Biographie

Czoppelt, Helmut Friedrich Eduard

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Forstmann, Historiker
* 22. August 1905 in Sächsisch-Regen/Siebenbürgen
† 12. August 1994 in Ingolstadt

In der wahrscheinlich ersten deutschen Ansiedlung (vor 1150) Nordsiebenbürgens – in der heutigen Stadt Sächsisch-Regen (rum. Reghin, ung. Szászrégen, damals zur k. k. Monarchie gehörend) – wurde Helmut Czoppelt als zweiter von drei Söhnen des Apothekers Friedrich Ernst Czoppelt (1877-1913) und seiner Ehefrau Ida Albertine, geb. Wermescher (1884-1907) geboren. In seiner Vaterstadt besuchte er 1912 bis 1920 die Deutsche Volksschule und das Evangelische Untergymnasium, das Obergymnasium hingegen mit Abiturabschluß (1924) im nahe gelegenen Bistritz, dem kulturellen und wirtschaftlichen Mittelpunkt des Nösnerlandes und des Deutschtums Nordsiebenbürgens. Obwohl nach dem verlorenen Weltkrieg Siebenbürgen 1919 dem Königreich Rumänien einverleibt wurde, begann Czoppelt sein forstliches Studium in der altehrwürdigen Hauptstadt der einstigen Monarchie – in Wien (1924-1928) – an der renommierten Hochschule für Bodenkultur, der „Alma mater viridis“. Nach dem Vorexamen in Wien entschloß er sich, sein Studium an der Forstlichen Fakultät Tharandt der Technischen Hochschule Dresden weiterzuführen (1926-1928); das akademische Forststudium schloß er als Diplom-Forstingenieur (Techn. Univ.) 1928 ab. In die Heimat zurückgekehrt, leistete er in den Jahren 1928 bis 1929 den Wehrdienst im königlich rumänischen Heer als Einjährig-Freiwilliger ab (Reserveoffiziersausbildung in Deutsch Sathmar/rum. Satu Mare) und wurde als Unterleutnant entlassen.

Schon als Schüler fasziniert von der Geschichte Siebenbürgens – bekannt als „Land jenseits der Wälder“, sollte Czoppelt als Student seine Diplomarbeit in Tharandt der alten Heimat widmen, unter dem Thema: „Siebenbürgische Forstwirtschafts A.G. in Sächsisch-Regen“ (1928). Nach Praktikum 1929 am staatlichen Forstamt Sankt Georgen (rum. Sfântu Gheorghe, ung. Sepsiszentgyörgy) im Szeklerland (er beherrschte neben der rumänischen, auch die ungarische Sprache), trat er bis 1931 als Vermessungsingenieur bei der Sächsisch Regener Waldindustrie A.G. ein (ehem. Erste Sächsisch-Regener Floßhandelsgesellschaft, gegründet 1866) und arbeitete überwiegend bei der Erschließung des Kelemen-Gebirges (Munţii Călimani) in den Ostkarpaten). Im Juni 1931 bestand Czoppelt das sogenannte „Nostrifikationsexamen“ (die rumänische große Staatsprüfung zur Anerkennung des in Österreich und Deutschland erworbenen akademischen Grades eines Diplom-Forstingenieurs) an der Technischen Hochschule Bukarest (Fakultät für Forstwissenschaften).

Die Versuche des Königreiches Rumänien, den Anschluß an Westeuropa (Erreichung des Wirtschaftniveaus der nach 1919 erhaltenen Gebiete Siebenbürgen, Banat und Buchenland/Bukowina) zu bewerkstelligen, führte dazu, daß auch zahlreiche Fachkräfte aus Österreich, Deutschland und Siebenbürgen für das Altreich (Gebiet Rumäniens bis 1919) angeworben wurden. Dank seinen Erfahrungen in der Erschließung der Urwälder, gelegen auf den Westhängen der Ostkarpaten, wurde ihm die Forsteinrichtung (Planung der langfristigen Betriebsregelung) der Forstdomäne des Prinzen Nikolaus von Rumänien in Broşteni (Moldau, Osthänge der Ostkarpaten) angeboten. Hier arbeitete er 1932 bis 1938, mit den aus Siebenbürgen stammenden Forstleuten O. E. Hager (1901-1979, Tharandt-Absolvent 1924), O. Paulini (1904-1982, Forst- und Jagdpfleger, Schriftsteller) und anderen.

