß sowie Strafvollzug befaßt. Gleichzeitig entfaltete er eine fruchtbare Tätigkeit auf internationalem Gebiet. So war er 1925 der Leiter der deutschen Delegation auf dem Internationalen Gefangenenkongreß. Seinen Aktivitäten auf dem Gebiet des zwischenstaatlichen Rechts verdankte er auch seine Berufung in das Kuratorium des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht.
Erwin Bumkes Karriere erfuhr ihre Krönung durch die Ernennung zum Reichsgerichtspräsidenten am 15. Februar 1929. Um das Ansehen des höchsten deutschen Gerichts in der Öffentlichkeit zu heben, wurde seinem neuen Präsidenten am 8. Juni 1929 durch die juristische Fakultät der Berliner Universität in Übereinstimmung mit der philosophischen Fakultät der Titel eines Dr. rer. pol. hon. causa verliehen. Am 17. Dezember 1932 schließlich erfolgte Bumkes Bestellung zum Stellvertreter des Reichspräsidenten.
Wie zahlreiche andere, die dem Nationalsozialismus wegen seines ordinären und gewalttätigen, Tradition und Recht mißachtenden Charakters bisher distanziert gegenübergestanden hatten, so ließ sich auch Erwin Bumke von den wirtschaftlichen und den außenpolitischen Erfolgen seit dem 30. Januar 1933 beeindrucken. Hinzu kam, daß er glaubte, die Chancen der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland zu schmälern, wenn man sich gegen das Regime wende, anstatt mit ihm zusammenzuarbeiten und dadurch die neuen Machthaber an Recht und Gesetz zu binden.
Zwar hat Bumke angesichts der unwürdigen Rolle, die die Justiz im „Dritten Reich“ mehr und mehr spielte, erwogen, aus seinem Amt zu scheiden, doch scheint ihn der Gedanke, daß es dann an „irgendeinen wilden Nationalsozialisten“ falle, davon abgehalten zu haben. Bis zum bitteren Ende verharrte er schließlich auf seinem Posten, wodurch er sich immer tiefer in das Unrecht des NS-Staates verstrickte. Der Niedergang des Reichsgerichts und damit auch seines Präsidenten seit 1933 wurde überaus deutlich anläßlich des 70. Geburtstags Erwin Bumkes am 7. Juli 1944. Die angeregte Verleihung des Adlerschildes des Deutschen Reiches lehnte Hitler mit der Begründung ab, daß diese Auszeichnung nur solchen Persönlichkeiten verliehen werden sollte, „deren Schaffen und Wirken weit über den Rahmen ihres eigentlichen Arbeitsgebietes hinausgeht und Gemeingut des Deutschen Volkes geworden ist.“
Als die Amerikaner am 20. April 1945 in Leipzig einrückten, entzog Erwin Bumke sich seiner vorhersehbaren Verhaftung durch Freitod. Laut Sterbeurkunde verstarb er am 20. April 1945 in seiner Wohnung im Reichsgerichtsgebäude in der Beethovenstraße 4. Da sein ältester Sohn 1941 gefallen war, sein jüngerer in den letzten Kriegstagen ums Leben kam und seine Frau einige Jahre nach Kriegsende verstarb, wurde mit dem Untergang des nationalsozialistischen Deutschlands auch die Familie Bumke ausgelöscht.
Als Kind gut situierter Eltern, die dem Bildungsbürgertum angehörten, geboren, entstammte er jener Gesellschaftsschicht, aus der sich im Wilhelminischen Deutschland der Justizdienst rekrutierte. Finanziell unabhängig, begabt, ehrgeizig, konservativ und mit guten Umgangsformen versehen, brachte er ideale Voraussetzungen für eine Karriere in der Justiz mit. Schuld lud er vor allem dadurch auf sich, daß er den Vorsitz des Besonderen Strafsenats übernahm, der nach Kriegsausbruch 1939 als „Gerichtshof des Führers“ eingerichtet worden war, um rechtskräftige Urteile den Vorstellungen Hitlers entsprechend zu „korrigieren“, was nichts anderes bedeutete, als Todesurteile zu fällen, keineswegs jedoch, um der Rechtsfindung zu dienen.
Lit.: Oswald Bumke: Erinnerungen und Betrachtungen. Der Weg eines deutschen Psychiaters, München 1952. – Erich Ebermayer: Das Reichsgericht vor 1933; in: Prisma, Heft 11 (1947), S. 21ff. – Friedrich Karl Kaul: Geschichte des Reichsgerichts, Bd. 4: 1933-1945, (Ost-)Berlin 1971. – Hans Mommsen: Beamtentum im Dritten Reich, Stuttgart 1966. – August Schaefer: Das große Sterben im Reichsgericht, in: Deutsche Richterzeitung 1957, S. 249/50. – Hugo Sinzheimer/Ernst Fraenkel: Die Justiz in der Weimarer Republik. Eine Chronik, Neuwied und Berlin 1986. – Ilse Staff: Justiz im Dritten Reich, Frankfurt a.M. 1964 (Fischer Bücherei). – Dieter Kolbe: Reichsgerichtspräsident Dr. Erwin Bumke. Studien zum Niedergang des Reichsgerichts und der deutschen Rechtspflege (Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts. Reihe A: Studien, Bd. 4), Karlsruhe 1975. – Zum 65. Geburtstag von Erwin Bumke 1939 erschien eine Festschrift mit dem Titel „Erwin Bumke zum 65. Geburtstag“, Berlin 1939, mit einem Vorwort von Reichsjustizminister Franz Gürtner sowie unter anderem Beiträgen der damaligen Staatssekretäre im Reichsjustizministerium Dr. Franz Schlegelberger und Dr. Roland Freisler.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Erwin_Bumke
Konrad Fuchs