Biographie

Comenius, Johann Amos

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Philosoph, Theologe und Pädagoge
* 28. März 1592 in Nivnice/ Mähren
† 15. November 1670 in Amsterdam

Wenn in der Reihe der „Historisch Ostdeutschen Gedenktage“ dieser Name erscheinen soll, um dieser Persönlichkeit und ihres Wirkens in ihrer Bedeutsamkeit für den (ehemals) „deutschen Osten“ zu gedenken, so soll kurz erwogen werden, in welchem Sinne diese zutreffen kann für diesen Priester und gelehrten Bischof seiner Kirche, den man als großen Pädagogen kennt und neuerdings zugleich als Philosophen und Theologen zu schätzen begann. Sprechen wir hier doch von einem Menschen nicht deutscher Herkunft, wenn auch gebürtig im Bereich des ehemaligen „Hl. Römischen Reiches deutscher Nation“, wie es noch zu jener Zeit und bis zu Napoleon hin bestand. Er stammt aus Mähren, einem Teil des Königreichs Böhmen, dessen Krone gerade Habsburg durch Niederschlagung der Stände, die den pfälzischen Kurfürsten Friedrich gewählt hatten, in der Schlacht am Weißen Berge 1621 an sich bringen konnte. Nachdem damit auch die unerbittliche Vertreibung der Anhänger aller protestantischen Richtungen begonnen hat, wurde der Tscheche mit seiner großen Gemeinde der „Unitas fratrum“, der sog. „Brüderkirche“, die das Erbe von Jan Hus weiterführte, im ebenfalls katholischen Polen nebenan 1628 aufgenommen. Der tolerante Stadtfürst von Lissa/ Leszno, Rafał Leszczyński, schloss sich ihr selber an.

Schon zuvor freilich hatte Jan Komenký durch seine Studien an der Hohen Schule in Herborn und der Universität Heidelberg Teile Deutschlands und die deutsche Sprache kennengelernt. So begann in Leszno sein erstes Zusammenwirken mit der örtlichen deutschsprachigen lutherischen Gemeinde im Schulunterricht. Dabei hat er sogleich auch sein berühmtes Werk Mutterschul in deutscher Sprache veröffentlicht, das bald ins Polnische und Tschechische übersetzt wurde und bis heute als erste Schrift zur frühkindlichen Erziehung in hohem Rang steht.

Da er sehr bald nun als „Comenius“ zur Veröffentlichung seiner Sprachlehrbücher in Latein überging, wodurch er europaweit berühmt wurde und sich um ihn herum ein internationales Gelehrten-Netzwerk ausbildete, wirkte er schnell über die örtlichen Grenzen hinaus. Im Blick auf eine von ihm entwickelte neue Wissenschaftstheorie, für die er selber den Kunstnamen „Pansophie“ gebrauchte, wurde er nach England eingeladen und erhielt Einladungen in verschiedene europäische Zentren wie Paris, sogar Harvard in der „Neuen Welt“, Städte in Deutschland, Schweden und das mit Polen verbundene Großherzogtum Litauen. Er entschied sich, da er einen Auftrag zur Erneuerung des schwedischen Schulwesens angenommen hatte, als Wohnsitz für das derzeit unter schwedischer Kontrolle stehende Elbing/ Elbląg, der fast multikulturell zu nennenden Hafenstadt, für einen Aufenthalt, der von 1642 bis 1648 dauerte. Hier pflegte er zahlreiche Kontakte in dem ganzen später „Westpreußen“ genannten, überwiegend deutschsprachigen und konfessionell hauptsächlich lutherischen Gebiet, das ja der polnischen Krone unterstand. So zu Gelehrten und Druckereien in Danzig und in einem bedeutsamen Zusammenhang mit Thorn.

In diese Stadt nämlich hatte der damalige polnische König Władysław IV. auf das Jahr 1645 zu einem Religionsgespräch eingeladen, das die verschiedenen im Königreich nebeneinander lebenden Konfessionen zu einem friedlichen Miteinander führen sollte: zu einem „Colloquium charitativum“, einem „friedlichen“, gar „liebreichen“ Gespräch. Auch wenn es nicht ganz so „liebreich“ verlief – es war für diese Zeit der hasserfüllten Auseinandersetzungen der Kirchen und Staaten ein erstaunliches Ereignis, war doch noch der „Dreißigjährige Krieg“ in Deutschland im Gang. Für die Vorbereitung dieser Begegnung hat man Comenius, den Bischof seiner kleinen Exilkirche, um Mitwirkung gebeten, und er hat Erhebliches beigetragen, dass es überhaupt zustande kam. Das zunächst schon im Gesprächsaustausch mit den Lutheranern und Reformierten, die eine Vereinnahmung fürchteten. Mit der katholischen Seite führte er eine auf einen Dialog hinwirkende Korrespondenz, damals eine fast unmögliche Angelegenheit! Diese Schriften, die er in Elbing in den Jahren 1642 bis 1645 niedergeschrieben hat (zusammengefasst unter dem Titel Über die Glaubensregel) werden heute als Beispiele und Vorbilder ökumenischer Gesinnung und als Muster für heutige ökumenische Begegnung betrachtet. Damals aber trug all dies dazu bei, dass die Evangelischen in Polen – und die Deutschen hier waren überwiegend evangelisch – ihre seit 1573 durch den König verbürgten Rechte beibehalten konnten. Erst danach, viel später also als im übrigen Europa, setzte sich auch in Polen die hässliche Politik der Unterdrückung der religiösen Minderheiten durch die Mehrheitskonfession durch.

