Biographie

Caudella, Eduard

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Musiker
* 22. Mai 1841 in Jassy/Rumänien
† 15. April 1924 in Jassy/Rumänien

Auf ihren Reisen durch Westeuropa kamen die rumänischen Fürsten und Bojaren seit Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder in Kontakt mit Künstlern, die sie in ihre Geburtsheimat mitnahmen. Die deutschen Musiker waren in der ersten Hälftedes 19. Jahrhunderts Initiatoren einer europäisch geprägtenMusikkultur, die sich in den wichtigsten Städten der Moldau und der Walachei durchsetzte. Sogar die Nationalhymnen der rumänischen Fürstentümer und nationale Repräsentationsmusik wurde von den deutschen Musikern komponiert. Die erste Hymne der Moldau (1840) stammt von Josef Herffner, der aus Österreich eingewandert war, das Vereinigungslied 1859 (Hora Unirii), das auch heute oft gesungen wird, wurde von Alexander Flechtenmacher geschrieben, dessen Vater Christian aus dem siebenbürgischen Kronstadt nach Jassy gekommen war. Die Militärmusiker der Moldau bestanden aus Deutschen und Italienern, und die lokale Operntradition wurden von Franzosen, Italienern und Deutschen initiiert.

Der gebürtige Wiener Franz Seraphim Caudella (1812-1867) ließ sich im Jahre 1930 in Jassy nieder, wo er als Cellist sowohl bei der französischen als auch bei der deutschen Theatertruppe tätig war. Er schlug sich als Privatlehrer von Bojarenkindern durch und wurde 1861 erster Direktor der neugegründeten städtischen Musikschule. Sein Sohn Eduard besuchte in der moldauischen Hauptstadt die Schule und erwarb in den frühen fünfziger Jahren seine ersten Musikkenntnisse. Im Gegensatz zu seinem Vater, der ein musikalischer Autodidakt gewesen war, studierte Eduard Caudella in Berlin und in Frankfurt (1853-1857), wo Hubert Rieß, Henri Vieuxtemps (Geige) und Adolphe Rieß (Klavier) seine Lehrer waren. Bei Lambert Massart und Delphin Allard in Paris setzte Caudella seine musikalische Ausbildung fort. Von 1861 bis 1864 war er wieder in Jassy und zwar als erster Geiger der Hofkapelle des Fürsten Alexandru Ioan Cuza, der 1859 als Alexandru I. zum Herrscher der Moldau und der Walachei (Vereinigte Donaufürstentümer) gewählt worden war. Ebenso wie sein Vater war Eduard Caudella als Lehrer an der städtischen Musikschule tätig (seit 1861), die 1864 in eine Musikhochschule umgewandelt wurde. Caudella war von 1892 bis 1901 Rektor dieser Hochschule. Unter seinen Schülern befanden sich unter anderen die später landesweit bekannten Athanasie Theodorini, Mircea Bãrsan, Mircea Anghelescu und der Dirigent Antonin Ciolan; auch der junge George Enescu, der bekannteste rumänische Musiker, mußte als Wunderkind vor dem Maestro Caudella auftreten. Im Rahmen der Musikhochschule gründete Caudella das erste philharmonische Orchester in Jassy, dem er als Dirigent vorstand. Schon seit dem Jahre 1861 war er beim rumänischen Theater (1861-1875), bei der deutschen Schauspieltruppe (1868-1870) und bei der italienischen Oper (1870-1874) am Dirigentenpult gestanden. Caudella führte zahlreiche Verdiopern auf: Die Lombarden, Rigoletto, Troubadour, Ernani, ebenso Opern von Donizetti:Lucia di Lammermoor,Maria de Rohan, Rossini Der Barbier von Sevilla, Bellini: Norma, Die Schlafwandlerin und Gounod:Faust,Sapho. Auch einheimische Komponisten nahm er in sein Repertoire auf (Eduard Wachmann: Lipitorile satului [Die Dorfschmarotzer], Alexander Flechtenmacher:Baba Hârca [Die alte Hârca], Cinel Cinel). Seine eigene Komposition kam nicht zu kurz. Schließlich war Caudella der Begründer der rumänischen Oper: Olteanca [Die Oltenierin] 1880 war sehr erfolgreich. Auch Petru Rares(1889), die Gestaltung eines Stoffes aus der moldauischen Geschichte, und Traian şi Dochia [Trajan und Dokia] 1917 konnten sich auf der rumänischen Bühne behaupten. Caudella komponierte außerdem Operetten und schrieb die Begleitmusik zu beliebten Singspielen:Harţă Răzesul [Der Freibauer Harţă] 1872;Fata răzeşului[Die Tochter des Freibauern] 1881; Beizadea Epaminonda[Der Bei Epaminonda] 1883.

