Biographie

Carnall, Rudolf von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Direktor des Oberbergamtes Breslau
* 9. Februar 1804 in Glatz
† 17. November 1874 in Breslau

Rudolf von Carnall begann nach seiner Ausbildung zum „Techniker“ in Berlin im Herbst 1824 seine Tätigkeit beim oberschlesischen Bergamt zu Tarnowitz als „Obereinfahrer“. Teil seines Aufgabenbereichs war die „Errichtung und Inbetriebnahme der Aufbereitungsanlage des staatlichen Blei- und Silberbergwerkes Friedrich“ sowie die „Herstellung des tiefen Friedrichstollens.“ Das dem königlichen Bergfiskus gehörende Bergwerk war „nach längerem Erliegen“ aus den Rudolphine-Fundschächten hervorgegangen. Am 16. Juli 1784 hatte das erste Bleierz wieder gefördert werden können. Trotz der Initiativen, das oberschlesische Berg- und Hüttenwesen emporzubringen, vor allem durch das Wirken von Heynitz und Reden, waren die Erfolge doch eher bescheiden geblieben. Von Carnall erkannte, daß es in Oberschlesien hinsichtlich der theoretischen Aufarbeitung der geologischen, zudem der berg- und hüttenmännischen Verhältnisse, erhebliche Defizite gab, weshalb er daran ging, sie zu beheben. Wie wenig in dieser Hinsicht bisher geschehen war, verdeutlicht die Feststellung, wonach von Carnall als „Begründer der eigentlichen bergmännischen Literatur“ im oberschlesischen Industriegebiet bezeichnet werden könne. Seine erste einschlägige fachwissenschaftliche Untersuchung ist betitelt: „Denkwürdige Tage und Auszüge aus der Geschichte des oberschlesischen Bergbaus“. Sie erschien 1844 als Beilage zum von Carnall’schen Kalender für den oberschlesischen Bergmann. Gewidmet ist sie den Themen „Grundzüge unserer heutigen Gebirgslehre“, „Entwurf eines geognostischen Bildes von Oberschlesien“ und „Die Bergschule aus Tarnowitz in Zweck und Einrichtung.“ Bereits zuvor hatte von Carnall sich mit geologischen Problemen Oberschlesiens beschäftigt. Eingeflossen waren die Erträge seiner Beschäftigung in die folgenden Beiträge: „Die vorzüglichsten Höhepunkte Oberschlesiens gegen den Oderspiegel beim Einfluß der Neiße und über der Meeresfläche“ (1829); „Geognostische Vergleichung zwischen den Nieder- und Oberschlesischen Gebirgs-Formationen und Ansichten über deren Bildung“ (1832); „Die Sprünge im Steinkohlengebirge“ (1836) – bekannt geworden unter der Bezeichnung „Schmidt-Carnall’sche Regeln“ –; „Die aufgeschwemmten Gebirge in Oberschlesien“ (1844).

Den Spezialuntersuchungen von Carnalls zum oberschlesischen Bergbau sind zuzurechnen: „Betriebsgeschichte des landesherrlichen Friedrichstollen bei Tarnowitz“ (1845), „Beschreibung der doppelwirkenden mit Hochdruck-Dampf arbeitenden Pumpen-Maschine auf der Verona-Galmei-Grube“ (1846); „Die Getriebe-Zimmerung in dem Friedrichstollen bei Tarnowitz“ (1847); „Beschreibung einer Wettertrommel für enge Grubenräume“ (1847).

