Biographie

Cappeller, Carl Johann Wilhelm

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Indologe, Sanskritist
* 22. März 1840 in Alexkehmen, Kr. Stallupönen
† 17. Juli 1925 in Jena

Auf dem Gebiet der Indologie ragt Carl Johann Wilhelm Cappeller hervor als Herausgeber und Bearbeiter altindischer Kunstdichtung, ebenso als Übersetzer, der sich auch in schwieriges Sanskrit dichterisch kongenial einzufühlen vermochte, und nicht zuletzt durch seine lexikographischen Arbeiten, die von bleibendem pädagogischen Wert sind. Sein Sanskrit-Wörterbuch (Straßburg 1887) ist ein heute noch für die Anfangslektüre im Sanskrit viel benutztes Nachschlagewerk. Gleichwohl verstand es Cappeller, sein orientalistisches Fachgebiet mit einem ausgeprägten Sinn für Heimatforschung zu verbinden: Als „Borussus Orientalis“ (d.h. Ostpreuße), wie er sich auf dem Titelblatt seiner lateinisch geschriebenen Doktorarbeit bezeichnete, widmete er sich der litauischen Volksliteratur (Lieder, Geschichten, Märchen), die er in seiner nahe zur russisch-litauischen Grenze gelegenen ostpreußischen Heimatgemeinde vorfand. Mit dem Litauischen war der Gutsbesitzersohn Cappeller von seiner Kindheitvertraut.

Er wurde am 22. März 1840 auf dem Landgut Alexkehmen geboren,einem der 31 Gutsbezirke im Landkreis Stallupönen (etwa 140 kmöstlich von Königsberg und seinerzeit ca. 11 km von der russischen Grenze entfernt), Regierungsbezirk Gumbinnen. Väterlicherseitsstammte er von evangelisch-lutherischen Emigranten aus dem Salzburger Land ab, die sich zu Beginn des 18. Jh. in Ostpreußen angesiedelt hatten.

Nach dem Abschluß des Gymnasiums in Gumbinnen begann Cappeller im Jahre 1860 zunächst mit dem Studium der klassischen Sprachen an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin; aber bald schon verlegte er seinen Studienschwerpunkt auf die Indogermanistik und besonders auf die Sanskrit-Philologie. In Berlin hörte er noch bei Franz Bopp (1791-1867), dem Begründer der Vergleichenden Indogermanischen Sprachwissenschaft. Prägend war jedoch der Einfluß Albrecht Webers (1825-1901), der neben Bopp ao. Prof (seit 1867 o. Prof.) des Sanskrit in Berlin war; er ist deutlich spürbar in Cappellers Dissertation (erschienen 1868 in Königsberg: „Observationes ad Kâlidâsae Mälavikägnimitram, d.h. Beobachtungen zu Kâlidâsas Schauspiel Mâlavikâgnimitra), mit der er im gleichen Jahr in Leipzig promoviert wurde, und in der auf Webers Forschungen fußenden Habilitationsschrift über die morenzählenden Metra der Inder (Die Ganachandas. Ein Beitrag zur indischen Metrik. Leipzig 1872).

Mit dieser Arbeit erhielt er die Lehrbefugnis an der Universität in Jena, wo er fortan (zuerst als Privatdozent und seit 1875 als ao. Prof.) lebte und wirkte. Neben seinen wissenschaftlichen Verpflichtungen arbeitete er noch bis 1890 nebenbei als Lehrer für Englisch, Französisch und Latein an einer Jenaer Oberschule. Erst 1921, im Alter von 81 Jahren, gab er seine Vorlesungstätigkeit wegen eines Augenleidens auf. Da Berthold Delbrück (1842-1922), Cappellers unmittelbarer Vorgesetzter in Jena, der von 1873 bis 1913 den Lehrstuhl für Sanskrit und vergleichende Sprachforschung innehatte, stärker sprachwissenschaftlich ausgerichtet war, vertrat Cappeller die schöne Sanskrit-Literatur.

Carl Cappeller war ein stiller und zurückhaltender Mensch, den seine Bescheidenheit davon abhielt, öffentliche Ehrenämter zu übernehmen. Charakteristisch für Cappellers Wesen ist deshalb, daß er nur widerstrebend den Hofratstitel, den man ihm 1908 verliehen hat, in einer offiziellen Gratulationscour entgegennahm. Seine Studenten, wie etwa der aus Dorpat stammende Leopold von Schröder, betonen seine große Herzensgüte.

