Biographie

Bunge, Friedrich Georg von

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Rechtsgelehrter
* 1. März 1802 in Kiew
† 28. März 1897 in Wiebaden

Der um die Erforschung des baltischen Rechts und der baltischen Geschichte hochverdiente Bunge entstammte einer deutschen Familie, die in Kiew ansässig war. Dort besuchte der Knabe eine deutsche Privatschule. Nach dem Tode seines Vaters, eines Apothekers, zog die Mutter mit ihren Kindern nach Dorpat in Estland. In dieser Stadt absolvierte Bunge das Gymnasium, und an der Dorpater Universität, die trotz der Zugehörigkeit Estlands zum Russischen Reich völlig deutsch geprägt war, nahm er 1818 das Studium auf. Sein Fach wurde nach einem Wechsel des Studiengebiets die Rechtswissenschaft.

Nach dem Erwerb des Kandidatengrades war der junge Jurist an seiner Alma mater als Lektor für Russisch und ab 1823 als Dozent tätig. Damit begann seine vornehmlich auf das liv-, est- und kurländische Provinzialrecht konzentrierte Lehrtätigkeit, die er 1831 bis 1842 als Ordentlicher Professor fortsetzen konnte. Während Bunge zuvor, in den Jahren 1825 bis 1831, neben der Dozententätigkeit zur Absicherung seiner bürgerlichen Existenz als Dorpater Ratsherr und Syndikus gewirkt hatte, ermöglichte ihm die Professur die volle Entfaltung seiner wissenschaftlichen Fähigkeiten.

Als dem ehemaligen Universitätsrektor Ulmann, der für den russischen Bildungsminister Uvatov unbequem geworden war, 1842 von Dorpater Studenten ein Pokal verehrt wurde, führte dies groteskerweise zur Entlassung von drei Professoren, darunter von Bunge. Dieser hatte nur geäußert, daß hier das gesetzliche Verbot, von Untergebenen Geschenke anzunehmen, nicht anzuwenden sei. Bunge fiel jedoch nicht dauerhaft in ”Ungnade”, sondern konnte 1844 bis 1856 in Reval das Amt eines Bürgermeisters bekleiden. Danach war er sogar an der Kaiserlichen Kanzlei in St. Petersburg tätig, um einen Kodex des Privatrechts der Ostseeprovinzen Rußlands auszuarbeiten. Seine umfangreiche Zusammenstellung, für die er auf die deutschbaltische Rechtstradition zurückgriff, erlangte 1865 Gesetzeskraft. Mit der Begründung, das Petersburger Klima habe seine Gesundheit angegriffen, siedelte er im selben Jahr nach Gotha über. Ab 1879 lebte er, allmählich erblindend, in Wiesbaden. Dort starb der Gelehrte, kurz nachdem er zu seinem 95. Geburtstage aus dem Baltikum noch viele Bezeugungen der Hochachtung empfangen hatte.

Aufgrund eines unerhörten Arbeitseinsatzes hat Bunge trotz anspruchsvoller außerwissenschaftlicher Berufstätigkeit als Gelehrter wahrhaft Großes vollbracht. Er verfaßte zahlreiche Aufsätze und Monographien, erschloß in gewaltigem Umfang historisches Quellenmaterial und gab wichtige Zeitschriften heraus. Zu den letzteren gehörten dieDorpater Jahrbücher für Litteratur, Statistik und Kunst (1833-1836), die niveauvolle WochenschriftDas Inland (1836-1843) sowie das Archiv für die Geschichte Liv-, Ehst- und Kurlands (1842-1854). Wurden bereits in diesen Periodika viele Quellen publiziert, so kommen den Editionen Bunges zur Rechtsgeschichte wie Die Quellen des Revaler Stadtrechts (1842-1846), die Sammlung der Rechtsquellen Liv-, Ehst- und Kurlands (1844-1847) und Altlivlands Rechtsbücher (1879) grundlegende Bedeutung zu. Vor allem aber gilt Entsprechendes für das Liv-, Ehst- und Curländische Urkundenbuch. Unter Heranziehung der von ihm geordneten Archivalien des Revaler Stadtarchivs hat Bunge sechs umfangreiche Bände dieses von ihm begründeten und später von anderen weiterbetreuten Quellenwerkes ediert (1853-1873). Von seinen Monographien seien beispielhaft die Werke Entwicklung der Standesverhältnisse in Liv-, Ehst- und Curland (1838), Das liv-, und ehstländische Privatrecht (2. Auflage 1847), Das Herzogtum Ehstland unter den Königen von Dänemark (1877) sowieDie Stadt Riga im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert (1878) genannt.

Das starke geschichtliche Interesse des einstigen Jurastudenten Bunge wurde durch die Bekanntschaft mit Werken der deutschen historischen Rechtsschule (Savigny) geprägt. In seinen rechtsgeschichtlichen Arbeiten zeichnete er im übrigen gern die Linien nach, die das Recht der baltischen Länder mit seinen deutschen Ursprüngen verbanden. Dies galt bereits für eine frühe Schrift von ihm über den Sachsenspiegel als Quelle des livländischen Ritterrechts, für die er 1826 von der Universität Heidelberg den juristischen Doktorgrad erhielt. Spätere Werke Bunges reagierten auf die St. Petersburger Russifizierungspolitik im Baltikum. Beispielsweise richtete sich sein Werk Die Revaler Rathslinie nebst Geschichte der Rathsverfassung (1874) gegen das Bestreben, die russische Städteordnung von 1870 auf die Ostseeprovinzen zu übertragen.

Bunge war der Begründer der wissenschaftlichen Bearbeitung des baltischen Provinzialrechts und der baltischen Rechtsgeschichte. Über die letztere hinaus hat der hochproduktive Gelehrte auf vielen weiteren Gebieten der älteren Geschichte des Baltikums geforscht und publiziert. Zahlreiche Ergebnisse von ihm sind noch heute gültig. Was die Herausgabe von mittelalterlichen Quellen betrifft, gingen die seit den 1860er Jahren bei Georg Waitz in Göttingen geschulten jüngeren baltischen Historiker neue Wege. Das mindert aber nicht das Verdienst Bunges, der einen so großen Fundus an Quellen erschlossen hat und dessen Editionen für die Forschung nach wie vor unverzichtbar sind. Unter den Gelehrten der baltischen Länder war Bunge einer der bedeutendsten.

Lit.: Deutschbaltisches biographisches Lexikon 1710-1960, hg. v. W. Lenz, Köln/Wien 1970, S. 132. – W. Greiffenhagen: Dr. jur. Friedrich Georg v. Bunge, Reval 1891. – H. Diederichs: Friedrich Georg von Bunge, in: Baltische Monatsschrift 44 (1897), S. 357-386. – Geschichte der deutschbaltischen Geschichtsschreibung, hg. v. G. von Rauch, Köln/Wien 1986.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Georg_von_Bunge

Norbert Angermann