Biographie

Camaro, Alexander

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler
* 27. September 1901 in Breslau
† 20. Oktober 1992 in Berlin

„Alexander Camaros Kunst ist ganz östlich-schlesische Melodie, die Stimme seines Lehrers Otto Mueller über das Grab hinaus, das Vermächtnis der toten Breslauer Akademie an die Lebenden, an Deutschland, an die Welt! Kein anderer Muellerschüler hat sich bisher – nach schweren Wanderjahren – solche Geltung verschafft wie Camaro.“ Ernst Scheyer, einst selbst maßgeblich im Breslauer Kunstleben tätig, hat aus seiner Detroiter Emigrations-Perspektive in seinem schönen Standardbuch „Die Kunstakademie Breslau und Oskar Moll“ (Würzburg 1961) diese Bewertung niedergeschrieben.

Camaro hat ein vielseitig künstlerisch bewegtes Leben geführt. Nach den gleichzeitigen Studien an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe und am Konservatorium in Breslau (1920-25) gründete er zunächst eine eigene Malschule, ging dann nach tänzerischer Ausbildung bei Mary Wigman in Dresden an Theater, Varieté und Kabarett als Schauspieler und Artist. 1933 traf ihn das Ausstellungsverbot und im Kriegsverlauf der Verlust des gesamten Frühwerks.

Erst seit 1946 konnte er sich voll entfalten in seinem weitgefächerten bildkünstlerischen Schaffen, als Professor an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste in Berlin, in bedeutenden künstlerischen Gremien, mit Ausstellungserfolgen in Deutschland und vielen anderen Ländern, zu deren wichtigsten eine große Retrospektive in der Berliner Akademie der Künste, die Ausstellung zur Eröffnung der Ostdeutschen Galerie Regensburg im Jahre 1970 und im selben Haus eine weitere anläßlich der Verleihung des Lovis-Corinth-Preises der Künstlergilde 1980 gehörten. 1951 hat ihn die Stadt Berlin, die Camaro so viele Impulse verdankt, mit ihrem Kunstpreis ausgezeichnet.

Als Maler und Graphiker hat Camaro eine stark lyrisch-betonte, abstrahierte Symbolsprache gefunden, in der Mythisches, Mystisches, Reales ebenso als Auseinandersetzung mit vergangenen Kulturen, prägenden Kräften der jüngsten Vergangenheit wie die Verarbeitung der Probleme unserer Zeit künstlerisch umgesetzt sind. Surrealismus, Abstraktion usw. sind da nur tangierende Hilfsbezeichnungen.

Sehr stark wirkt die Welt der Musik und das Theaters in sein ganzes Schaffen hinein. Das gilt auch für vieles, was er an Kunst am Bau, an Wandbehängen, Glasfenstern und Illustrationen geschaffen hat. Markante Beispiele für Camaros unmittelbar in die Öffentlichkeit wirkende Kunst sind – ab 1953 – ein großes Wandbild für die Fernseh-Ausstellung Düsseldorf, Arbeiten für den Bundesverband der Deutschen Industrie Köln, die Außenwand des Elefantenhauses im Berliner Zoo – er wohnt seit Jahrzehnten ganz in der Nähe – für die Kongreßhalle Berlin, die Weltausstellung Brüssel, das Max-Planck-Institut München, die Philharmonie Berlin, den Bundeskanzlerbungalow Bonn, den Reichstagsumbau Berlin, das Abgeordnetenhochhaus Bonn, den Internationalen Dulles Airport Washington und die Neue Staatsbibliothek Berlin. Neue Wege beschritten Camaros unmittelbare Arbeiten für die Bühne, so vornehmlich die Bühnenbilder für die Inszenierung von Jean Anouilhs „Colombe“ im Schloßparktheater Berlin, 1950, und die Figurinen zu Ernst Schröders „Faust-II“-Inszenierung im Schiller-Theater Berlin, 1966, für die sein Hochschulkollege, der Bildhauer Bernhard Heiliger, auch er Corinth-Preisträger, die Bühnenbilder entwarf. Beider Arbeit ist in einer 1967 erschienenen Lithographien-Mappe künstlerisch festgehalten. Alexander Camaro hat in seinem „Tagebuch Breslau“ (abgedruckt im Brücke-Archiv, 1972-73, Heft 6) über seinen Lehrer und Freund Otto Mueller und die Breslauer Akademie berichtet. Darin wie in seiner Sprechweise (er hat bis ins hohe Alter – bei allerWeitläufigkeit – sich einen schlesischen Akzent) bewahrt, das Schlesische gewissermaßen in Universales eingebracht. In einem Bekenntnis, 1955 niedergeschrieben im Nachwort des Katalogs „Maler der Breslauer Akademie“ (Haus am Lützowplatz) äußerte er:

„Unmerklich, nicht zuletzt wohl durch intensives, nähergelegenes Zeitgeschehen, pflegen Dinge und Menschen zu verblassen und langsam in Vergessenheit zu geraten. Dies ist der Ablauf jeder Epoche … Und doch ist die Vergangenheit, der zurückgelegte Weg, gleichsam ein Teil unseres Weges. Wir können und dürfen ihn nicht als nicht begangen oder erinnerungsunwürdig verleugnen. Im Gegenteil! Oft ist ein Rückblick heilsam, denn er war ja einst ebenso real und gegenwärtig.“

Als kompetentester Kommentar zum eigenen Werk und dessen Fortgang können Sätze aus Camaros „Anmerkungen und Betrachtungen“ aus demselben Jahr 1955 zitiert werden: „‘Die Moderne‘ ist ein ehrlicher und notwendiger Ausdruck unserer Zeit, sonst gäbe es sie nicht. Es ist kein Mißklang, wenn sie versucht, in Gebiete vorzustoßen, oder sie zu erfassen sucht, die durch die Erkenntnisse der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung erschlossen sind. Denn es ist nicht zu leugnen, daß dadurch unser Weltbild ein zusätzlich neues Gesicht erhalten hat. Warum sollten diese Tatsachen sich nicht auch in der Kunst zeigen? Denn der Prozeß der Umwandlung auf allen Gebieten hat unser bisheriges Begriffsvermögen von Grund auf erschüttert… Können wir uns heute nicht von Wissenschaft und Technik, oder besser den erforschten Welten, inspirieren lassen?“

So finden sich unter Hauptwerken des späteren Œuvre Titel wie z.B. „Orchestrion“, „Fuga“, „Guszla“ aus dem musikalischen Bereich, „Sphinx“ aus dem mythischen, „Unter dem Radarschirm“ aus dem technischen.

Lit.: Camaro – Bilder, Aquarelle, Zeichnungen. Ausstellungskatalog Akademie der Künste, Berlin, Okt./Nov., 1969; Akademie der Künste Berlin, Berlin, 1970-79, Bd. l: Die Mitglieder, S. 27. Berlinische Galerie, Kunst in Berlin, Bd. 3,1980; Alexander Camaro, Lovis-Corinth-Preis 1980, Katalog der Ausstellung, Künstlergilde – Putsche Galerie 1980-1981; 10 Jahre Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde, Katalog der Ausstellung 1984 Esslingen, Bonn.

Ernst Schremmer (1986)