1934 heiratete Czoppelt in Sächsisch-Regen Mathilde, geb. Keintzel (1908-1996); aus der Ehe gingen die Söhne Christian (*1936) und Lothar (*1937) hervor. In Broşteni forschte und sammelte er Daten, welche er anschließend fachschriftstellerisch verwertete, wie: „Die Geschichte der Sächsisch-Regener Waldindustrie A.G.“ (1932), „Die natürliche Verbreitung der Gemeinen Kiefer auf der Forstdomäne Broşteni“ (1938), „Schwarzstörche im Barnar“ (1939), „Die Kiefer von Drăgoiasa“ (1939), u. a. Im November 1938 wurde Czoppelt in das Sachgebiet Forsteinrichtung der Staatlichen Forstdirektion Bacău berufen; hier machte er sich um die langfristige Planung der Wälder der Ostkarpaten verdient. Nach Abtretung der Nordbukowina im Jahre 1940 (1775 bis 1918 war die Bukowina Herzogtum des österreichischen Kaiserstaates) an die Sowjetunion wurde die deutsche Bevölkerung der Bukowina und der Dobrudscha 1940/41 in den Warthegau (damals Deutsches Reich, heute Polen) übersiedelt. Als im Juni 1941 die Umsiedlung der Familie Czoppelt in den Warthegau erfolgte, konnte er nicht ahnen, welches Schicksal ihm und seinen Lieben bevorstand. Nach der Einbürgerung (August 1941) in Litzmannstadt (Lodz), war er an der Forsteinrichtungsabteilung des Landesforstamtes Posen, tätig; 1942 als Forstmeister in den Forstreichsdienst übernommen, wurde er zum Leiter des Forstamtes Leslau a.d. Weichsel ernannt. Doch schon im Herbst 1943 wurde Czoppelt zur Deutschen Wehrmacht einberufen. Was nun folgte, war eine vierjährige Odyssee mit glücklichem Ausgang für jene Zeiten, die ihn quer durch Europa von West nach Ost und von Ost nach West trieb, bis er schließlich am 8. Mai 1945 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft landete. SeineGattin – mit den beiden minderjährigen Söhnen – teilte das Schicksal aller deutschen Soldatenfrauen jener schweren Zeit. Die überstürzte Flucht aus dem Forsthaus von Leslau, den Überfall polnischer Partisanen, Gefangenschaft und Verschleppung, sowie den weiten Weg in die Freiheit schilderte im Jahr 2000 der jüngere Sohn Alexander L. Czoppelt (Künstlername) im Roman „Wo bleibt Hitler, Mathilda?“ Trotz ihres biographischen Hintergrunds ist die Geschichte dieser Flucht zeitlos und allgemeingültig, da stellvertretend für das ähnliche Schicksal Tausender Rumäniendeutscher, die in den Warthegau umgesiedelt wurden.

