Biographie

Caro, Jacob

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Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Historiker
* 2. Februar 1836 in Gnesen/Prov. Posen
† 10. November 1904 in Breslau

Jacob Caro gehörte ähnlich wie der 20 Jahre jüngere Adolf Warschauer dem Posener Judentum an, das sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, insbesondere seit den Erschütterungen des Jahres 1848, bewußt und intensiv dem Deutschtum zuwandte und oft eine betont national-deutsche Haltung vertrat. Dem Sohn des Gnesener Rabbiners Josef Chaim Caro schien freilich zunächst ebenfalls das Rabbinat vorbestimmt zu sein, doch entschloß sich der hochbegabte Student, der die Reifeprüfung in Posen abgelegt hatte, zum Studium der Geschichte in Leipzig. Dort lenkte ihn Professor Heinrich Wuttke auf das Studium der Geschichte Polens, da Caro die polnische Sprache beherrschte. Mit einer Dissertation über das Interregnum Polens im Jahre 1587 promovierte er 1860 in Leipzig und revanchierte sich bei seinem Doktorvater durch „schätzbare Bemerkungen“ bei der Herausgabe des „Städtebuchs des Landes Posen“ (Leipzig 1864).

Die Kritiken der Dissertation waren so positiv, daß der Verleger Perthes den jungen Gelehrten mit der Fortsetzung der Geschichte Polens im Rahmen der Heeren-Ukertschen Sammlung „Geschichte der europäischen Staaten“ beauftragte. Den ersten, bis 1302 reichenden Band hatte der damals auch noch junge Richard Roepell (1808-1893) im Jahre 1840 veröffentlicht und sich damit sogleich einen Namen gemacht, die Arbeit dann aber nicht fortgesetzt. Caro ging rasch ans Werk, und schon 1863 erschien der von 1302 bis 1386 reichende zweite Band. Danach ging es freilich viel langsamer voran, und als 1886 und 1888 die beiden Teile des fünften Bandes erschienen, war erst das Jahr 1506 erreicht. Den erwarteten sechsten Band, der das 16. Jahrhundert behandeln sollte, hat Caro in den ihm noch verbleibenden 16 Lebensjahren nicht mehr geschrieben, doch hat er sich mit dieser monumentalen und zugleich minutiösen Darstellung von zwei Jahrhunderten polnischer Geschichte die volle Anerkennung der deutschen wie der polnischen Geschichtsschreibung erworben. Die Bände 2-4 erschienen 1897 in Warschau auch in polnischer Übersetzung, und der polnische Historiker Fryderyk Papée würdigte Caros Leistung in einem Nachruf 1904 mit den Worten: Sein Werk sei „die einzige aus den Quellen schöpfende Arbeit, die die Gesamtheit der Geschichte des polnischen Mittelalters erfaßt und die noch lange Zeit ein unentbehrliches Werk für den Historiker der Jagiellonenzeit bleiben wird“.

Wenn die„Geschichte Polens“ auch Caros wichtigstes Werk war, so erlangte er doch auch auf anderen Gebieten der politischen Geschichte und der Literaturgeschichte erhebliche Bedeutung. Nachdem er sich 1863 in Jena mit einer Arbeit über den polnischen Chronisten Johann Długosz habilitiert hatte (die Arbeit trägt den Untertitel: ein Beitrag zur Literaturgeschichte des XV. Jahrhunderts), wurde er für vier Jahre wissenschaftlicher Reisebegleiter der Großfürstin Helene Pavlovna, der Witwe des jüngeren Bruders Michael des Zaren Nikolaus I., die eine württembergische Prinzessin und eine hochgebildete Frau war. Auf diesen Reisen konnte er auch die Archive in Moskau und Petersburg benutzen und seine ohnehin umfassende Bildung in Italien und der Schweiz noch mehr erweitern. 1868 wurde er außerordentlicher Professor in Jena, 1869 in Breslau, erhielt aber erst 1882 dort als Nachfolger Roepells einen ordentlichen Lehrstuhl für Geschichte, den er bis zu seinem Tode innehatte. Er war als Kenner der internationalen Literatur – z. B. schrieb er gedankenreiche Skizzen über Pico Mirandola, Dante, Shakespeare, Lessing und Swift –, insbesondere aber als hervorragender Redner berühmt. So hielt er eine vielbeachtete Gedächtnisrede auf Heinrich v. Treitschke 1896, die Festrede bei der Feier der Universität Breslau zur Jahrhundertwende 1900 und die Festrede bei der feierlichen Gründung der Deutschen Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft in Posen. (Letztere unter der Überschrift: Zur Geschichte des Hochschulgedankens in der Provinz Posen, gedruckt inder Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen 17, 1902, S. 1-21.) Von den weiteren Arbeiten, die der Geschichte Polens galten, ist vor allem seine zweibändige Ausgabe der Kanzlei des Posener Bischofs und Unterkanzlers Stanislaw Ciołek (1382-1437) zu nennen (Liber Cancellariae Stanislai Ciołek), die in Band 45 und 52 des Archivs für Österreichische Geschichte 1871 und 1874 erschien. Seine Leistungen für die Landesgeschichte wurden durch die Ernennung zum Ehrenmitglied der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen und des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens gewürdigt. Seine Schüler und Freunde gaben zu seinem Gedächtnis in Breslau 1906 seine Vorträge und Essays heraus. Diesen ist eine ausführliche biographische Skizze vorgestellt.

Erwähnenswert ist, daß Jacob Caros jüngerer Bruder Ezechiel Caro (1845-1915), seit 1891 bis zu seinem Tod Rabbiner der Reform-Synagoge in Lemberg, ebenfalls als Historiker hervorgetreten ist, vor allem durch seine Studien zur Verwaltung der westpreußischen Stadt Dirschau, wo er einige Jahre Rabbiner war (Erfurt 1890), und durch das grundlegende Werk: Geschichte der Juden in Lemberg von den ältesten Zeiten bis zur Teilung Polens (Krakau 1894). Während Jacob Caro vollständig zum deutschen Bildungsbürger geworden war und zu den berühmtesten Breslauer Professoren gehörte, blieb sein Bruder stärker mit der Tradition der Vorfahren verbunden.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Caro

Gotthold Rhode