Biographie

Buske, Norbert

Herkunft: Pommern
Beruf: Pfarrer, Kirchenhistoriker, Politiker
* 2. Januar 1939 in Demmin/Vorpommern

Am 2. Januar 2011 beging Kirchenrat i. R. Pfarrer Dr. Norbert Buske seinen 75. Geburtstag. Ihm zu Ehren veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte am 14. Januar 2001 im Wappensaal der Kreisstände des ehemaligen preußischen Kreises Greifswald ein Festkolloquium mit Referenten der Greifswalder Universität, des polnischen Kunst­historikerverbandes, des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig sowie der Nordelbischen und – last but not least – der Pommerschen Evangelischen Kirche. Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einem Bericht des Restaurators der Sarkophage der Herzöge von Pommern-Wolgast, Wolfgang Hofmann, über die Arbeiten an der letzten Ruhestätte der Greifen sowie mit einem „Persönlichen Resümee“ des Kunstfotografen und Verlegers Thomas Helms, eines langjährigen Weggefährten und persönlichen Freundes des Jubilars. Ihren musikalischen Abschluss fand die Veranstaltung in der Annenkapelle von St. Marien zu Greifswald mit dem „In dulci jubilo“, das von Dr. Beate Bugenhagen (Cornetto/Zink) und Dr. Immanuel Musäus (Cornetto/Zink) vorgetragen und auf der Orgel vom Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Greifswald, dem Musikwissenschaftler Prof. Dr. Matthias Schneider, begleitet wurde. Durch das anspruchsvolle und umfangreiche Ganztagsprogramm führte stimmungsvoll Oberkirchenrat Dr. Christoph Ehricht in Gegenwart des Greifswalder Oberbürgermeisters, Dr. Arthur König, Vertretern des Kulturamtes der Han­­se­stadt und zahlreichen weiteren Gästen und Zuhörern aus nah und fern. Die wissenschaftlichen Vorträge, die auf dem Festkolloquium gehalten wurden, werden von Haik Thomas Porada und Michael Lissok im Rahmen der Festschrift für Norbert Buske als Band 15 der „Beiträge zur pommerschen Landes-, Kirchen- und Kunstgeschichte“ herausgegeben. In der Festschrift wird ebenfalls eine Liste der Veröffentlichungen Norbert Buskes abgedruckt werden.

Norbert Buske wurde am 2. Januar 1936 in Demmin als Sohn eines Pfarrers geboren. Seiner pommerschen Heimat ist er, abgesehen von der Zeit seines Studiums und Vikariats in Berlin, treu geblieben. Hier wirkt er bis heute in vielfältiger Weise in Kirche, Politik und Wissenschaft. Den Zweiten Weltkrieg, das Kriegsende und die Zerstörung Demmins erlebte er in seiner Heimatstadt.

Nach dem Abitur 1954 in Demmin und dem Studium der Theologie und der Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität in Berlin fand er zunächst als Vikar am Berliner Dom, zu dem Gemeindeglieder sowohl aus Ost- als auch Westberlin gehörten, seinen ersten beruflichen Wirkungskreis. Der Bau der Berliner Mauer betraf die Domgemeinde direkt und unmittelbar, wurde sie selbst damit doch ebenfalls in eine östliche und eine westliche Hälfte gespalten. 1959 unterzog sich Buske dem Ersten Theologischen Staatsexamen. Es war sein Ziel, als Pfarrer in seine Heimat Vorpommern zurückzukehren. Daher meldete er sich im Jahre 1961 beim Konsistorium in Greifswald zum Zweiten Staatsexamen an. Seit 1962 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2001 war Norbert Buske als Pfarrer in Levenhagen bei Greifswald tätig.

In den Zeiten, in denen die Gefahr bestand, dass historische Kontinuitäten verblassen oder verloren gehen, gehörte Norbert Buske zu denen, die sich intensiv für die Sicherung des Wissens über Kultur und Geschichte Pommerns einsetzten. Wer dies damals in Pommern selbst tat, geriet nicht selten politisch unter Druck. So ist dieser Einsatz erst recht zu würdigen. Von 1981 bis 2009 bekleidete Norbert Buske den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte; von 1984 bis 1990 war er als Lehrbeauftragter für Territorialkirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald tätig. Gleich mit der Wiedervereinigung Deutschlands erwarb Norbert Buske die in der DDR nicht mögliche Mitgliedschaft in der Gesellschaft für pommersche Geschichte, Altertumskunde und Kunst und wurde in den Vorstand gewählt. Von 1990 bis 2005 war er auch Vorstandsmitglied der Historischen Kommission für Pommern.

