Eduard (auch Edward) von Czynk wurde im Südosten des “Bärenlandes” – wie schon der römische Schriftsteller Ammianus Marcellinus (330– 395) Siebenbürgen nannte –, in der Stadt unter der Zinne (Kronstadt – bekannt auch als Die Stadt im Osten, nach dem Roman von Adolf Meschendörfer, 1877–1963) geboren. Sein Vater war Zollbeamter und erfreute sich einer gewissen Berühmtheit als Bären- und Gamsjäger in den Südkarpaten. Schon im Knabenalter wurde Eduard unter der Leitung seines naturbewanderten Vaters ein passionierter Naturfreund und Jäger. Sein Turnlehrer und Fechtmeister – der damals hochgeschätzte Ornithologe und Schriftsteller Wilhelm Hausmann (1822– 1900) – sollte für den Gymnasiasten Eduard ein erstrebenswertes Vorbild sein. Nach dem in Kronstadt bestandenen Abitur, trat der 19jährige in den Staatsdienst ein. Als Postbeamter diente er bis 1879 in seiner Vaterstadt, von wo er in die Hauptstadt des damaligen Königreiches Ungarn – nach Budapest – befördert wurde. 1883 kam er als Chef des Post- und Telegraphenamtes nach Fogarasch (Südsiebenbürgen); hier sollte er auch den Naturforscher und Jagdschriftsteller Alexander Florstedt kennenlernen; beide sind als Pioniere der Gamshege in den Karpaten Rumäniens anzusehen (Rösler 1991) und werden auch heute noch in der rumänischen Fachliteratur diesbezüglich gewürdigt (Ionescu-Lupeanu 1997). Oft gefragt, wie er denn nach seiner Wahlheimat Siebenbürgen gekommen sei, antwortete Florstedt: “Gelegentlich einer Reise, um die beiden großen Jäger Siebenbürgens Edward von Czynk in Fogarasch und den damaligen k.k. Hauptmann Andreas Berger in Hermannstadt zu besuchen, kam ich im Jahre 1890 zum erstenmal nach Siebenbürgen”.
In Fogarasch begann von Czynks eigentliche wissenschaftliche Tätigkeit als Ornithologe, seine Lebensaufgabe: die gründliche Erforschung der Vogelwelt dieses Großraumes, mit besonderer Berücksichtigung der damals sich noch in den Kinderschuhen befindenden Erforschung des Vogelzuges. Doch schon viel früher – aus den 70er Jahren – war von Czynk als leidenschaftlicher Feldornithologe der weiteren Umgebung seiner Vaterstadt und des Burzenlandes bekannt.
Nicht nur der Vogelkunde, auch der Jagd blieb von Czynk treu. 1884 pachtete er in den Transsilvanischen Alpen (Südkarpaten) das später zu Berühmtheit gelangte Jagdrevier Vistea-Mare, wo er in den Wildkammern dieser urigen Bergwelt auf Bär, Wolf, Luchs, Gams- und Auerwild jagte. Seine jagdschriftstellerische Tätigkeit sollte hier ihren Urquell finden, aus dem er uneingeschränkt schöpfen konnte. Den hohen Bekanntheitsgrad der Jagdreviere Siebenbürgens verdanken wir hauptsächlich von Czynk; hier sollten später so namhafte Persönlichkeiten wie die Großherzogin von Sachsen und Prinzessin Valerie Hohenlohe-Öhringen ihre Jagdreviere haben.
Czynks ornithologische Studien umfaßten auch das damals noch junge Königreich Rumänien (seit 1881) und erstreckten sich bis hin zur unteren Donau. Nach dem 1. Internationalen Ornithologenkongreß (Wien 1884) wurden in ganz Europa Beobachtungsstationen errichtet. Czynk gehörte zu den ersten Beobachtern, deren Arbeiten von Viktor Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen in den Jahresberichten in Österreich und Ungarn (1884– 1887) veröffentlicht wurden. Er war ein sehr produktiver Mitarbeiter zahlreicher ornithologischer Zeitschriften. Genannt seien das Ornithologisches Jahrbuch (Hallein),Die Schwalbe (Wien), Aquila (Budapest) und Die Gefiederte Welt (Magdeburg). Dem Lämmergeier (Gypaetus barbatus) sowie dem Birkhuhn (Tetrao tetrix) schenkte Czynk in seinen Studien besondere Aufmerksamkeit, als ob er vorausgesehen hätte, daß die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zu einer fast gänzlichen Ausrottung dieser Arten führen würden.
