Biographie

Damaschke, Willi

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Pädagoge
* 29. Januar 1892 in Preußisch Holland/Ostpr.
† 30. November 1957 in Göttingen

Der Beruf des Vaters, Ferdinand Damaschke, der als Schmied und Lokführer bei Eisenbahnbauten im preußischen Osten weit herumkam, hatte zur Folge, daß Damaschke in Preußisch Holland geboren wurde. Nach häufigem Schulwechsel besuchte er schließlich die Präparandie in Unruhstadt (Provinz Posen) und das Lehrerseminar in Bromberg. Hier vereinten sich für ihn, durch die fesselnde Lektüre von Hermann Itschners Unterrichtslehre (1908-1912) und Heinrich Theodor Rötschers Kunst der dramatischen Darstellung (1848/1919) angeregt, die beiden Ideale eines „Menschenerziehers“ und „Menschendarstellers“ zum weit gefaßten Lebensziel einer umfassenden „Volksbildung“. Zudem hatte das Schicksal in Gestalt des Versailler Vertrags von 1919/1920 Damaschke herausgefordert, Schule und Bühne als Hilfen gegen die Abwanderungspsychose und die polnische Entdeutschungspolitik einzusetzen.

Gerade Bromberg, wo Damaschke schon 1913 die Lehrerprüfung bestanden und in dessen Nähe (in Jagdschütz und Hoheneiche) er mit einer Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg sich in seinen Junglehrerjahren bis 1919 bewährt hatte, war hervorragend dazu bestimmt, das deutsche Volkstum in praktischer, vielfach behinderter Schularbeit zu verteidigen und jahrzehntelang zu verwirklichen. Diese aufblühende Stadt hatte einen beachtenswerten Bestand ihres Deutschtums behalten, für das Damaschke nach der Polonisierung des Stadttheaters eine eigene deutsche Schauspielgemeinde schuf; unterstützt durch den Schriftsteller Karl Meissner und Dr. Otto Schönbeck, den künftigen Leiter des Deutschen Schulvereins, sowie den politischen Deutschtumsbund und nicht zuletzt durch seine Frau Charlotte, geborene Röhr, welche in der „Deutschen Bühne Bromberg“ die Leidenschaft und Herzenslust des Schauspiels mit ihm und Dr. Hans Tietze teilte. Es war ihm ein bekennerisches Bedürfnis, „alle die großen und schönen Rollen des deutschen und Welttheaters zu spielen“, wie es in seinem Lebenslauf von 1948 heißt. Es ist sicher kein Zufall, daß das seit einigen Jahren vorliegende Werk über die „Deutschen Bühnen in Großpolen und Pommerellen 1919-1939“ (vgl. Literaturverzeichnis) auch polnischerseits wissenschaftliche, wenn stellenweise auch mißverstehende Beachtung gefunden hat.

Nachdem Damaschke von den neuen polnischen Behörden die Unterrichtserlaubnis entzogen worden war, widmete er sich im „Landesverband deutscher Lehrer und Lehrerinnen in Polen“ und im „Deutschen Schulverein“ einer vertieften populärwissenschaftlichen und publizistischen Tätigkeit, die weit ostwärts über die Grenzen der ehemaligen preußischen Gebiete hinaus bis nach Dornfeld und Ost-Schlesien (Bielitz) sowie nach Lodz und in all die anderen Deutschtumsgebiete in Polen hineinwirkte. Er redigierte die hervorragende Deutsche Schulzeitung in Polen, gab Pädagogische Jahrbücher heraus, verfaßte ein landeskundliches Arbeits- und Lesebuch über Polen, eine zweibändige Geschichte Polens (1926, 1931), ein Quellenheft zum 3. Mai 1791, der denkwürdigen polnischen Verfassung, ein Erdkundebuch über Polen und nicht zuletzt den Text zum Dokumentarfilm Die deutschen Lehrer in Polen (1930). Er betreute auch die Vierteljahresschrift Der evangelische Religionslehrer in der Diaspora sowie den von der polnischen Schulbehörde genehmigten Lehrplan für den Religionsunterricht an allen Schulen mit deutscher Unterrichtssprache im Gebiet der Unierten Evangelischen Kirche in Polen, mit denen die enge, lebenswichtige Verbindung zwischen Kirche und Volkstum zum Ausdruck kam.