In dieser Zeit in Elbing entstanden noch weitere lateinische Schriften, so seine berühmte Neueste Sprachenlehre. Besonders reizend liest sich eine kleine Schrift, die er einem persönlichen Schüler, dem Sohn des Kanzlers von Litauen, gewidmet hat: Regeln für das Leben. Hier ist wie in einer Nussschale der Kern seiner eigenen christlichen Weisheit („Sophia“) eingeschlossen – für das Leben des Einzelnen, zugleich jedoch als Weisung für die Gemeinschaft („Pansophia“). So hängt sie innerlich zusammen mit seinem gewaltigen, erst später in seinem nächsten Exil, in Amsterdam, weitgehend fertiggestellten Haupt­werk, für das er hier den Grundstock gelegt hat.

Er gab ihm einen Namen, den man übersetzt als Allgemeine Beratung zur Verbesserung der menschlichen Verhältnisse. Er meint nämlich, dass die Menschheit sich friedlich beraten müsse, und will zeigen, dass sie das auch könne. Wenn nämlich die Wissenschaftler sich an den göttlich gegebenen Prinzipien, wie man sie in der Natur und in der Hl. Schrift findet, orientieren würde, wozu hier seine Vorschläge unterbreitet. So richtet er die Aufforderung an diese, die er „die Leuchten Europas“ nennt (es ist vielleicht auch ein wenig ironisch gesagt, weil sie ja meinen, es zu sein), sich zusammenzufinden mit den Kirchenleuten und den Politikern, um eine friedliche Gesellschaft herzustellen. Dazu sei die Zeit reif. Die Christen seien es „Gott und den Engeln“ schuldig, den Anblick ihrer Streitigkeiten zu beenden.

Und auch der übrigen Völkerwelt seien sie es schuldig, die gerade durch weltweite Schifffahrt und Handelsunternehmungen von Europa aus erkundet wurde, schon wieder mit Kriegen verbunden. Dieser seien sie aber verpflichtet, die Frohe Botschaft des Evangeliums zu bringen. Und der auch nach dem „Westfälischen Frieden“ von 1648 fortdauernde Konflikt der Religionsparteien im Deutschen Reich bekümmerte ihn. So versuchte er von Amsterdam aus, wie zur Befriedung zwischen den Seemächten England und Holland, so auch bei dem in Regensburg tagenden „Ständigen Reichstag“, zur Einigkeit zwischen den katholischen und protestantischen Mächten beizutragen – als „ein heimlich seufzender Jeremias“.

Ja, der Pädagoge, der Philosoph, der Geistliche „Jan“ („Johannes“) nannte sich nicht umsonst selber einst auch „Amos“: er war ein Prophet, der zur Umkehr zum Frieden mahnte. Propheten sind selten beliebt. Doch es lohnt sich, auf sie zu hören.

Lit.: Allgemein als Kurzbiographie: Veit Jacobus Dieterich, Johann Amos Comenius. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, rororo (rm 466), Reinbek 1991. – polnischsprachig: Manfred Richter, Jan Amos Komenski. Zarys zycia i dzialalnosci, Colloquia Litteraria Sedlcensia Tom XIX, Siedlce 2016. – Zur Pädagogik: Klaus Schaller, Johann Amos Comenius. Ein pädagogisches Porträt, UTZ Beltz Verlag Weinheim u.a. 2004. – Mit Schwerpunkt auf der Zeit in Westpreußen und auf den theologischen Themen: Manfred Richter, Johann Amos Comenius und das Colloquium Charitativum in Thorn 1645, 2. Aufl., Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreussens 41, Münster 2018 – ders., Der unbekannte Comenius. Ein Bischof fordert – Ökumene radikal, Theologische Orientierungen 43, LIT Verlag 2021.

Bild: Amos Comenius im Alter von 50 Jahren, Kupferstich von G. Glouer aus „A Reformation of Schools, 1642“.

Manfred Richter