Biographie

Cohn, Hermann

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Augenarzt
* 4. Juni 1838 in Breslau
† 11. November 1906 in Breslau

Dergebürtige Breslauer Jude begann 1857 in seiner Vaterstadt mit dem Studium der Naturwissenschaften, das er in Heidelberg bei Bansen, Kirchhoff und Helmholtz fortsetzte. Am 20.10.1860 wurde er in Breslau mit einer bei Bunsen angefertigten Arbeit aus dem Bereich der Chemie zum Dr. phil. promoviert. Daraufhin studierte er – zunächst in Breslau, dann in Berlin bei Graefe und Virchow – Medizin, wobei er sich besonders der Augenheilkunde zuwandte. Mit seiner Breslauer Preisarbeit über die Geschichte der Geburtshilfe erwarb er am 18.3.1863 in Berlin den Titel eines Dr. med. Die folgenden drei Jahre war er als Assistent bei R. Förster an der Breslauer Universitätsaugenklinik tätig. Nach Reisen zu bedeutenden Augenärzten in Berlin, Wien und Paris ließ er sich 1866 für immer in Breslau nieder, wo er eine private Augenklinik eröffnete. 1868 habilitierte er sich und wurde 1874 außerordentlicher unbesoldeter Professor, was er bis zum Ende seines Lebens blieb. Zwei Jahre vor seinem Tode wurde er zum Geheimen Medizinalrat ernannt.

Cohns herausragende Bedeutung liegt auf dem Gebiet der Hygiene des Auges, als dessen Begründer er gilt. Er beschäftigte sich u.a. mit Beleuchtungstechnik, Lichtmessung, der Beziehung zwischen Sehleistung und verschiedenen Faktoren, wie Helligkeit, Schriftgröße und -art, Körperhaltung. Aus diesem Bereich stammt auch sein wissenschaftliches Hauptwerk, das 1892 erschienene „Lehrbuch der Hygiene des Auges“. Besonders erfolgreich setzte er sich für die augenärztliche Schulhygiene ein. So wies er z. B. auf Grund statistisch ausgewerteter Massenuntersuchungen nach, daß es eine schulisch bedingte Kurzsichtigkeit gab. Cohn gab sich jedoch nicht mit den Ergebnissen als solchen zufrieden, sondern leitete daraus praktische Forderungen für die schulischen Verhältnisse ab, wie die Anstellung von Schulärzten, hellere Klassenräume mit künstlicher Beleuchtung, bessere Schulbänke, das Tragen von Brillen, die Schließung zweier Breslauer Gymnasien wegen „augenmörderischer“ Zustände. Als Statistiker tat er dies im Vertrauen auf die „Majestät der großen Zahlen“, zum Teil auch auf polemische Art und nicht immer mit dem rechten Maß sowie in der Hoffnung auf staatliche Verordnungen. Mit ihrer Hilfe setzte er auch die Anwendung der Credeschen Tropfen gegen Augeneiterungen bei Neugeborenen durch. Ein weiteres Arbeitsgebiet war die Photographie des Augeninneren, dem er sich in den Jahren 1886 bis 1889 intensiv widmete, ohne jedoch das Ziel einer Photographie des Augenhintergrundes zu erreichen.

Cohns Bestrebungen galten nicht nur der Gewinnung neuerwissenschaftlicher Ergebnisse auf dem Gebiet der Augenhygiene, sondern in besonderem Maße auch deren Umsetzung in die Tat. Noch heute sind drei medizinische Fachausdrücke mit seinem Namen verbunden.

Werke (Auswahl): Untersuchungen der Augen von 10060 Schulkindern nebst Vorschlägen zur Verbesserung der den Augen nachteiligen Schuleinrichtungen. Leipzig 1867; Studien über angeborene Farbenblindheit. Breslau 1879; Die Hygiene des Auges in den Schulen. Wien 1883 (auch engl., russ.); Lehrbuch der Hygiene des Auges. Wien, Leipzig 1892; Über Verbreitung und Verhütung der Augeneiterung bei Neugeborenen … Berlin 1896; Dreißig Jahre augenärztlicher und akademischer Lehrtätigkeit. Breslau 1897 (mit Bibliographie S. 46-60); Tafeln zur Prüfung der Sehschärfe der Schulkinder, Soldaten, Seeleute und Bahnbeamten. Breslau 1898 (7. Aufl.); Die Sehleistung von 50000 Schulkindern. Nebst Anweisung zu ähnlichen Untersuchungen für Ärzte und Lehrer. Breslau 1899. – Etwa 200 Aufsätze in Fachzeitschriften.

Lit.: J. Pagel, Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des 19. Jhs. Berlin, Wien 1901, Sp. 335-337 (mit Porträt); Crzellitzer, Hermann Cohn +, in: Berliner Klinische Wochenschrift 43,1906, S. 1297f.; A.E. Fick, Hermann Cohn +, in: Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde 44,2, 1906, S. 543-546 (mit Porträt); J. Hirschberg, Hermann Cohn +, in: Centralblatt für praktische Augenheilkunde 30, 1906, S. 283-285; ders., Geschichte der Augenheilkunde. Bd. 6,2. Hildesheim, New York (ND Berlin 1818) 1977, S. 170-174; W. Haberling u.a., Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, Bd. 2. Berlin, Wien 1930, S. 65 f.; Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Bd. 2. München, Berlin, Wien 1967, C179.

Ulrich Schmielewski