Biographie

Czepko von Reigersfeld, Daniel

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Epigrammatiker
* 23. September 1605 in Koschwitz bei Liegnitz
† 8. September 1660 in Wohlau/Schlesien

Daniel von Czepko gehört nicht zu den ganz Großen der europäischen, der deutschen und nicht einmal der schlesischen Literatur. Aber er gehört zu den großen Vermittlern und Anregern, ohne die weder die Literatur noch die Theologie noch die Politik und auch nicht die Verwaltungskunst sein und weiterkommen können. Der Breslauer Frühromantiker Georg Gustav Fülleborn (1769-1803) sagt denn auch über Czepko „Er war der Herder des siebzehnten Jahrhunderts“; während Hans-Gert Roloff, der seit 1980 dabei ist, Czepkos Werke erstmals in einer vollständigen Gesamtausgabe herauszubringen, ihn einen „der bedeutendsten Dichter und Schriftsteller des 17. Jahrhunderts“ nennt – wobei zu präzisieren wäre, daß es Czepko verdient, zu seinem 400. Geburtstag besonders als protestantischer Epigrammatiker gewürdigt zu werden.

Die Czepkos stammen aus Mähren. Der Großvater des Dichters war Schüler von Valentin Trotzendorf in Goldberg, Wittenberger Student, Jurist, dann Theologe und wurde Pfarrer in Brieg. Zwei Söhne wurden wieder Pfarrer, Samuel in Wohlau, Daniel, der Vaters des Dichters, in Koschwitz bei Liegnitz. Hier wurde Daniel am 23. September 1605 geboren. Schon ein halbes Jahr später wechselte der Vater an die Kirche Unser Lieben Frauen in Schweidnitz. Hier besuchte Daniel die Lateinschule. Von Schweidnitz aus ging er 1623 nach Leipzig, um Medizin, 1625 nach Straßburg und Heidelberg, um Jura zu studieren. Eine Tätigkeit am Reichskammergericht in Speyer beendete er 1626 mit der Rückkehr in seine schlesische Heimat.

Dem Druck der Gegenreformation ausweichend, hielt er sich vorübergehend in Brieg, dann auf Gutshöfen, teils als Hauslehrer, teils als befreundeter Gast, auf. 1635 kehrte Czepko nach Schweidnitz zurück. Ein Jahr später heiratete er die sechzehnjährige Anna Katharina Heintze, Tochter des Stadtarztes, die ihm ein Haus in der Stadt und vier Landgüter in die Ehe mitbrachte. Damit war Daniel Czepko in die Lage versetzt, als Gutsbesitzer in beruflicher und materieller Unabhängigkeit seine Interessen zu verfolgen. Diese waren politisch, sozial und religiös.

Politisch ging es Czepko um Rechtssicherheit für die Protestanten in Schlesien auf der Grundlage des Augsburger Bekenntnisses von 1530 und des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Dieses Ziel erstrebte er jedoch mit ausschließlich friedlichen Mitteln, d. h. es ging ihm um die Gewinnung des Hauses Habsburg für diesen Weg. Damit verbunden war die sehr viel weiterreichende Vision eines christlich fundierten, von Vernunft und Toleranz bestimmten Sozialstaates, bei dem nicht mehr das monarchisch-absolutistische Wohl des Fürsten oder des Fürstlichen Hauses an erster Stelle steht, sondern „Salus populi suprema lex esto(„Das Wohl des Volkes sei das höchste Gesetz“).

Es liegt auf der Hand, daß Czepko mit derartigen Ansichten vor Zensur und staatlicher Überwachung auf der Hut sein mußte. Er hat denn auch sehr wenig veröffentlicht. Seine Ausarbeitungen wurden fast ausschließlich in Abschriften von Freunden verbreitet und überliefert. Literarisch von Martin Opitz (1597-1639) beeinflußt, nutzte er aber auch die Möglichkeiten der galanten Poesie, um, wie in dem Hochzeitsspiel „Pierie“ (1629, gedruckt 1636), in den scheinbar spaßhaften „Satyrischen Gedichten“ (1642-1648) oder in dem Schäfer-Epos „Coridon und Phyllis“ (1648) seine politisch-sozialen Vorstellungen einschließlich seiner Kritik am Leben bei Hofe zu artikulieren. Auf diese Weise ist Czepko so weit unentdeckt geblieben, daß er 1657 sogar den Adelstitel „von Reigersfeld“ erhalten konnte.