Czoppelt kam in das amerikanische Entwaffnungslager Feldkirchen bei München; von hier wurde er – als ehemaliger k.u.k. Staatsbürger – nach Österreich entlassen. Da er – nun in Atzbach lebend – keine Beschäftigung erhielt, suchte er Arbeit in Bayern. Dem passionierten Forstmann gelang bei bescheidener Tagegeldvergütung von 9 RM und in primitiven Wohnverhältnissen der Einstieg in den Bayerischen Forstdienst als Forstarbeiter in Oberteisendorf und am Forstamt Teisendorf, bzw. im Torfwerk Ainring. 1947 wurde er in den bayerischen Staatsforstdienst im Angestelltenverhältnis übernommen und betreute die Revierförsterei Waging. 1949 in das Forsteinrichtungssachgebiet München übernommen, arbeitete er als Forsteinrichter in den Forstämtern Geisenfeld, Moosburg und Kösching. Es blieb dem inzwischen Fünfundvierzigjährigen nicht erspart, erneut alle Stufen seines erlernten Berufes durchzuschreiten, um schließlich 1968 als Oberforstmeister pensioniert zu werden. Auch blieb ihm – wie den anderen Heimatvertriebenen des höheren Forstdienstes – nicht erspart, erneut das Staatsexamen (Ergänzungsprüfung) ablegen zu müssen. Die guten Prüfungsergebnisse öffneten ihm den Einstieg in den höheren Dienst der Bayerischen Staatsforstverwaltung: 1952 Forstmeister am Forstamt Schrobenhausen, 1966 Ernennung zum Oberforstmeister. Hier sei zu erwähnen, daß in der erst 1952 wiederhergestellten Staatsforstverwaltung Bayerns 21 % der Beamten Heimatvertriebene waren.

Schon 1948 begann erneut die zweite Phase seiner fachschriftstellerischen Tätigkeit; er befaßte sich sehr intensiv mit forstgeschichtlichen Themen, sowie mit orts- und regionalhistorischen Fragestellungen sowohl seiner alten Heimat Siebenbürgen, als auch seiner Wahlheimat Bayern. Czoppelt veröffentlichte 137 Arbeiten, gegliedert nach Themen: Forst- und Jagdwesen (29), Heimatgeschichte (31), Siebenbürgische Kuriosa (20), Ereignisse und Gestalten (33), Verschiedenes (24); er hinterließ auch 39 unveröffentlichte Manuskripte: Forstgeschichte (7), Heimatgeschichte (16), Familiengeschichte (1), Verschiedenes (15).

Leider ist das Werk dieses verdienstvollen Forstmannes und Historikers mehr oder weniger in Vergessenheit geraten; bisher wurde sein Leben und Schaffen in nur zwei biographischen Würdigungen erwähnt. Unsere Biographie soll dazu beitragen, Leben und Werk Czoppelts einem größeren Publikumskreis bekannt zu machen. In seinen letzten 40 Lebensjahren wohnte er in Ingolstadt, wo er nur wenige Tage vor seinem 89. Geburtstag an Herzversagen starb. Alle, die diesen vielseitigen Menschen erleben durften – und das sind nicht wenige Forstleute – werden ihn in bleibender Erinnerung behalten.

Werke: Das Verzeichnis der Veröffentlichungen von H. Czoppelt siehe bei H. Hienz (1995), S. 479-489.

Lit.: Christian Czoppelt: Zum Gedenken an Helmut Czoppelt. Siebenbürgische Zeitung, 44. Jg., 14, 1994, München, S. 16. – L. Alexander Czoppelt: Wo bleibt Hitler, Mathilda? Geschichte und Dokumentation einer Flucht. Egelsbach/Frankfurt a.M./München/New York 2000, 312 S.; H. H. (Heinz Heltmann), Czoppelt, Helmut Eduard Friedrich – Forstmann, in: W. Myß (Hrsg.), Lexikon der Siebenbürger Sachsen, Thaur bei Innsbruck, 1993, S. 95. – Hermann Hienz, Schriftsteller – Lexikon der Siebenbürger Deutschen, Bd. 7/V, Köln/Weimar/Wien, 1995, S. 478-489. – Hans Meschendörfer, Dokumentation eines Kulturerbes, in: Siebenbürgische Zeitung, 46. Jg. 19, 1996, München, S. 8. – Rudolf Rösler, Helmut Eduard Friedrich Czoppelt. Dipl.-Forsting., Oberforstmeister. Tiposkript für H. Killian (Hrsg.), Österreichisches Forstbiographisches Lexikon, Wien 1994, 5 S.; Ernst Wagner, Siebenbürgische Nachkommen des Exulanten Paul Regius, in: Siebenb. Archiv, Bd. 27, Köln/Weimar/Wien 1993, S. 333.

Rudolf Rösler