Wer in den Jahrzehnten vor 1990 zur Geschichte Pommern forschte und veröffentlichte, tat dies – sowohl in Ost als auch in West – meist neben anderen beruflichen Aufgaben und Tätigkeiten. Es ist daher besonderer Hervorhebung würdig, dass Norbert Buske 1968, nachdem die scharfen, für etliche Landeshistoriker durchaus auch existenzbedrohenden Auseinandersetzungen um die Geschichtliche Landeskunde, das wissenschaftliche Konzept der Landesgeschichte, in der DDR gerade gelaufen waren, seine Dissertation über Küstenstationen als Gnadenorte fast wie selbstverständlich mit dem Untertitel Ein Beitrag zur mittelalterlichen Kirchengeschichte des Herzogtums Pommern versah. Auch als die Landesgeschichte im Jahr 1979 in der DDR rehabilitiert wurde, waren es vornehmlich Sachsen und Brandenburg-Preußen, auf die der Kurswechsel des Politbüros der SED vornehmlich abzielte, weniger Pommern.

Von Bedeutung für den Überlebenskampf der Kirchen im Sozialismus war der Kontakt zu anderen bedrängten religiösen Gemeinschaften im sowjetischen Imperium. Hier galt es, Solidarität und Zusammenarbeit über die konfessionellen Grenzen hinweg zu pflegen. In diesen Hintergrund ordnen sich die Reisen ein, die Norbert Buske gegen Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre in zahlreiche Regionen im Norden sowie im Süden und mittleren Osten der UdSSR und Bulgariens unternahm. Stationen dieser Reisen waren, um nur eine Auswahl anzuführen, der Kaukasus, Armenien und Ossetien, Buchara im Süden der Sowjetunion und Pleskau, Novgorod sowie das sowjetische Karelien mit der Insel Kischi im Onegasee mit ihren zahlreichen Kultur- und Kunstdenkmälern im Norden. Die Erträge dieser Reisen wurden in den Jahren 1971 bis 1977 in zahlreichen Artikeln in der Wochenzeitung „Die Kirche“ und in der „Mecklenburgischen Kirchenzeitung“ veröffentlicht. Auf diesen Reisen lernte der Gemeindeseelsorger aus Leven­hagen die Situation sowohl der christlichen Kirchen als auch der islamischen Gemeinden kennen. Sie alle verband das gemeinsame Schicksal als Angehörige von Glaubensgemeinschaften in einem atheistischen Staat zu leben, dessen Repräsentanten und Institutionen ihnen mit grundsätzlicher Ablehnung und Misstrauen gegenüberstanden. Die so gewonnenen Erfahrungen kamen Norbert Buske während seiner Mitgliedschaft und Tätigkeit in der Arbeitsgruppe Europafrage der Evangelischen Kirche in Deutschland in den Jahren 1977 bis 2001 sehr zustatten.

Norbert Buskes politisches Engagement beruht auf seiner Überzeugung, dass Kirche nicht im Verborgenen, sondern in der Öffentlichkeit wirken muss. Als nach der Wende von 1989 die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat selbst auch von Seiten kirchlicher Vertreter als „Komplizentum der Macht“ kritisch beurteilt wurde, erteilte Norbert Buske jeglichen Vorstellungen von politischer Enthaltsamkeit der Kirche eine konsequente Absage. Seit 1952 Mitglied der CDU, war er von 1966 bis 1980 Mitglied der (weltlichen) Gemeindevertretung in Levenhagen gewesen und hatte von 1980 bis 1990 im Kreistag Greifswald-Land, unter anderem im Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege, mitgearbeitet. Nach dem Wiederaufleben des Landes Mecklenburg-Vorpommern und den ersten freien Kom­mu­nalwahlen im Mai 1990 wählte ihn der Kreistag zu seinem Präsidenten. Dieses Amt legte er nieder, als er am 14. Oktober 1990 in den Landtag gewählt wurde. Hier war er während der ersten Wahlperiode 1990 bis 1994 als Vorsitzender des Rechtsausschusses und Mitglied der Verfassungskommission des Landes Mecklenburg- Vorpommern am Zustandekommen zahlreicher neuer Gesetze beteiligt.

