In den 30er Jahren erhielt ich einen Auftrag von der Redaktion der Bukarester Post, einen Aufsatz über „Siebenbürgisch-Sächsische Malerinnen“ zu schreiben. Ich beschränkte mich auf einige Namen und bekannte: „Die stärkste Persönlichkeit ist zweifellos Grete Csaki-Copony“. Für mich, dem Neuling auf dem Sektor der modernen Bildenden Kunst, ein gewagtes Bekenntnis. Denn diese Behauptung stand im Gegensatz zu der Ansicht des Gros der Siebenbürger Sachsen. Zwar war der nazistische Begriff „entartet“ in Siebenbürgen damals noch weitgehend unbekannt. Doch mit dem antinaturalistischen, abstrahierenden Stil der Künstlerin konnte der überwiegende Teil dieses zu 70 Prozent aus Bauern bestehenden Volkes nichts anfangen. Im Rückblick auf eine Ausstellung von Grete Csaki-Copony in Hermannstadt, der politischen Metropole der Siebenbürger-Sachsen, schrieb der Kunsthistoriker Hans Wühr: „Sie erregte mehr Befremden als Beifall, wenigstens hinter den Kulissen des herkömmlichen Beifalls, so ungewohnt solcher Ansichten und Gesichter war das Publikum. In Wahrheit war der Kleinbürger entsetzt und erzürnt oder überheblich belustigt, der Name der Künstlerin synonym für abscheuliche Kunst.“ Noch im hohen Alter erinnerte sich Grete Csaki-Copony in einem Gespräch daran, daß „die Kleinbürger oder die guten alten Bürger die Hände über den Kopf zusammengeschlagen haben: was das für eine Malerei sein soll?“ Doch sie setzte sogleich hinzu: „Das alles hat mich nicht gestört. Ich war mir so sicher, hatte gar keinen Ehrgeiz. Ich habe eben gemalt, weil ich wollte, weil ich mich dazu getrieben sah…“
Als ich jenen Artikel einige Jahre vor Kriegsbeginn in der Bukarester Post veröffentlichte, konnte ich mir nicht vorstellen, welcher radikale Umbruch in unserer alten Heimat und in ganz Europa auf uns zukommen und nicht zuletzt auch den Künstlern im Dritten Reich bevorstehen sollte.
Grete Copony, als Tochter eines Fabrikanten und Abgeordneten im Budapester Parlament geboren, lernte die Kunstszenen in Dresden, Berlin, Budapest und Paris kennen, begann frühzeitig mit dem Malen und stellte ihre Arbeiten in Ausstellungen in Hermannstadt und Kronstadt, Bukarest und Berlin vor. 1934 übersiedelte sie mit ihrer Familie nach Stuttgart, als ihr Ehemann Dr. Richard Csaki zum Leiter des dortigen Auslandsinstitutes berufen wurde. 1935 hatte sie noch Ausstellungen in der bekannten Galerie Nierendorf zu Berlin sowie in Bremen und Hamburg, aber dann war auch ihre Karriere zunächst beendet. Als man ihr von offizieller Seite nahelegte, ein Fünftel ihrer als „entartet“ und „bolschewistisch“ bezeichneten Exponate, die auf einer Ausstellung in Stuttgart gezeigt werden sollten, zurückzuziehen, sagte sie die gesamte Ausstellung ab. Erst nach dem Krieg trat sie mit ihrer Kunst wieder an die Öffentlichkeit.
Als junger Student in Bukarest sah ich diese Entwicklung nicht voraus, ahnte auch nicht, daß ich ein halbes Jahrhundert später für Hannover eine Ausstellung „Gemälde siebenbürgisch-sächsischer Künstler des 20. Jahrhunderts“ organisieren würde. Generalmusikdirektor Professor Carl Gorvin, der die „Siebenbürgischen Kulturtage“ in Hannover 1986 konzipierte und gestaltete, bat mich, in diesem Rahmen die Ausstellung zusammenzustellen. Ich wählte acht Malerinnen und Maler für diese Veranstaltung aus, die als „erstaunliche Konzentration an qualitätsvoller Malerei“ bezeichnet wurden (Siebenbürgische Zeitung vom 15.3.1986). Den Mittelpunkt bildeten zehn Gemälde (1925-1978) von Grete Csaki-Copony, der nunmehr 93jährigen Klassikerin der Moderne. Daß die Malerin und Zeichnerin sich auch als Dichterin betätigte, wurde manchem erst jetzt bekannt. Im Kestner-Museum brachte die Schauspielerin Joana Maria Gorvin (über diese siehe OGT 1997, S.190-193) Lyrik der Künstlerin zu Gehör, und die Eröffnung der Kulturtage wurde von vertonten Gedichten von Grete Csaki-Copony umrahmt, gesungen von der Sopranistin Carola Rentz, am Klavier vom Komponisten Carl Gorvin begleitet.
