Carl Cunos Vater war Justizrat. Schon vor seiner Ratiborer Schulzeit wurde seine Freude am Zeichnen durch Privatunterricht des Gymnasial-Zeichenlehrers gefördert, er erhielt Klavierunterricht und während der Gymnasialzeit u. a. weiterhin privaten Zeichenunterricht. Nach dem Abitur 1845 entschied er sich gegen das von den Eltern favorisierte Jurastudium, dies wegen seiner „Vorliebe zum Zeichnen und Basteln“, und für das höhere Baufach. In den Jahren 1845-1846 ließ er sich zum Feldmesser ausbilden. Diese Ausbildung betand er im Januar 1847 als Königlicher Feldmesser . Im April 1848 nahm er dann an der Bau-Akademie Berlin seine Studien u.a. bei den Professoren Stier, Stüler und von Quast auf, die er mit dem Bauführer-Examen 1850 abschloss.
In den Jahren 1851-1854 führte er mehrere Aufträge in seiner Heimat Oberschlesien aus, dazu zählen die Schlosskirche in Ratibor und mehrere Holzkirchen wie in Bosatz (Stadtteil von Ratibor), Lubom, Syrin und St. Anna in Rosenberg. Er war auch als Bauführer an dem Umbau der Beuthener Kirche beteiligt. Dann folgte der Ruf aus dem Rheinland, wo er Kreisbaumeister in Geldern wurde mit der besonderen Beauftragung der Restaurierung der St. Viktor-(Dom)Kirche zu Xanten 1857-1868. Danach folgten Stellungen in Koblenz als Kreisbaumeister und Frankfurt am Main im Postbeamtendienst.
Die Restaurierungsarbeiten in Xanten am Sankt Viktor (1857-1868) sind wohl am bekanntesten von Cunos Bautätigkeiten. Die Stadt hat seine Verdienste um den Dom in besonderer Weise gewürdigt, indem sie eine Straße nach seinem Namen nannte.
Viele Jahre bevor Cuno nach Xanten kam, hatte man 1841 bereits den damaligen Dombaumeister von Köln, Ernst Friedrich Zwirner, gebeten, einen Kostenvoranschlag zu erstellen. Zwirners erst 1846 erstellter „Kostenüberschlag”, wie er sich damals nannte, wurde zugrunde gelegt für eine Restaurierung des Xantener Domes. Die immense Summe (hier hatte Zwirner nur die „nöthigsten Arbeiten” erwähnt) von 59.000 Reichsthaler waren weder von der Gemeinde noch von der Provinz zu stemmen gewesen und deren Bemühungen, eine Staatshilfe zu erhalten, erfolgslos blieben. Glücklicherweise hatte sich aber Zwirner persönlich um die Erhaltung des Bauwerks bemüht und am 3. Dezember 1953 eine vertrauliche Mitteilung an den Kirchenvorstand gesendet: „Bei meinem Aufenthalt in Berlin, im Monat Juny c. habe ich dem Herrn Minister von Raumer die dringende Nothwendigkeit der Herstellung der schönen Domkirche zu Xanten vorgestellt. Seine Excellenz haben mir hierrauf erklärt: mit dem hochwürdigen Herrn Bischof von Münster in Verbindung zu treten und dann so viel aus Staatsmitteln für den, allerdings als dringend aufwendig verkannten Herstellung erwirken zu wollen…” In dem Zusammenhang ist bemerkenswert Zwirners Aussage: „… so viel muß aber stets bezeichnet werden, daß das großartige Denkmal nicht der Stadt Xanten allein, sondern der Provinz, ja der Monarchie angehört, und daß daher die Weisheit der hohen Staatsbehörden Mittel und Wege zu finden wissen wird (…)”
Als Carl Cuno 1856 nach Xanten kam, konnte er sich schon an dem detaillierten Kostenvoranschlag vom Zwirner orientieren. Bevor jedoch er mit den Arbeiten anfing, wurde er nach Köln zur einem 8-tägigen Praktikum geschickt. Aus jener Zeit liegt ein Bericht Cunos vor, der sehr detailliert und wissbegierig alles notierte. Seine detaillierten Aufzeichnungen sind bis heute eine Fundgrube für Historiker, aber vor allem für interessierte und angehende Architekten und Baumeister. Besonders ist hier die Errichtung einer Bauhütte an der St. Viktor-Kirche in Xanten, nach dem Kölner Beispiel, zu erwähnen. Hier zwei Auszüge: „Die Bestellung der rohen Steine geschieht auf Grund sorgfältiger Vermessungen genau nach dem Maaße, welches die Werkstücke bearbeitet haben sollen, in Tabellen worin zur leichteren Übersicht die einzelnen Bautheile besondere Bezeichnungen erhalten z. B. SP. 15 (Süd-Portal No 15) NT 2 (nördlicher Thurm No 2”) – ”Das Heraufschaffen der Steine auf die Gerüste geschieht meistentheils durch eiserne Winden mit einfachem oder doppeltem Vorgelege (für größere und kleinere Lasten). Die Werkstücke werden in halber Höhe von einem vorgeschobenen vierrädigen Plateauwagen aufgenommen und nach einer Pause ganz hinauf gezogen (…) Auf den mit eisernen Schienen belegten obersten Rahmen diese Gerüste befindet sich die sogenannte Versetzmaschine, welche zunächst aus 2 etwa 2 Fuß von einander entfernten verzahnten Balken besteht, die an den Enden zwischen doppelten hölzernen Zangen mit je 2 eisernen Rädern versehen sind. – Zwei von oben nach unten durchgehende, oben horizontal drehbare eiserne Stangen greifen mittels Zahnräder in eine an der Seite der verzahnten Träger liegende eiserne Axe, wodurch die ganze Maschine nach der einer Richtung horizontal auf dem Gerüste bewegt wird. Auf den verzahnten Trägern ist demnächst eine eiserne Winde (Versetzkrahn) mit zweifachem Vorgelege ebenfalls auf eisernen Schienen nach der anderen horizontalen Richtung beweglich und bewirkt zugleich das Heben und senken der Werkstücke. Auf diese Weise wird vermittelst einer parallelogramm-artigen Bewegung u. durch die Winde an jeder beliebige (n) Stelle innerhalt der Rü- stung eine sichere und schnelle Handhabung selbst der größten Steine nach jeder Richtung ermöglicht, die das Versetzen außerordentlich erleichtert.”