Religiös strebte Czepko nach Vertiefung und Verinnerlichung seines (lutherischen) Glaubens. Das führte ihn zum Studium der Mystiker und zum Anschluß an den Kreis um Abraham von Frankenberg, zu dessen führendem Kopf er später aufstieg. In diesem Zusammenhang entstanden seine frühen geistlichen Werke „Gegenlage der Eitelkeit“ (1632), „Das inwendige Himmelreich“ (1632) und „Consolatio ad Baronissam Cziganeam“ (1633). Sie sind Vorstufen zu den „Sexcenta Monodisticha Sapientium“ (1640-1647), die, erstmalig in Alexandrinerdistichen gesetzt, in ihrer sentenzartigen, epigrammatischen Knappheit Vorbild für die Sinnsprüche des „Cherubinischen Wandersmanns“ von Johannes Scheffler (Angelus Silesius) (1624-1677) wurden. Hier zwei Beispiele:

Der Sinn muß in Vernunft, Vernunft in Glauben gehen,

Der Glauben in die Lieb, und so kannst du bestehen.

Sei, was du lebst, du hoffst, du glaubst, du liebst, du bist,

So stehst, den ich gesucht, vor mir ein rechter Christ.

Die sechs Bücher der „Monodisticha“ sollten zu sechs Stufen der mystischen Erleuchtung führen. Das siebente Buch blieb ungeschrieben und offen als Hinweis auf die letzte Stufe der Schöpfung, die die Ruhe und den Frieden bringt. Das geistlich-mystische Gesamtwerk Czepkos enthält eine große Zahl geistlicher Lieder, von denen einige in schlesischen Gesangbüchern Aufnahme gefunden haben.

Czepko war ein Mensch des Barock. Inbrünstige Gottesvertiefung und sinnenhafte Weltfreudigkeit, Distanz zur Welt und politischer Einsatz in ihr waren für ihn keine Gegensätze. Als die Schweidnitzer Bürgerschaft nach dem Westfälischen Frieden (1648) das Recht zur Errichtung der „Friedenskirche“ erhielt, hat sich Czepko außerordentlich dafür eingesetzt, daß der Bau zu Stande kam. Seinen Bruder Christian schickte er auf Reisen, um Geld zu sammeln. Er selbst unternahm eine Bittreise nach Stockholm. Den Grafen Hochberg veranlaßte er zur Stiftung des Bauholzes. Bei der Vermessung des Grundstückes vor den Toren der Stadt war er dabei. Die Berufungslisten für die Pfarrer hat er mit aufgestellt. In dieser Zeit schloß er die „Schweidnitzische Jahrgeschichte“ und die dreiteilige „Kirchenhistorie von Schweidnitz und Jauer“ ab. Die Einweihung der Friedenskirche „Zur heiligen Dreifaltigkeit“ in Schweidnitz am 24. Juni 1657 war für Daniel von Czepko auch ein persönlicher Triumph. Im Burgschen Gesangbuch gab es ein Kirchenlied, das er gedichtet haben soll, „als die evangelischen Schweidnitzer ihr Gotteshaus erbauten“. Darin heißt es:

Dies ist das Haus, die Stätt, der Ort, daran Gott hat Gefallen,
Der Seelen Schatz, sein göttlich Wort läßt er allhier erschallen:
All Engel stimmen ein, wenn wir so innig schrein;
Wenn wir in einem Geist ohn Wanken hier vor Gott beten, vor Gott danken.

1656 war Czepkos Frau gestorben. Von den sieben Kindern, die dem Ehepaar geschenkt worden waren, hatten drei überlebt. Czepko trat in den Dienst der Herzöge von Liegnitz, Brieg und Wohlau. Als fürstlicher Rat ist er am 8. September 1660 in Wohlau gestorben.

Werke: Sämtliche Werke, hrsg. von H.-G. Roloff/M. Szyrocki, 7 Bde., 1980ff. – G. Dünnhaupt, Personalbibliographie zu den Drucken des Barock, Bd. 9, 1990, S. 983-995. – H.-G. Roloff, Dictionary of Literary Biography 164, 1996, S. 81-87.

Lit.: Werner Milch, Daniel von Czepko, in: Schlesische Lebensbilder, 2. Aufl., Bd. 4, 1985, S. 151-160. – Arno Büchner, Daniel Czepko, in: Das Kirchenlied in Schlesien und der Oberlausitz (Das Evangelische Schlesien Bd. VI/1), Düsseldorf 1971, S. 149-153. – Hans-Gert Roloff, Art. Czepko, Daniel, in: RGG, 4. Aufl., Bd. 2 (1999), Sp. 512-513. – Christian-Erdmann Schott, Art. Czepko von Reigersfeld, Daniel, in: Lothar Hoffmann-Erbrecht (Hrsg.), Schlesisches Musik­lexi­kon, Augsburg 2001, S. 120.

Christian-Erdmann Schott