Gegen alle Schwierigkeiten, denen das Deutschtum in Polen durch die einengende polnische Minderheitenpolitik, insbesondere auf dem Gebiet des Schulwesens, ausgesetzt war, bemühte sich Damaschke unbeirrt darum, den deutschen Kindern und Eltern mit Entschlossenheit des „Dableibens und Polnischlernens“ polnische Geschichte, Kultur und Sprache verständlich zu machen. Zeugen schon die Schulbücher davon, so war die Einladung zur Kochanowski-Feier der Universität Krakau im Jubiläumsjahr 1930, wo Damaschke die Threnodien (Treny) des polnischen Dichters der Renaissance-Zeit in deutscher Sprache vortrug.

Überhaupt war Damaschke ein bereitwilliger „Berater für deutsche Abende“ und selber ein begnadeter Vortragender. Mit seiner Frau gleichgesinnten „Volksbildnern“ zog er zu den Deutschen in Polen, um in Wort, Bild und Musik die „Frohbotschaft des Volkstums“ zu verkünden. Ihr Urtext bestand aus Treue und gleichermaßen Toleranz.

Diese beiden Tugenden wurden, so widersprüchlich dies erscheinen mag, nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf die Probe gestellt. Mit der Eingliederung Brombergs in den „Reichsgau Danzig-Westpreußen“ 1939/40 bot sich Damaschke endlich wieder die Gelegenheit, selber Kinder zu unterrichten. Gegen alle eigene Erfahrung und wider alle Grundsätze sollte er jedoch polnische Kinder einer Bromberger Vorstadtschule zu deutschen Kindern „umvolken“, also all das verleugnen, was er in Büchern, Aufsätzen, Reden, Denkschriften und durch eigene Haltung gefordert und vorgelebt hatte. Nachdem ihm auch die Möglichkeiten der Bühnenwirksamkeit durch reichsdeutsche und deutsch-baltische Berufsschauspieler genommen worden war, stellte sich das „Volksdeutsche Leiden“ an dem enttäuschenden, bedenklichen „reichsgermanischen“ Unverstand und Hochmut im Umgang mit der polnischen Bevölkerung ein, das nur durch eine vorübergehende Tätigkeit in Krakau gemildert werden konnte, wo sich die Möglichkeit bot, Richtlinien für den Unterricht für polnische und ukrainische Kinder im Sinne der eigenen klassisch-romantisch-humanistisch geprägten Grundsätze zu entwerfen. Doch ging alles mit der Flucht der Familie im Januar 1945, im Volkssturm und den Endkämpfen in Berlin, die in veröffentlichungswürdigen Aufzeichnungen festgehalten sind, unter.

In Nentershausen bei Bebra fand die Familie – Ehefrau, Sohn, Tochter mit Enkelkind – im Mai/Juni 1945 wieder zusammen. Sehr bald begann ein neuer Dienst an Bühne und Musik, der besonders von Rotenburg an der Fulda aus weite Kreise Nordhessens, besonders Vertriebene, erfaßte; nicht zuletzt durch die Begründung und Leitung einer Volkshochschule, so daß die Dreiheit von „Schulmann-Bühnenmann-Volksbildungsmann“ voll zur Geltung kam. Aus mancherlei neuen Möglichkeiten riß ihn nach schwerer Krankheit der Tod mit 65 Jahren. Er wurde auf dem Rotenburger Friedhof begraben.

Weitere Werke: Selbstverfaßter Lebenslauf, Nentershausen 1948.

Lit.: R. Breyer: Willi Damaschke – Leben und Werk. Gedächtnisansprache 1977, in-Westpreußen-Jahrbuch 1987. – G. Ohlhoff: Im Gedenken an Willi Damaschke. In: Der Westpreuße Nr. 4/1982. – Kotowski: Teatry Deutsche Bühne w Wielkopolsce i na Pomorzu 1919-1939 (Deutsche Bühnen in Großpolen und Pommerellen) Warschau-Posen 1985. – E. Bahr: Damaschke, Willi, Fritz. In: Altpreußische Biographie, Bd. IV, 2. Lieferung, 1989.

Richard Breyer