Eine Kurzeinschätzung von Holger Schmenk zeigt die besondere Charakteristik Carl Cunos als gewissenhafter Architekt, soliden Baumeister mit einem außergewöhnlichen Gefühl für seine Arbeit, die er als Auftrag empfand: „In diesen Reigen spektakulärer Baumaßnahmen reiht sich die Xantener Restaurierung nicht ein. Auch Paul Clemen – ebenso wie bedeutend später Walter Bader – bewertet die Restaurierung Cunos bereits 1892 als ´mit feinstem Verständnis und größter Rücksicht auf die alten Formen und Eigentümlichkeiten des Baues pietätsvoll durchgeführt. Der zurückhaltende, sich seiner Restaurierungsaufgabe unterordnende Architekt fand, früher wie heute, nur von wenigen Fachkollegen öffentliche Anerkennung, wie z. B. im Kunstdenkmälerinventar des Kreises Moers von 1892. In den architekturgeschichtlichen Werken finden jedoch nur die spektakulären Neuschöpfungen eine umfangreiche Würdigung. In seinem unspektakulären Umgang mit dem Xantener Dom ist möglicherweise der Grund zu suchen, warum Carl Cuno als Baumeister weitgehend unbekannt blieb, warum er keinen Anschlußauftrag nach Vollendung der Xantener Restaurierung bekam. Anscheinend entsprach seine Arbeit dem Zeitgeist nicht, denn er restaurierte so, wie es die moderne Denkmalpflege heute fordert.
Nichts Neues, Bedeutendes zu schaffen, war sein Sinnen, sondern einfühlsam mit alter Bausubstanz umzugehen und soweit möglich, alles Alte zu erhalten. Deshalb kennen wir heute das Werk und den Lebenslauf der schöpferischen Restaurations-Architekten sehr genau, während Carl Cuno und dessen Restaurierung des Xantener Doms von der Forschung weitgehend unbeachtet blieben. Aus diesem Grund scheint es notwendig, den Lebenslauf von Carl Albert Sigismund Cuno vorzustellen. Dabei ist vor allem seine berufliche Ausbildung interessant.“
In Cunos Zeit entstanden die Postamt-Neubauten in Fulda, Kassel, Darmstadt, Worms, Offenbach, Bingen, Trier, Koblenz, Eschwege und Fritzlar. Für seine Verdienste wurde er ausgezeichnet 1868 mit dem Roten Adlerorden IV. Klassse, 1891 mit dem Komturkreuz II. Klasse des Großherzoglichen Hessischen Ordens Philipps des Großmütigen und 1895 dem Roten Adlerorden II. Klasse mit Schleife. Beim Festakt des gebauten Frankfurter Postamtes am 1. Oktober 1895 würdigte ihn Staatssekretär Heinrich von Stephan als „einen klassischen Baumeister und tieffühlenden Künstler, der für die Reichs-Postverwaltung schon viele schöne Bauwerke geliefert und ausgeführt hat“.
Carl Cuno starb im Range eines (Kaiserlichen) Geheimen Postbaurates.
Quellen:
„Geschichte des Restaurations-Baues der St. Viktor´s Kirche (Dom) in Xanten in den Jahren 1857-1868“, aufgestellt von Carl Cuno, bearbeitet von Hans-Dieter Heckes, hrsg. vom Verein zur Erh. des Xantener Domes e. V. 1989.; „Kostenüberschlag zur Herstellung der ehemaligen Domkirche, jetzigen katholischen Pfarrkirche zu Xanten am Rhein vom Dombaumeister Zwirner zu Cöln 1846“ von Dr. Holger Schmenk aus der Reihe der Xantener Vorträge zur Geschichte des Niederrheins Heft 46; „Notizen über den Betrieb die mechanischen Einrichtungen u. die Geschäftsführung beim Dombau in Cöln“ im November 1856 von Carl Cuno, dem Königl. Kreisbaumeister in Xanten, editiert von Dr. Holger Schmenk 2008., Bibliothek des Architekturmuseums der Technischen Universität zu Berlin., Wikipedia – die freie Internet–Enzyklopädie.
Josef Drobny 2019