Biographie

Dedecius, Karl

Herkunft: Zentralpolen (Weichsel-Warthe)
Beruf: Übersetzer, Herausgeber, Essayist
* 20. Mai 1921 in Lodz/Polen
† 26. Februar 2016 in Frankfurt/ Main

Als Karl Dedecius 1990 der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wurde, würdigte der Stiftungsrat ausdrücklich „ein Lebenswerk, das dem Verstehen von Literatur und der Verständigung zwischen Völkern gewidmet ist“. Gleichzeitig ehrte der Stiftungsrat in Dedecius „die Übersetzer als Anreger, Vermittler und Partner des literarischen Austausches“.

Hinter diesem Lebenswerk steht ein energisch vorangetriebenes Programm eines Mannes, der am 20. Mai 1921 als Sohn eines Beamten in Lodz geboren wurde, und der bis zu seinem Abitur im Jahre 1939 als Deutscher an einem polnischen humanistischen Gymnasium unterrichtet wurde. Karl Dedecius wurde durch das Leben in der Vielvölkerstadt Lodz wesentlich geprägt und angeregt. Er wuchs zweisprachig, bikulturell auf und diese Erfahrungen wurden für ihn zur Berufung. Nach dem Abitur kamen für ihn Arbeitsdienst und nach Ausbruch des Krieges die Einberufung zur Wehrmacht. Nach seiner Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft im Jahre 1950 fand er seine Familie in Weimar wieder, wo er als Redakteur am Deutschen Theaterinstitut arbeitete. 1953 begann er als Angestellter der Allianzversicherung, für die er, zuletzt in leitender Position, bis 1978 arbeitete. Das Konkrete mit der Poesie zu verbinden, machte Dedecius keine Schwierigkeiten. Neben seinem Beruf bei der Allianz widmete er sich der Popularisierung der polnischen Literatur in Deutschland. 1959 erschien sein erstes Bändchen polnischer Lyrik beim Hanser Verlag in München. Es hieß Lektion der Stille und enthielt Gedichte von Białoszewski, Gałczynski, Grochowiak, Herbert, Jastrun, Miłosz, Przyboś, Różewicz, Szymborska, Tuwim und anderen. „Kennzeichnend für die Übertragungen von Dedecius ist deren schöpferischer Charakter. Nach seiner Meinung wählt der Übersetzer die Sprache, das Thema, die Ideen, die Zeit, den Autor, das Werk, den Raum, die Form, die Deutung und Bedeutung“, heißt es im „Börsenblatt“ vom 27.4.1990. Seine Berufung wurde Beruf, als er 1979 die Leitung des neugegründeten Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt übernahm. In einer Gemeinschaftsgründung der Stadt Darmstadt, des Bundes und der Länder Hessen und Rheinland-Pfalz wurde damit eine Empfehlung des 1. Deutsch-polnischen Forums realisiert. Hauptaufgabe des Darmstädter Instituts ist die wissenschaftliche Arbeit zur Vertiefung der Kenntnis des Kultur- und Geisteslebens von Polen und Deutschen. In diesem vergrößerten Rahmen konnte Dedecius seine übersetzerische und editorische Arbeit ausbauen.

Zusammen mit einem kleinen Kreis von Mitarbeitern ist es Dedecius gelungen, aus dem Deutschen Polen-Institut eine Institution zu machen, die im In- und Ausland Anerkennung gefunden hat. Von großer Bedeutung war dabei die konsequent durchgehaltene Zielsetzung, sich bei der Arbeit allein von dem Kriterium der Qualität leiten zu lassen und sich keiner Gruppierung oder Strömung als Sprachrohr anzudienen. Von vorne herein stand fest, daß in der Arbeit des Instituts die gesamte polnische Literatur vertreten sein muß, unabhängig davon, ob sie in Polen, im Untergrund oder in der Emigration entstanden war.

Neben einer Vielzahl von Einzelveranstaltungen und Publikationen machen drei Buchreihen den Kern der herausgeberischen Arbeit des Instituts aus: diePolnische Bibliothek, eine auf 50 Bände angelegte Reihe polnischer Literatur in deutscher Übersetzung, die beim Suhrkamp Vertag erscheint und von der Robert Bosch-Stiftung gefördert wird; die Blaue Reihe, in der Dokumentation, Bibliographien und andere polonistische Arbeitsmaterialien erscheinen und die am Institut verlegt wird; Deutsch-polnische Ansichten zur Literatur und Kultur, ein Jahrbuch, das neben einem Chronikteil geisteswissenschaftliche und literaturkritische Essays versammelt.

Zu den wichtigsten eigenen Veröffentlichungen von Karl Dedecius zählen: Deutsche und Polen. Botschaft der Bücher (1971, 1973), Überall ist Polen (1974), Polnische Profile (1975), Zur Literatur und Kunst Polens (1981), Vom Übersetzen (1986), Von Polens Poeten (1988). Dedecius ist Träger zahlreicher in- und ausländischer Auszeichnungen: Übersetzerpreis des Polish Institut of Arts and Sciences (New York), Godlewski-Preis der Exilpolen (Zürich), Literaturpreis des Polnischen Autorenverbandes (Warschau), Wieland Übersetzerpreis, Bundesverdienstkreuz, L’ordre du Mérite culturel des Polnischen Ministeriums für Kultur und Kunst (Warschau); außerdem ist Dedecius Ehrendoktor der Universitäten Köln, Lublin und Lodz.

Bild: Elżbieta Lempp

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