In vielfältigen Zusammenhängen hat Norbert Buske beim Aufbau des Landes Mecklenburg-Vorpommern maßgeblich mitgewirkt. Beispielhaft sei auf das im neuen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern neu aufzubauende Gerichtswesen verwiesen. Greifswald wurde Standort des Landesverfassungsgerichts. Insbesondere geht auch die Festlegung der Hoheitszeichen des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern auf Norbert Buske zurück. Exemplarisch für Buskes Wirken im Landtag sei hier auf seine Rolle bei der gesetzlichen Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat in dem neuen Bundesland hingewiesen. Der als „Güstrower Vertrag“ in die Geschichte eingegangene Staatskirchenvertrag, der am 20. Januar 1994 zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche auf der einen Seite und dem Land Mecklenburg-Vorpommern auf der anderen abgeschlossen wurde, trägt in wesentlichen Teilen die Handschrift Norbert Buskes.

Von vergleichbarer Bedeutung sind Buskes Bemühungen um den Aufbau der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Mit zahlreichen Veröffentlichungen trug er lange Zeit als Autor die Öffentlichkeitsarbeit der Landeszentrale weitgehend allein. Erst nach und nach fanden sich auch andere Autoren. In diesem Zusammenhang entstanden die ersten wichtigen Schriften zur kampflosen Übergabe Greifswalds, zum Kriegsende in Demmin, dem Geburtsort Norbert Buskes, zu den Kriegsgräbern in politischem Besitz sowie zur Verfassungsgeschichte Pommerns (Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Landeskundliche Hefte), die durchweg in mehreren Auflagen erschienen sind.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag im Jahr 1994 wurde Norbert Buske in das Amt des Regierungsbeauftragten sowohl der Pommerschen Evangelischen Kirche (seit 1995) als auch der Evangelisch-lutherischen Kirche Mecklenburg (1997-1999) beim Landtag und bei der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern berufen, das er bis zu seiner Pensionierung versah.

Mit besonderem Nachdruck demonstrierte Norbert Buske politische Verantwortung, als er 1995 das Amt des Kreistags­präsi­denten des neu gebildeten Landkreises Ostvorpommern übernahm und bis 1999 ausübte. Geschichte betrachtet Norbert Bus­ke nicht als Abfolge von herausgehobenen Einzelereignissen, vielmehr müsse das geschichtliche Ereignis stets in seinen strukturellen Zusammenhängen und in seiner personalen Vernetzung begriffen werden. Gegenüber der Konstruktion „großer Persönlichkeiten“, die historische Prozesse und Entwicklungen vermeintlich allein geprägt haben, betonte Norbert Buske das Wirken der vielen in ihren angestammten – privaten und beruflichen – Lebenszusammenhängen. Als Historiker und Wissenschaftler spricht er sich gegen Personalisierung und gegen das Herausheben eines Einzelnen zu Lasten der vielen aus, die nicht an exponierter Stelle stehen, deren Wirken aber ebenfalls entscheidend für die Durchführung eines gemeinsamen Vorhabens ist.

Diese Haltung brachte er unter anderem in seinen Stellungnahmen zu der kontrovers diskutierten Frage, wem das Verdienst an der Bewahrung Greifswalds vor der Zerstörung in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges zukomme. Daher kann die Position, die Buske in seiner Darstellung der kampflosen Übergabe der Stadt Greifswald Ende April 1945 vertritt, als durchaus repräsentativ für seine Geschichtsauffassung insgesamt angesehen werden. Gegenüber der heroisierenden Überhöhung der Rolle des Stadtkommandanten, Oberst Rudolf Petershagen, dem das marxistisch-leninistische Traditionsverständnis der DDR-Geschichtswissenschaft das alleinige Verdienst der Rettung Greifswalds zusprach, wies Norbert Buske seinerseits darauf hin, dass hier eine Vielzahl von Personen aus den verschiedenen Bereichen der Wehrmacht, der Stadtverwaltung, der Universität und der ortsansässigen Unternehmen als Handlungseinheit zusammengewirkt hat, ohne das Verdienst Petershagens zu schmälern. Unbestritten gehörte Rudolf Petershagen zu dem recht kleinen Kreis deutscher Stabsoffiziere und Generäle, die professionell handelten, indem sie es ablehnten, militärisch nicht lösbare Aufgaben zu übernehmen.

