Biographie

Bunge, Gustav Piers Alexander von

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Biochemiker, Mediziner
* 19. Januar 1844 in Dorpat/Livland
† 5. November 1920 in Basel

Der bedeutende Biochemiker und führende Repräsentant der neo-vitalistischen Richtung der Biologie, Gustav Piers Alexander von Bunge, war Sohn des Dorpater Botanikers Alexander Georg Bunge (1803 – 1890) – bekannt durch seine Forschungsreisen nach China, dem Altaigebiet, Afghanistan u. a. – und dessen Ehefrau Elisabeth, geborene von Pistohlkors. Wissenschaftsgeschichtlich kann man Gustav von Bunge einer Entwicklungslinie zuordnen, die an der „deutschen“ Universität Dorpat von Karl Ernst von Baer und Alexander Schmidt bis zu Jakob Johann von Uexküll führte. Außerdem war der Junggeselle Bunge ein engagierter Vorkämpfer der internationalen Antialkoholbewegung.

Die Anfangsgründe seiner Bildung erhielt Bunge in der Gaikeschen Privatschule in Luhde-Großhof (est. Paju, Kr. Walk). Von 1855 bis 1863 besuchte er das Gymnasium in seiner Heimatstadt, um sich im letzten Jahr ebendort in die medizinische Fakultät zu immatrikulieren. 1866 wechselte er auf die physiko-mathematische Fakultät, wo er hauptsächlich Chemie, Physiologie und Pharmakologie unter den Professoren Carl Schmidt und Oswald Schmiedeberg studierte. Am studentischen Leben nahm Bunge als Mitglied der „Livonia“ aktiv teil. Nachdem er 1871 die Kandidatenprüfung der Chemie abgelegt hatte, wurde er 1872 Assistent am chemischen Laboratorium, dessen Direktor C. Schmidt war. Den Magistergrad der Chemie erhielt Bunge 1873, und schon vor der Verteidigung seiner Dissertation zum Doktor der ChemieÜber den Kali-, Natron- und Chlorgehalt der Milchim Herbst 1874 wurde er im Sommer dieses Jahres zum Dozent für Physiologie an der Universität Dorpat ernannt, an der er bis 1885 blieb. Seine Studien ergänzte er zunächst in Straßburg und später in Leipzig, wo er 1882 den medizinischen Doktortitel erwarb. Anläßlich des 50jährigen Bestehens der Universität Kiew 1884 wurde Bunge dort mit der Ehrendoktorwürde der Medizin geehrt.

1885 nahm Bunge den Ruf an den Lehrstuhl für Physiologie an der Universität Basel an, wo er bis zu seinem Lebensende wirkte. Den ein Jahr später erfolgten Ruf an die Universität Kiew schlug er aus. Bunge war korrespondierendes Mitglied der Academia Medico-Fisica in Florenz und seit 1902 Mitglied der Academie de medicine in Paris. Weiterhin war er Mitglied der Leopoldina-Carolina, der deutschen Akademie der Naturforscher. Über den Menschen Bunge ist überliefert, daß er als Gymnasiast „zu den stärksten Quälgeistern seines russischen Lehrers“ (Strümpell, a. a. O., S. 17) gehörte, indem er durch seine mehr als schwachen Russisch-Kenntnisse „glänzte“. Der Dozent und Professor wurde von seinen Zeitgenossen als brillanter Redner gerühmt, der seine Vorlesungen fesselnd vorzutragen verstand.

Werke (außer Zeitschriftenaufsätzen): Der Vegetarianismus, Berlin 1885,1900. -Die Alkoholfrage, 1887 (in 12 – nach anderen Quellen 18 – Sprachen übersetzt). – Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie, 1887,4. Aufl. 1898 (in 5 Sprachen übersetzt). – Lehrbuch der Physiologie des Menschen, 2 Bde., Leipzig 1901, 1905. – Alkoholvergiftung und Degeneration, 2. Aufl., Leipzig 1904. – Die zunehmende Unfähigkeit der Frauen, ihre Kinder zu stillen, 6. Aufl., München 1909. -Lehrbuch der organischen Chemie für Mediziner, 3. Aufl., 1925.

Lit: Album Livonorum, bearb. von W. Lenz, Lübeck 1972, S. 191. – J. Brennsohn: Die Ärzte Estlands vom Beginn der historischen Zeit bis zur Gegenwart, Riga 1922, S. 426, R. v. Engelhardt: Die deutsche Universität Dorpat in ihrer geistesgeschichtlichen Bedeutung, München 1933, S. 141 – 143, 294 – 298, 382. – Aus baltischer Geistesarbeit. Reden und Aufsätze, neu hrsg. vom Dt. Verein in Livland, Bd. 2, Riga 1909, S. 198 – 214. – S. S. Krivobokova: Raboty G. Bunge i ego uenikov v Tartuskom universitete (Die Arbeiten G. v. Bunges u. seiner Schüler an der Univ. Dorpat), in: Iz istorii estestvozvanija i techniki Pribaltiki (Aus d. Gesch. der Naturwissensch. u. Technik d. Baltikums), Riga 1970, S. 179 – 184. – G. V. Levickij: Biografičeskij slovar‘ professorov- i prepodavatelej imperatorskago Jur’evskago, byvago Derptskago, universiteta za sto let- ego susöestvovanija 1802 – 1902 (Biograph. Wörterbuch der Professoren und Lehrer der kaiserl. Univ. Jur’ev, vormals Dorpat, nach 100 Jahren ihrer Existenz), Bd. 2, Jur’ev 1903, S. 306 – 308. – J. Pagel (Hrsg.): Biograph. Lexikon hervorragender Ärzte des 19. Jhs., Berlin u. Wien 1901, Sp. 279f. – Deutsch-baltisches biograph. Lexikon 1710- 1960 hrsg. von W. Lenz, Köln, Wien 1970,8.133.-J. C. Poggendorffs biograph.-literar. Handwörterbuch (zur Gesch.) der exakten Wissenschaften, Bd. 3, Leipzig 1898, l, S. 214 – Bd. 4, Leipzig 1902, l, S. 204f. – Bd. 6, Berlin 1936,1,8. 369. – A. Strümpell: Aus dem Leben eines deutschen Klinikers. Erinnerungen und Beobachtungen, Leipzig 1925, S. 17f., 53. – C. McCay: Gustav B. von Bunge (January 19, 1944 – November 5, 1920), in: Journal of Nutrition, 49 (1953), 3, S. 2-19.

Bild: R. v. Engelhardt, a. a. O., Bildtafel nach S. 284.

Weblinks: https://bbld.de/0000000081088083

Csaba János Kenéz