Biographie

Cavael, Rolf

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Maler, Graphiker
* 27. Februar 1898 in Königsberg i.Pr.
† 6. November 1979 in München

Wollte man die stilistischen Phasen der modernen deutschen Kunst vom Impressionismus über den Expressionismus bis zur gegenstandslosen Malerei, Grafik und Plastik mit je einer repräsentativen Persönlichkeit belegen, so fielen einem sogleich die ostpreußischen Maler ein: Lovis Corinth (geb. 1958 Tapiau) – Käthe Kollwitz (geb. 1867 Königsberg) – Ernst Mollenahuer (geb. 1892 Tapiau) und Rolf Cavael (geb. 1898 Königsberg). Sie alle verließen ihre ostpreußische Heimat und lebten in Berlin, Düsseldorf und München.

Rolf Cavael war nicht nur als ausübender Maler und Grafiker einer der namhaften Vertreter der deutschen gegenstandsfreien Künstler, er setzte sich auch in Publikationen, als Pädagoge (Lehrer für Angewandte Grafik an der Fachschule in Frankfurt a.M., Gastprofessor an der Kunstakademie in Hamburg, Dozent an der Volkshochschule zu München), in Diskussionen bei Tagungen und in Ateliergesprächen für diese Stilrichtung ein, die landläufig als „abstrakt“ bezeichnet wird, von Cavael jedoch als „absolut“, um, wie er mir einmal schrieb, „dies schreckliche Wort abstrakt nicht zu gebrauchen.“ Cavael abstrahierte die Natur nicht, zog sie nicht ab, sondern schuf seine Bilder ähnlich wie die Komponisten ihre Musik absolut. Den jungen Cavael, der Geigenunterricht erhielt, begeisterten Malerei und Musik gleichermaßen. Sein Vater, Architekt und Studienrat, betätigte sich auch als Musikkritiker und nahm als solcher seinen Sohn öfters in Opernaufführungen mit. Rolf Cavaels Œuvre nimmt in der Kunstgeschichte einen führenden Platz ein, seine Theorie der Abstraktion wird zwar gebilligt, jedoch der Begriff „abstrakt“ lebt weiterhin im Vokabular vieler Kunstwissenschaftler.

Neben Malerei und Musik gehörte auch die Naturkunde zu den Lieblingsfächern des Realschülers. Er sammelte Steine, Pflanzen, Schmetterlinge, legte Aquarien an. Auch das Mikroskop spielte für seine Kunstauffassung eine wichtige Rolle. Er war kein Gegner der Natur wie so mancher „abstrakte“ Künstler. Bezeichnend sein Bekenntnis: „Der Prozess, der den Baum, die Blüte, die Frucht, das Tier, die Pflanze und die Landschaft gemacht hat, ist die herrliche, göttliche Natur, der wir uns in großer Bewunderung öffnen.“ Cavael erlebte die Umgebung, die Welt, die mannigfaltigen realen Eindrücke, doch seinen Werken, den rhythmisch-musikalischen Bildern – die man wie die Musik in Zeitabschnitten aufnimmt – entströmen „absolut“ seinem Innern.

Doch welches Schicksal war diesem sensiblen Menschen beschieden? Am 27. Februar 1898 im ostpreußischen Königsberg geboren, kommt der neunjährige Junge nach dem Tode seiner Mutter zu den Großeltern nach Straßburg. Zwei Jahre später holt ihn sein Vater zu sich nach Höxter i. Westfalen; bald gibt es für seinien Vater eine neuerliche Versetzung, und zwar nach Katttowitz (Oberschlesien), wo Rolf die Oberrealschule besucht. Als Sekundaner wird er 1916 zum Wehrdienst eingezogen. Nach seiner Entlassung arbeitet er auf einem Rittergut bei Prenzlau, anschließend wird er Aufnahmeleiter beim Film, und 1924 ermöglicht ihm eine Verwandte den Besuch der Städelschule in Frankfurt a.M., wo er bis 1932 ein Lehramt übernimmt. In dieser Zeit, noch vor seinem Briefwechsel mit Kandinsky, setzt er sich mit der absoluten Kunst auseinander. Später entstehen freundschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Künstlern; Cavael besucht den Avantgardisten der modernen Kunst am Bauhaus in Dessau und in Paris, wohin Kandinsky emigrierte.