Anlässlich der Verleihung des pommerschen Kulturpreises 1991 trug Norbert Buske sein Credo als Historiker vor, mit dem er Maßstäbe setzte für wissenschaftliches und politisches Handeln unter totalitären Herrschaftsverhältnissen. Ein gesellschaftlicher Einsatz müsse, so Norbert Buske, nach seinen eigenen Kriterien und seiner eigenen Dynamik unabhängig davon beurteilt werden, ob und inwieweit das herrschende Regime dieses Handeln gegebenenfalls etwa für seine Zwecke missbrauche.

Aus Platzgründen können hier nicht alle Veröffentlichungen Buskes aufgeführt werden, mit der er seine wissenschaftstheoretische Auffassung in der praktischen Forschung umgesetzt hat. Dazu sei auf die oben erwähnte Liste der Veröffentlichungen in der Festschrift zum 75. Geburtstag Buskes hingewiesen. Hier sei indessen das – nach Auffassung des Autors dieser Zeilen – hervorragendste Beispiel genannt, nämlich die ganz aus den Quellen gearbeitete Untersuchung „Ein Wort über die steigende Not des Tagelöhners in Pommern“ – der Bericht eines Pfarrers aus dem Jahre 1821“. In dieser agrar- und sozialgeschichtlichen Studie wird – ähnlich wie dies Georg Büchner in künstlerischer Gestaltung mit dem „Woyzeck“ gelungen ist – eine ganze Epoche, zwischen der Aufhebung der Leibeigenschaft und der Einführung der kommunalen Leistungsverwaltung, in ihrem strukturellen Kernbereich erfasst und exemplarisch dargestellt.

Die Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte knüpfte unter ihrem Vorsitzenden Norbert Buske immer wieder Kontakte zu Historikern in Polen an, die sie kontinuierlich ausbaute. Den ersten Anlass bot die im Jahr 1987 in Stettin gezeigte Ausstellung „Künste am Hof der westpommerschen Herzöge“. Es folgten Exkursionen zu historisch bedeutsamen Stätten in Hinterpommern. Hinzu traten Begegnungen mit der Evangelischen Kirche in Polen. Nach 1990 konnten diese Kontakte ausgebaut werden. Aus der Vielzahl von Exkursionen, Wochenendseminaren und Tagungen wuchs ein enges Netzwerk gegenseitigen Beziehungen.

So sind es insgesamt drei Bereiche, in denen Norbert Buske tiefe Spuren hinterlassen hat: Kirche, Politik und Wissenschaft. Dem entsprach, dass das eingangs erwähnte Festkolloquium, das aus Anlass des 75. Geburtstages am 14. Januar 2011 in Greifswald stattfand, drei Themenschwerpunkte aufwies, die von jeweils unterschiedlichen Referenten abgedeckt wurden: Kirche und Staat, Reformation und Konfessionalisierung und Kunstgeschichte. Freunde, Weggefährten, Bekannte und Kollegen wünschten Norbert Buske für seinen weiteren Lebensweg weiterhin Gesundheit und dynamische Schaffenskraft. Dem schließt sich der Autor dieser Zeilen an.

Lit.: Nachweis in: Michael Lissok/Haik Thomas Porada (Hrsg.), Bei­träge zur Kirchen-, Kunst- und Landesgeschichte Pommerns und des Ostseeraums. – Festschrift für Norbert Buske (Beiträge zur pommerschen Landes-, Kirchen- und Kunstgeschichte, Bd. 15) 2012.

Bild: Ev. Kirche in Mecklenburg-Vorpommern.

Werner Buchholz