Der Schwerpunkt von Cappellers gelehrter Tätigkeit lag auf dem Felde des Sanskrit-Dramas. Von den zwölf Texteditionen und Übersetzungen, die er zwischen 1875 und 1922 veröffentlicht hat, sind sieben Schauspiele. Darunter befinden sich bekannte Werke wie Kâlidâsas Abhijnânashakuntala (Textausgabe; Leipzig 1909), das auch m Westen schon früh Bewunderer fand (u.a. Goethe). Cappellers Nachdichtung der Shakuntala, wie das Stück nach seiner weiblichen Hauptfigur heißt, (Leipzig 1922) diente 1942 als Bühnenvorlage für eine Aufführung in Nürnberg. Obgleich noch ganz ein „Stubengelehrter“, der nie in Indien war und daher selten die Möglichkeit hatte, mit gelehrten Indern in Kontakt zu kommen, versetzte ihn die jahrelange Beschäftigung mit indischer Dichtung und Poetik in die Lage, selbst in Sanskrit zu dichten: 1902 und 1903 gab er seine Sanskrit-Nachdichtungen deutscher (Subhâshitamâlikâ. Jena 1902) und altgriechischer Verse (Yavanashatakam. Jena 1903) heraus, die in den folgenden Jahren auch in Indien publiziert wurden (Indian Antiquary [Bombay] Jg. 1904 und 1905).

Carl Cappeller war seit 1889 mit Anna Lengening verheiratet, mit der er drei Söhne hatte. Er starb am 17. Juli 1925 im Alter von 85 Jahren in Jena an Altersschwäche.

Werke (Auswahl): a. indologische: Kleine Schriften. Hrsg. von S. Lienhard. Wiesbaden1977 (Glasenapp-Stiftung Bd. 14) (enthält eine Bibl. der indolog. Schriften); b. nichtindologische: Kaip senëji Lëtuvininkai gyveno. Aufzeichnungen aus dem Kreise Stallupönen. Heidelberg 1904, übers. in: Leben der alten preußischen Litauer, 2. Aufl. Preußisch Holland (Ostpreußen) 1925; Jena und die Salzburger Emigranten (1732 und 1733). Jena 1910; „Zwölf Pasakos aus dem preußischen Südlitauen“. In: Indogermanische Forschungen 31 (1913), S. 427-447; „Noch zwölf Pasakos“ ebd. I (1915), S. 114-131; Litauische Märchen und Geschichten. Berlin 1925.

Lit.: NDB Bd. 3, S. 133; B. Barschel und M. Schäfter: „Sanskrit studies in the Jena. In: Sanskrit Studies in the GRD. Part I: Reports. Berlin (Ost) 1978, S. 113—129; Eduard Hermann: Berthold Delbrück, ein Gelehrtenleben… Jena 1923; M. Kraatz: Carl Cappeller, 1840-1925. Unveröffentl. Seminararbeit, Indisch-siatisches Seminar Marburg, Sommersemester 1962; Chr. Krollmann (Hrsg.): Altpreußische Biographie. Bd. 1. Königsberg 1941, S. 99a; Lietuviškoji Tarybine Enciklopedija. 5. Vilnius 1979, S. 267c; M. Schöne: „Die Tradition der Indologie an der Alma Mater Jenensis“. In: Wissenschaftl. Zeitschr. der Humboldt-Univers, zu Berlin, ges. – und sprachwissenschaftl. R. 25 (1973), S. 309 f.; L. von Schröder: Lebenserinnerungen. Leipzig 1921, S. 78; V. Stache-Rosen: German Indologists. New Delhi 81, S. 92 f; E. Windisch: Geschichte der Sanskrit-Philologie und indischen Altertums-Kunde. Tl. 2. Berlin; Leipzig 1920 (Grundriß d. indo-arischen Philologie u. Altertumskunde, Bd. l, H. l B), S. 381-384.

Abb.: W. Rau: Bilder 135 deutscher Indologen. 2. Aufl. Wiesbaden 1982 (Glasenapp-Stiftung Bd. 23), S. 42.

Peter Wyzlik