1890 begannen die Vorbereitungen zum 2. Internationalen Ornithologenkongreß in Budapest (1891). In fieberhafter Tätigkeit wurden – unter der Leitung von Otto Herman – vom Ungarischen Comité Musterbeobachtungen organisiert und durchgeführt. Eduard von Czynk fiel die Beobachtung des Vogelzuges in Fogarasch zu (die Ergebnisse wurden in Elemente des Vogelzuges in Ungarn bis 1891 veröffentlicht). Am Kongreß nahm er als Schriftführer der II. Sektion (Migratio, Avigeographia) teil. Nach Gründung der Ungarischen Ornithologischen Centrale wurde er ordentlicher Beobachter des Institutes. In Anerkennung seiner Verdienste wurde er im Jahre 1895 zum Korrespondierenden Mitglied dieses Institutes ernannt.
In der Zeitspanne 1891 bis 1899 erreichte von Czynk den Höhepunkt seiner schriftstellerischen Betätigung. Überall stößt man in der Fachliteratur auf seinen Namen; so in den Jagdzeitschriften Waidmannsheil (Klagenfurt), Hundesport und Waidwerk (Wien), A. Hugo’s Jagdzeitung (Neudamm) Vadászlap und Természet (Budapest). Als 1894 die heute führende Jagdzeitschrift des deutschen Sprachraumes Wild und Hund in Hamburg begründet wurde, war von Czynk als Gastautor vertreten.
Eduard von Czynk war auch eine hervorragende Gestalt der Jagdbelletristik des vorigen Jahrhunderts, der bisher zu wenig Aufmerksamkeit seitens der siebenbürgisch-deutschen Literaturkritik geschenkt wurde. Sein erstes Werk in BuchformDer Bär. Eine jagd- und naturgeschichtliche Skizze aus Siebenbürgen (Klagenfurt 1892) wurde von der Leserwelt so günstig aufgenommen, daß er in den folgenden Jahren ohne Mühe Verleger für seine monographischen Werke über die Waldschnepfe (1896), das Auerwild (1897) und das Wasserflugwild (1898) fand. Da seine Bärenmonographie auch heute noch durch Stil und kompetente naturgeschichtliche und jagdkundliche Behandlung des urigen Recken der Karpatenhochwildbahn besticht, erlebte sie nach fast 100 Jahren eine zweite Auflage. Ein besonderes Verdienst sicherte sich von Czynk mit der Herausgabe des Standardwerkes des deutschen Jagdwesens Die Hohe Jagd, erschienen 1898 in Hamburg, unter Mitarbeit der damals führenden Wildbiologen und Jagdschriftsteller des deutschen Sprachraumes. Czynk verfaßte die Kapitel: Wildschwein, Gemse und Bär. Es folgten noch drei Auflagen sowie 1922 die fünfte und letzte neubearbeitete Auflage. Eine weitere Neuauflage soll in diesem Jahr erscheinen.
Seinerzeit wurde Czynk auch als hervorragender Sammler und Präparator sehr geschätzt. Stefan von Chernel (1899) schreibt darüber: “Ich kann ohne jede Übertreibung behaupten, daß ich nie schönere Vögelbälge gesehen habe als die seinen”. Czynks reiche Vogelsammlung kam nach seinem Tode in den Besitz mehrerer Museen (Ungarisches Nationalmuseum Budapest, Fogarasch, Erlau, Beregovo in der Ukraine) sowie in die berühmte “Stefan von Chernel-Collection”.
Inzwischen zum Postinspektor ernannt, sollte Czynks sehnlicher Wunsch – in seine Vaterstadt Kronstadt versetzt zu werden – in Erfüllung gehen. Doch erleben sollte er dieses freudige Ereignis nicht mehr. Eine tückische Krankheit raffte diesen schaffensfrohen Ornithologen und Jagdschriftsteller im besten Mannesalter dahin. In der führenden Fachzeitschrift, dem Forstwissenschaftlichen Centralblatt (Berlin 1899), war zu lesen: “…Mit lebhaftem Bedauern fügen wir die Trauernachricht an, daß Herr Czynk am 20. Januar 1899 in einem Alter von nur 47 Jahren einem Nierenleiden, das er sich bei Ausübung der von ihm so sehr geliebten Jagd zugezogen, erlegen ist”.