1930 Heirat mit Dorothea Schemel, Tochter eines Tuchfabrikanten, und Übersiedlung in die Reichshauptstadt Berlin, die damalige Kunstmetropole des Deutschen Reiches. Als freier Künstler blickt er auf eine hoffnungsvolle Karriere; Galeristen und Museumsleute werden auf ihn aufmerksam. Doch die Machtergreifung durch das Nazi-Regime bedeutet auch für sein Schaffen das Ende. Cavaels geplante Ausstellung bei Ferdinand Möller, dem Förderer der Dresdener Brücke-Künstler, findet nicht statt, und die Ausstellung mit dem Professor und konstruktiven Maler am Dessauer Bauhaus Josef Albers im Braunschweiger Schloß wird kurz nach der Eröffnung als „entartet“ von den Nazis geschlossen. Zum Mal- und Ausstellungsverbot kommt der Ausschluß aus der Reichskulturkammer. Cavael wird denunziert, von der Gestapo verhaftet und neun Monate im KZ Dachau interniert. Nach seiner Befreiung 1945 steht das Ehepaar Cavael vor dem Nichts. Durch eine Emigration hätte er den Erniedrigungen und schrecklichen Verfolgungen entgehen können, doch er blieb seiner Heimat treu.

1949 wurde das Ehepaar in München seßhaft. Das künstlerische Schaffen und Beteiligungen begann mit neuer Kraft und Phastasie, und bald folgten Einzelausstellungen und Beteiligungen an Gruppenausstellungen. In der Künstlergilde Esslingen, dem Verband ostdeutscher Kulturschaffenden, hatte er ein gewichtiges Wort mitzureden. Er wird Mitbegründer der Gruppe ZEN.

Die Veröffentlichungen über sein Leben und Werk nehmen in der modernen Kunstliteratur einen hervorragenden Platz ein. Und die Auszeichnungen? Genannt seien u.a. der Kunstpreis der Stadt München (1957), der Preis der Internationalen Graphik-Triennale in Grenchen (Schweiz (1958), die Medaille „München leuchtet“ (1968), das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse sowie der Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde (1978).

Zu den Begriffen abstrakter Expressionismus, gegenstandslose und absolute Kunst gesellte sich auch das Wort „informell“, informiert doch der Duktus des Pinsels und des Stiftes des absoluten Künstlers über sein Inneres. Cavaels Linien und Farbbahnen, die den einstigen Grafiker verraten, bewegen sich auf der Fläche, wachsen wie Pflanzen in der Zeit. Zu seinen kalligraphisch anmutenden Kompositionen meinte Cavael einmal: „Ich kann mich nicht irgendwo festhalten … Ich muß fliegen, schwimmen, gleiten – überall ist starke Bewegung und Unruhe. Die eine Farbe ruft die andere hervor …“ 1975 stellte er in einer Gruppenausstellung einer Bamberger Galerie unter dem Tiel „Deutsche Grafik des informell“ aus. Dank seines gediegenen handwerklichen Könnens sind seine Kompositionen präzise gestaltet. Da gibt es keine wild hingebürsteten Farbbahnen wie bei manchen modischen Malern. Zufälle bleiben bei Cavael unter Kontrolle. Ob dahinter der Ordnungssinn des Preußen steckt?

Im Herbst 1979 verstarb Rolf Cavael kurz vor einer geplanten Operation. Das Begräbnis fand am 9. November – fernab von seinem ostpreußischen Geburtsort – statt. Die Ehefrau des Künstlers, Dorothea Cavael, hat das Œuvre ihres Mannes bis zu ihrem 100. Lebensjahr betreut und stand Pate bei den unzähligen Publikationen bekannter Autoren über Leben und Werk dieses bedeutenden Künstlers.

Lit.: Horst Keller: Cavael, München 1984. – Günther Wirth: Cavael – Druckgrafik, Stuttgart o J. – Stiftung Ostdeutsche Galerie (Hrsg.): Rolf Cavael (1898-1979), Regensburg 1998. – Rolf Cavael. Außerhalb der Spekulation, hrsg. von Joachim Haas und Erich Schneider. Schweinfurt 1994. – Rolf Cavael. Alles ist im Fluß …, hrsg. von Joachim Haas und Erich Schneider, Schweinfurt 1996.

Bild: Privatarchiv des Autors

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Cavael

Günther Ott