Daß Grete Csaki-Copony 1974 mit dem Kulturpreis der Siebenbürgisch-sächsischen Landsmannschaft in Deutschland und nun im großen Rahmen der Kulturtage unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Hannover, Herbert Schmalstich, als Malerin und Dichterin geehrt wurde, mag die einst von ihren Landsleuten unverstandene und im Dritten Reich verfehmte Künstlerin als eine Art „Wiedergutmachung“ empfunden haben. Vier Jahre danach starb sie hochbetagt in Berlin, wo sie seit 1962 gelebt hatte. Eines ihrer Gedichte, „Alter“ überschrieben (aus Ägina, Zeichnungen und Lyrik, 1974, erschienen), lautet:
Blicke brechen ab‘
Hände greifen fehl
Füße stolpern.
Bricht der Faden –
Brechen alle Brücken
greifen ineinander –
halten mich zurück.
Bruchstück in den Händen –
Bruch in meinen Lenden
hemmet meinen Gang.
Alter läßt mich stocken –
Tod folgt auf den Socken
Blicke schweifen –
laß mich reifen!
Grete Csaki-Coponys Œuvre nimmt in der Kunstgeschichte der modernen Klassik einen beachtlichen Platz ein. 1984 veranstaltete für sie das Berliner Kunstamt Tiergarten in der Oberen Galerie – Haus am Lützowplatz eine herausragende Einzelausstellung. Sie hatte manches nachzuholen, nachdem ihre Kunst in den nazistischen Jahren verstummt war. Die Liste ihrer Einzel- und Gruppenausstellungen nennt seit 1950 Städte wie Stuttgart, Göppingen, Esslingen, Aalen, Bremen, Hamburg, Hannover, Berlin und Athen. Zu Griechenland hatte die Künstlerin seit 1954 durch einen alljährlichen Studienaufenthalt dort, später im eigenen Ferienhaus, enge Beziehungen.
Mit Landschaftsbildern aus Siebenbürgen, figuralen Kompositionen aus der bäuerlichen Welt und Porträts begann die Laufbahn der jungen Malerin. Nicht selten brachte man ihre Gemälde mit jenen der Paula Modersohn-Becker in Verbindung, obwohl die Siebenbürgerin die Kunst der Worpswederin erst Ende der zwanziger Jahre kennengelernt hatte. Der Weg von Grete Csaki-Copony ging von der räumlichen und körperhaften Wiedergabe der Natur aus und mündete in aperspektivischen Bildern und Zeichnungen, bisweilen bis an die Grenze völliger Abstraktion reichend, die sie aber nie überschritt. Ihre expressive Palette mag in ihrer alten Heimat wurzeln und sich in Griechenland ausgeweitet haben. Ihre Zeichnungen sind von einer sensiblen Feinheit der Linien. Immer stärker spielen die Gestaltungsmittel Ölfarbe, Pinsel und Stift, Leinwand und Papier in ihrem Werk eine entscheidende Rolle und führen damit zur Bildwirklichkeit. Ihr Werk ragt in die Zeit der gegenstandsfreien Malerei, da Geometrie und Informel die Avantgarde bestimmten. Stilistisch gehört es zur deutschen Klassik der Moderne.
Lit.: In „Südostdeutsche Vierteljahresblätter“, München – 1/1964 (Hans Wühr) – 1/1979 (Alfred Coulin) – 4/1983 u. 2/1984 (Günther Ott). – „Ägina 1970-1973“, Zeichnungen und Gedichte von Grete Csaki-Copony. – Mihai Nadin: „Pictori din Braşov“ (Künstler aus Kronstadt), Meridiane Verlag, Bukarest 1975. – Ausstellungskatalog G.C.C., Hrsg. Kunstamt Tiergarten Berlin 1984 (Einführungstext: Günther Ott). – Ausstellungskatalog „Siebenbürgisch-sächsischeKünstler der Gegenwart“, Hannover 1986 (Text: Günther Ott). – Ausstellungskatalog „Grete Csaki-Copony 1893-1990“, Siebenbürgisches Museum Gundelsheim 1994. – Ingrid von der Dollen, Grete Csaki-Copony. Zwischen Siebenbürgen und weltstädtischer Kultur, Hermannstadt 2008.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Grete_Csaki-Copony
Günther Ott