Daß von Czynks Werke nicht in Vergessenheit geraten sind, bezeugen nicht nur die heutigen Neuausgaben, sondern auch deren Erwähnung beispielsweise in dem sehr selektiven Werk Deutsche forstliche Bibliographie (3 Bände, 1967-1972) sowie im monumentalen Werk von Sigrid Schwenk Bibliographie der deutschsprachigen Jagdliteratur von 1851 bis 1945.
Eduard von Czynk, der erfolgreiche Autodidakt und “field ornthologist”, wie die Engländer ihn nannten, hat seine Tätigkeit im Vorwort eines seiner Bücher wie folgt charakterisiert: “…Kurz gesagt hat mich folgendes zum Schreiben bewogen: unauslöschliche Liebe zur Natur, zum Wild und zum edlen Weidwerk. Nicht Eitelkeit, nicht Dünkel, nicht jägerliche Großmannssucht”. Seiner in der Fachliteratur immer wieder zitierten, der ersten und bisher letzten Bärenmonographie Siebenbürgens entstammt das Zitat: “Möge Diana walten und Sankt Hubertus beim Schöpfer aller Kreaturen Fürbitte leisten, daß der Bär, dieses urwüchsige, reckenhafte Raubtier nicht auch bei uns auf das Aussterbe-Etat gesetzt werde, daß der echte, rechte Waidmann auch fürderhin noch ebenbürtige Gegner habe und Reineke nicht unser stärkstes Raubwild sei. Der Mensch muß doch nicht alles vertilgen!”. Die zuständigen Jagdgötter und–heiligen scheinen den Jäger und Heger erhört zu haben. Wenn im Jahre seines Ablebens (1899) ungefähr 3.000 Bären ihre Fährte durch die Urwälder der Karpaten des heutigen Rumänien zogen, so sind es gegenwärtig schätzungsweise 6.500 Stück!
Lit.: Chernel von Chernelháza, St.: Eduard Czynk (1851– 1899). Aquila, 6 (1-2), Budapest 1899, S. 70 ff. – Czynk, E. v.: Die Waldschnepfe und ihre Jagd. Berlin 1896, 85 S. – Czynk, E. v.: Das Auerwild, seine Jagd, Hege und Pflege. Neudamm (Nm.) 1897, 162 S. – Czynk, E. v.: Die Hohe Jagd. Berlin 1899, 504 S.; 5. neubearb. Aufl. ebd. 1922, 761 S. (hrsg. v. C. Alberti u.a.). – Florstedt, A.: In den Hochgebirgen Asiens und Siebenbürgens. Jagderlebnisse und Forschungsreisen. Neudamm (Nm.), Verl. Neumann 1928, 218 S. – Gebhardt, L.: Die Ornithologen Mitteleuropas, Giessen 1964, S. 67-68. – Hienz, H.A.: Schriftsteller–Lexikon der Siebenbürger Deutschen, Bd. V, Köln, Weimar, Wien 1995. 489. – Ionescu-Lupeanu, M.: Jagdhistorische Noten: Über Menschen und Trophäen (rum.). Vânât. si Pesc. Român, 12, 1997, Bukarest, S. 4 u. 14. – Klemm, W. u. Kohl, St.: Die Ornis Siebenbürgens. Bd. III, Köln, Wien 1988, S. 417. – Klemm, W.: Czynk, Eduard v. In: Lexikon d. Siebenbürger Sachsen. Thaur bei Innsbruck 1993, S. 95. – Krementz, A.: Der Bär. Ein Beitrag zur Naturgeschichte desselben und zur Jagd auf Bärwild. Berlin 1888, 95. S. – Rösler, R.: Edward von Czynk (1851– 99). Erste Bärenmonographie Siebenbürgens. Siebenb. Zeitung, 38. Jahrg., 12, München 1988, S. 5. – Rösler, R.: Die Karpaten-Gams. Jahrb. 1990/91 des Deutschen Alpenvereins, Sekt. Karpaten, 3, München 1991, S. 35-39. – Salmen, H.: Die Ornis Siebenbürgens, Köln, Wien, Bd. I, 1980, S. 46-49; Bd. II, 1982, S. 894-895, 920-921, 939. – Schuller, Fr.: Schriftsteller-Lexikon der Siebenbürger Sachsen. Bd. IV, Hermannstadt 1902, S. 79-80. – Schwenk, S.: Bibliographie der deutschsprachigen Jagdliteratur von 1851 bis 1945. Bd. 1, A-K, Berlin. New York, Walter de Gruyter 1997, 1814 S. (S. 371-374).
Rudolf Rösler