Als Solist trat Caudella in Rumänien, Österreich-Ungarn, Deutschland und Frankreich auf. Violinkonzerte von Mozart, Beethoven, Mendelssohn-Bartholdy, Spohr, Paganini und Vieuxtemps standen in seinem Programm. Auch als Musikkritiker engagierte sich der Vielseitige. Seine Aufsätze und Musikkritiken fürchteten die Zeitgenossen, aber erst 1975 wurde ein Teil dieser Schriften in einem Sammelband publiziert. Insgesamt hat Caudella in Iaşi, Bukarest und Kronstadt (unter anderem in Zeitschriften wie Revista muzicală şi teatrală [Musikalische und Theaterzeitschrift],Muzica[Die Musik], Arta română[Rumänische Kunst]) so viel in deutscher und rumänischer Sprache veröffentlicht, daß man bis heute bloß über andeutungsweise Eindrücke dieser Tätigkeit verfügt.

Obwohl es ihm an Ehrungen nicht fehlte, hatte Caudella in seinen letzten Lebensjahren immer mehr den Eindruck, als Minderheitler übervorteilt zu werden. In seiner Korrespondenzmit deutschstämmigen Persönlichkeiten (etwa mit dem Deutschlehrer und späteren rumänischen Minister Constantin Meissner) beklagte er Diskriminierungen, die ihm als Orchesterchef und als Geigenlehrer nie erspart geblieben seien. Eduard Caudellas Werke werden auch heute noch– allerdings ausschließlich in Rumänien– aufgeführt.

Caudella ist einer der Wegbereiter sowohl der Orchester- als auch der Bühnenmusik in Rumänien gewesen. Wie später üblich, sind es vor allem rumänische Folkloreelemente, die er in seinen symphonischen und in seinen Opernkompositionen verwendete. George Enescu und andere haben ihm nachgeeifert. Erstaunlich bleibt, daß bis heute keine Gesamtwürdigung des vielseitigen Musikers vorliegt.

Werke: Olteanca (Die Oltenierin, Oper), 1880; Hatmanul Baltag (Hetman Baltag, Oper), 1882; Petru Rareş (Oper), 1889; Cantecul gintei latine (Das Lied der lateinischen Sippe), 1890; Konzert für Violine und Orchester, 1913; Moldova (Moldau, Ouvertüre), 1913; Memorii (Memoiren, Mss. im Nachlaß), 1924; Cronici din trecut, (Chroniken aus der Vergangenheit) Bucureşti 1975.

Lit.: Enciclopedia Română [Rumänische Enzyklopädie], Sibiu 1898, Bd. I, S. 759. – Georgescu-Teologu, G.: E. C., Bucureşti 1916. – Predescu, Lucian: Enciclopedia Cugetarea, Bucureşti (1940), S. 180. – Maftei, Ionel: Personalităti ieşene [Jassyer Persönlichkeiten], Chişinău 1992, Bd. I, S. 168-169. – Cosma, Viorel: Interpreţi din România. Dirijori– cântăreţi– instrumentişti– regizori [Interpreten aus Rumänien. Dirigenten, Sänger, Instrumentalisten, Regisseure], Bucureşti 1996, S. 120-121.

Horst Fassel