Daß die Bergstadt Tarnowitz als Sitz des oberschlesischen Bergamts, zudem der dort 1838 gegründeten Bergschule, schließlich bis um 1850 als Zentrum der oberschlesischen Industrie während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts „Weltruf“ genoß, kann nicht verwundern, zumal hier nicht nur zahlreiche, sondern auch bedeutende Beiträge zur Bergbauwissenschaft verfaßt wurden. Die aus der Feder von Carnalls hatten daran einen bedeutenden Anteil, und dies nicht zuletzt deshalb, weil er als erster eine laufende Veröffentlichung herausgab, und zwar das von 1844 bis 1847 erschienene „Bergmännische Tagebuch für alle Freunde der Bergwerks-Industrie, im Besonderen derjenigen Oberschlesiens.“

Inwieweit von Carnalls Interesse auch noch nach seinemWeggang von Oberschlesien bzw. nach einer Zwischenstation als Oberbergamtsassessor in Bonn (1844-1847) und daran anschließend als Vortragender Rat in der Ministerialabteilung für Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Berlin (1847-1855) dem oberschlesischen Berg- und Hüttenwesen galt, lassen seine folgenden Arbeiten erkennen: „Der Strebbau auf der Bleierzgrube Friedrich bei Tarnowitz“ (1853), „Bohrversuche bei Pleß“ (1885), „Die erste Dampfmaschine in Schlesien“ (1860), „Oberschlesiens Gebirgsschichten oder Erläuterungen zu der geognostischen Karte von Oberschlesien“ (1860), „Über die Lagerungund Verbreitung der Steinkohlenflöze in Oberschlesien“ (1860). Verwiesen sei nicht zuletzt auf die durch von Carnall herausgegebene „Zeitschrift für Berg-, Hütten und Salinenwesen im Preußischen Staate“, deren erste Ausgabe 1853 erschien.

Von 1856 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1861 wirkte von Carnall in Breslau als Berghauptmann und Direktor des dortigen Oberbergamtes. Hier initiierte er die Gründung des Schlesischen Vereins für Berg- und Hüttenwesen. Neben seinem praktischen und theoretischen Engagement war er auf dem Gebiet der Sozialpolitik tätig, wodurch er u.a. auf das preußische Berggesetz vom 10. April 1854 Einfluß nahm, denn auf ihm bauen die heutigen Knappschaftsordnungen auf. Seine Gediegenheit und Vielseitigkeit stempeln von Carnall zu einer Maßstäbe setzenden Persönlichkeit Oberschlesiens. Anerkennung fanden sein Wirken und Werk in der Ernennung zum Geheimen Oberbergrat 1864 sowie zum Dr. phil. h.c. durch die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität 1855, an der er von 1849 bis 1855 als Dozent für Bergbaukunde wirkte.

Lit.: Rudolf von Carnall (Nachruf), in: Zeitschrift f.d. Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preußischen Staate, 1874, S. 22. – Allgemeine Deutsche Biographie 4 (1876), S. 4. – Neues Jahrbuch für Mineralogie, 1875, S. 112 (Nachruf). – Poggendorff, Handwörterbuch, 3, S. 237. – Berner, Schlesische Landsleute, 1901, S. 193. – C. Matscheß, Männer der Technik. Ein biographisches Handbuch, Berlin 1925. – W. Serlo: Berhauptmann von Carnall und die Seinen, in: Oberschles. Wirtschaft 5 (1930), S. 538-541. – Ders.: Westdeutsche Berg- und Hüttenleute und ihre Familien, 1938, S. 299f. – A. Perlick: Rudolf Arwed von Carnall als Glatzer Poet, in: Glatzer Heimatbl. 26 (1940), S. 129-132. – Ders.: Landeskunde des oberschlesischen Industriegebietes. Ein heimatwissenschaftliches Handbuch, Breslau 1943, S. 12f., 17f. 21f., 25, 40f. – Ders.: Oberschlesische Berg- und Hüttenleute. Lebensbilder aus dem oberschlesischen Industrierevier. Kitzingen/Main 1953, S. 96f., 253.  K. Fuchs: Rudolf von Carnall, in: Schlesische Lebensbilder, 7. Bd. Stuttgart 2001, S. 195-199. – Rainer Slotta, Das Carnall-Service als Dokument des Oberschlesischen Bergbaus, Bochum 1985.

Bild: Privatarchiv des Autors

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_von_Carnall

Konrad Fuchs